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# taz.de -- Olympisches Synchronschwimmen: Schweben und heben
> Das Finale im Synchronschwimmen der Frauen steht an. Für Männer gibt es
> diesen Wettbewerb bei Olympia nicht. Dabei haben sie die Sportart
> erfunden.
Bild: Der Russe Alexander Maltsev trainiert bei den Frauen mit. Zu den Olympisc…
Das ganze Dilemma in sieben Silben: „Ein-fach nicht mehrheits-fä-hig“. Das
sagt kein Geringerer als Jürgen Fornoff, Generalsekretär des Deutschen
Schwimmverbands, über das Synchronschwimmen. Seit 1984 ist es Teil des
olympischen Programms. Alle vier Jahre beweisen die Sportlerinnen Kraft,
Ausdauer und Präzision, wenn sie in beeindruckender Synchronität zum Takt
der Musik durchs Wasser tauchen und schwimmen.
Trotzdem sehen viele Beobachter bis heute nicht die komplexe Sportart,
sondern nur das schillernde Äußere: Lippenstift, bunte Badeanzüge,
wasserfeste Schminke. Wenn ab heute wieder im Duett und im Team synchron
geschwommen wird, stehen die Herren bedröppelt am Beckenrand. Seit
Jahrzehnten verbietet der Schwimm-Weltverband Fina ihnen die Teilnahme. Ob
im Duett, Team oder Mixed.
Abschätzig als „Wasserballett“ bezeichnet, gilt dieser Sport vielen als
unmännlich. Die sportlichen Höchstleistungen werden ignoriert. Jürgen
Fornoff meint, es sei „der Anruch des Gay“, der die Aufnahme des männlichen
Synchronschwimmens in den Olympia-Kanon seit Jahren verhindert. „In der
Diskussion wird nicht über Sport gesprochen“, urteilt er.
Darunter zu leiden hat auch Niklas Stoepel. „Ich kann anderen ja keine
Meinung vorschreiben“, sagt der 24-jährige Maschinenbaustudent nüchtern. Er
ist der einzige deutsche Synchronschwimmer im Leistungssportbereich. Anders
als bei Olympia durften bei den Deutschen Meisterschaften im Juli zum
ersten Mal Mixed-Teams antreten.
## Sieger ohne Gegner
Stoepel gewann mit seiner Partnerin Amelie Ebert unangefochten, weil es
keine Gegner gab „Es ist kein Sport, wenn du keine Konkurrenz hast“, sagt
Stoepel.
Dabei war das im 19. Jahrhundert „Reigenschwimmen“ genannte
Synchronschwimmen lange eine männliche Domäne. „Das schönste Schauspiel ist
es für Zuschauer, wenn sie Jünglinge und Männer im Spiegel des Wassers sich
üben und in mannigfaltigsten bildlichen Kunstfiguren sich gruppieren
sehen“, schrieb 1816 Carl Heinitz, Direktor der militärischen
Schwimmanstalt in Wien. Was hätte Heinitz wohl geschrieben, hätte er das
20. Jahrhundert kennengelernt?
Frauen durften nicht nur mitmachen, sondern wurden zu den Repräsentanten
des Synchronschwimmens. Als sich der Sport in den 1920er Jahren zum
Figurenschwimmen entwickelte, waren Frauen im Vorteil. Männer, die oftmals
mit untergehenden Beinen kämpften, wurden nach und nach verdrängt.
1923 gründete Katherine Curtis den ersten Wasserballett-Club: die „Modern
Mermaids“. Ihre Aufführungen wurden international gefeiert. Mit zunehmender
Bekanntheit des Sports führte Curtis Regeln und Bewertungskriterien ein,
die sie aus der Gymnastik, dem Turmspringen und dem Eiskunstlaufen
übernahm. Die Übungen wurden aufwendiger, Tauchpassagen länger: Das
weiblich dominierte Synchronschwimmen war etabliert.
## Esther Williams' Acqua Musicals
Berühmt wird der Sport durch Esther Williams. Die US-amerikanische
Schwimmerin machte die „Acqua Musicals“ in den 1940er und 1950er Jahren
durch Dutzende Filme wie „Die badende Venus“ populär. Bis heute ist die
Wahrnehmung des Synchronschwimmens eng mit Esther Williams’ Filmen
verbunden. Männliche Athleten sieht man in Filmrevues fast nur noch als
Parodie.
Heute blenden viele Verbänden die männliche Vergangenheit des
Synchronschwimmens aus. Für sie ist dieser Sport weiblich, und so soll es
auch bleiben. Auch männliche Turner und Reiter haben mit solchen
Vorurteilen zu kämpfen. In weiten Kreisen gelten ihre Sportarten bis heute
als Frauendomänen. Trotzdem nehmen Männer seit Jahrzehnten bei Olympia an
Dressur- und Turnwettkämpfen teil; einen Ausschluss würde kein seriöser
Offizieller fordern.
„Synchronschwimmen ist eine Verbindung von vielen Sportarten“, erläutert
Niklas Stoepel. Turnen, Schwimmen, Eiskunstlauf, Wasserball. Eine
dreiminütige Kür fordert alles ab. „Körperspannung, Beweglichkeit und
Kraft. Und das Ganze unter Wasser.“ Erst nach sechs bis sieben Jahren ist
man wettkampftauglich. Stetiges Training, 5- bis 6-mal pro Woche,
vorausgesetzt. „Das ist ein Hindernis für das Ausbrechen aus der Nische.“,
sagt Stoepel. „In anderen Sportarten kann man sich viel schneller
verbessern.“
In Kasan 2015 feierte der Mixed-Wettkampf im Synchronschwimmen Premiere bei
einer WM. „Es ist super gut angekommen“, erinnert sich Stoepel. „Gemischte
Paare ermöglichen ganz andere Hebefiguren“, pflichtet Fornoff ihm bei. Mehr
Athletik, mehr Vielseitigkeit. Eine Entwicklung, die den Sport
revolutionieren wird.
Der DSV-Generalsekretär sieht die Zukunft optimistisch: „Irgendwas wird
kommen“, prophezeit er.
16 Aug 2016
## AUTOREN
Sören Haberlandt
## TAGS
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Friedrich Küppersbusch
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