| # taz.de -- Hommage einer homosexuellen Ikone: Die rote Hure | |
| > Im Schwulen Museum* wird das Leben und Werk des furchtlosen | |
| > DDR/BRD-Bühnenbildners Peter Kothes gewürdigt. | |
| Bild: Kothe gab auch Praunheim-Filmen einen gewissen Pfiff – hier „der Eins… | |
| Er hat unter anderem die Rosa- von-Praunheim-Filme „Der Einstein des Sex“ | |
| (1998) und, kurz nach der Wende, „Ich bin meine eigene Frau“ (1991) | |
| gemacht, das Porträt der DDR-Schwulenbewegungslegende Charlotte von | |
| Mahlsdorf. Jetzt wird Peter Kothe in einer Sonderausstellung des Schwulen | |
| Museums* gewürdigt. Eine Theaterausstellung, heißt es, wer aber mag, geht | |
| durch die mit vielen Originalexponaten aus dem Leben des Künstlers | |
| ausgestatteten Räume wie durch ein sehr beeindruckendes Coffee-Table-Book. | |
| Kothe, das muss Jüngeren erzählt werden, verkörpert wie kein anderer das | |
| schwule Leben in beiden deutschen Staaten – und im wiedervereinigten Land. | |
| Es ist wie ein Spaziergang durch diedeutsche Nachkriegsgeschichte – die für | |
| schwule Männer wie Peter Kothe notgedrungen immer eine im Underground war. | |
| Kothe muss ein furchtloser Mann gewesen sein: Geboren am Anfang des Zweiten | |
| Weltkriegs, schien er als Jugendlicher in den mittleren fünfziger Jahren | |
| kaum beeindruckt gewesen zu sein vom Paragrafen 175, der in der DDR nicht | |
| in der Nazifassung beibehalten wurde wie in der Bundesrepublik, aber doch | |
| ein freies Leben unmöglich machte. | |
| ## In der DDR unter Beobachtung | |
| Die Ausstellung zeigt in jungen Jahren einen kecken Teenager, der in der | |
| Tat unverblümt in die Kamera von Gerhard Thie-Busch – ein | |
| Ost-Industrieller, der Produkte für die Bienenzucht herstellte – schaute: | |
| ein Blick, eine Lebenseinstellung offenbar. | |
| Er studierte Architektur, sattelte auf Bühnenbildnerei um – das, wenn man | |
| das so sagen darf, klassische Handwerk des schwulen Mannes: In der DDR war | |
| er einverstanden mit den realsozialistischen Grundsätzen, nach dem Bau der | |
| Mauer 1961 allerdings nicht mit der kastrierten Reisefreiheit. Als Peter | |
| Kothe, ziemlich smart, Mitte der siebziger Jahre um Reisen ins | |
| kapitalistische Ausland bat – welterkundungsfreundlich, wie er in jeder | |
| Hinsicht war –, kam er unter Beobachtung der DDR-Sicherheitsdienste. | |
| Dazwischen liegen für ihn aufregende Jahre sowohl in Ostberlin, aber auch, | |
| als Theatermann, in der DDR-Provinz. In der Schwumu*-Ausstellung sind | |
| Exponate aus den Jahren in Frankfurt an der Oder, in Wittenberg, in | |
| Eisleben zu sehen. Eine künstlerische Laufbahn im Ringen um Schönheit und | |
| Irritation. Auch fürs DDR-Fernsehen arbeitete er. Gleichwohl: Mief blieb | |
| Mief, irgendwann war er vom DDR-Regime nicht mehr aushaltbar, er hielt | |
| dieses ebenso für unerträglich. Ausgebürgert wurde er am22. Oktober 1984. | |
| Auch in der Bundesrepublik arbeitete er viel in der Provinz, in Bielefeld | |
| etwa – nicht gerade der Hotspot schwulen Lebens, heute nicht, damals ebenso | |
| wenig. Hübsch ist anzuschauen und zu verstehen, dass Peter Kothe für alle | |
| Sparten des Theaters arbeitete, für Operette wie für die Oper, das Sprech- | |
| wie das Kindertheater. | |
| Man hat in dieser Ausstellung das Gefühl, Peter Kothe könnte ein großer | |
| Pädagoge gewesen sein: ein Verführer sondergleichen, ohne dass dies jetzt | |
| erotisiert verstanden werden soll. Seine Theaterbilder waren von | |
| ungewöhnlicher Plastizität – als wären die Bilder und Kostüme von einem | |
| ausgesprochen fantasievollen Kind selbst gefertigt werden. | |
| ## Selbstbewusst und schüchtern | |
| Das Theatralische des intensiven Lebens Peter Kothes erschließt sich eher | |
| beiläufig: Zu sehen sind Fotografien eines ergreifend selbstbewussten und | |
| schüchternen Mannes zugleich, ein Kerl zugleich, der offenkundig um das | |
| Geheimnis eines Lebens selbst wusste: Dass es keine Generalprobe auf ein | |
| besseres ist, sondern sofort gelebt werden sollte, um sich nicht die Butter | |
| vom Brot nehmen zu lassen, Kothe ist, insofern, ein Idol eines schwulen | |
| Lebens in harter bis härterer Zeit. | |
| Er hatte zum Sex kein Etepetete-Verhältnis, völlig zu Recht wurde er in | |
| queeren Kreisen so liebe- wie respektvoll als „Rote Hure“ bezeichnet – ei… | |
| Attributierung heterosexueller Beobachter, die er mit umso größerer Lust | |
| als Charakteristikum seiner selbst nicht bitter abwies. | |
| In Westberlin arbeitete er schließlich mit Rosa von Praunheim zusammen: | |
| Kothe gab den Filmen durch seine Ausstattung diesen gewissen Pfiff, der aus | |
| einer Allerweltsproduktion Sehlust stiftet. | |
| Vor einem Jahr starb Peter Kothe, die ihm versprochene Ausstellung konnte | |
| er nicht mehr selbst kuratieren und sehen. Sein schwules Leben ist seit den | |
| späten fünfziger Jahren mit Fotos von Herbert Tobias und privaten | |
| Schnappschüssen aus der Ostberliner und später der Westberliner Subkultur | |
| dokumentiert. Hinzu kommen Kostümfragmente und vor allem fantasievolle | |
| Hüte, die Peter Kothe zu Anlässen wie Familienfeiern, Straßenfesten, auf | |
| Christopher-Street-Demonstrationen und bei Faschingsfeten der queeren | |
| Subkultur trug. | |
| Erhalten haben sich Zeugnisse von der Grundschule, der Humboldt-Oberschule | |
| in Potsdam, der Tanzschule und der Universität bis hin zu Urkunden als | |
| Bestarbeiter und Dankschreiben verschiedener Wirkungsstätten. Er versuchte | |
| sich gar in den 1970er Jahren als Modell. Die Dokumente seiner Ausbürgerung | |
| und des Neuanfangs in Westberlin erzählen eine damals fast alltägliche | |
| Geschichte staatlicher Bevormundung. | |
| Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg | |
| immer Donnerstags in der Printausgabe der taz. | |
| 25 Aug 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Feddersen | |
| ## TAGS | |
| Ausstellung | |
| Homosexualität | |
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| Berlin | |
| Ausstellung | |
| Gina-Lisa Lohfink | |
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