| # taz.de -- Deutschland und Neuseeland siegen: Konkurrenzlos besessene Ruderer | |
| > Die Neuseeländer Eric Murray und Hamish Bond holen im Zweier wieder Gold. | |
| > Seit 2009 sind sie ungeschlagen. Den Doppelvierer beherrschen Deutsche. | |
| Bild: So sehen Seriensieger aus: Eric Murray (l.) und Hamish Bond | |
| Rio de Janeiro taz | Es stürmt gern mal an der Lagoa dos Freitas. Dann | |
| sitzen kleine Schaumkronen auf den Wellen. Und die Funktionäre vom | |
| internationalen Ruderverband zerbrechen sich den Kopf, ob man bei vier | |
| Beaufort noch eine Regatta veranstalten kann. Das Problem: Der olympische | |
| Zeitplan ist eng, bald schon wollen die Kanuten an der Lagune ihr Lager | |
| aufschlagen. Am Mittwoch hatten ein paar Enten das Wasser ganz für sich, | |
| denn an diesem windigen, regnerischen Tag fanden keine Rennen statt. Am | |
| Donnerstag aber war es heiter, und der Wind hatte nachgelassen. Es konnte | |
| gerudert werden. | |
| „An manchen Tagen herrschen hier grenzwertige Bedingungen, dann ist es | |
| nicht ruderbar“, sagt der deutsche Trainer Tim Schönberg. „Die Umstände | |
| sind zwar für alle gleich, aber mit dem klassischen Rudern hat das nicht | |
| mehr viel zu tun. Gerudert wird ja eigentlich auf glattem Wasser.“ Wer | |
| besser durch die Welle kommt, der hat eine gute Chance. Wer Pech hat, säuft | |
| ab. „Wenn erst mal eine Welle ins Boot reinschaut, dann liegt das Boot | |
| sofort tiefer. Und wenn ein Großboot, zum Beispiel der Achter, voll mit | |
| Wasser ist, dann wird es natürlich schwer.“ | |
| Ein paar Boote drohten schon in der Lagune zu sinken, andere knackten beim | |
| Anlanden in der Mitte durch. Selbst eine Weltklasseruderin wie die | |
| australische Einer-Spezialistin Kim Crow hatte im Vorlauf arg zu kämpfen. | |
| Die Weltmeisterin wurde, distanziert von Ruderinnen aus Simbabwe und von | |
| den Bahamas, nur Vierzehnte und kam gerade so weiter. Sie hatte den Fehler | |
| gemacht, sich bei Wind und Wellen in ein leichtes Boot zu setzen. | |
| Im weiteren Verlauf der Regatta tauschte sie ihr leichtes Ruderboot gegen | |
| ein schwereres – und schon funktionierte es wieder. Alle kämpfen in diesen | |
| Tagen mit den Bedingungen, bauen Wellenbrecher an die Boote an oder | |
| versehen die Ausleger mit Klebeband, nur die neuseeländischen Superruderer | |
| tun so, als könnten sie ihre schlanken, fragilen Boote auch als | |
| Wildwasserkanu nutzen. Rafting in der Lagoa? Für die Kiwis offenbar kein | |
| Problem. | |
| ## Beeindruckende Serie | |
| „Ein guter Ruderer muss bei allen Bedingungen rudern können“, sagt Mahe | |
| Drysdale, der Einer-Olympiasieger von London 2012. Er steht an einem | |
| sonnigen Flautetag mit nacktem Oberkörper vor den Journalisten. Er riecht | |
| würzig nach ollen Sportklamotten, und um seinen Hals baumelt ein „Doping | |
| Control Access Pass“. Drysdale hat nicht viel Zeit. Die neuseeländische | |
| Pressefrau zieht ihn weiter. | |
| „Das Psychologische wird entscheiden, ich fühle mich gut“, darf er noch | |
| sagen, dann entschwindet der 37-Jährige, der hier den Tschechen Ondřej | |
| Synek schlagen muss, um seinen Olympiasieg zu wiederholen. Drysdale ist in | |
| Neuseeland ebenso eine Ruder-Ikone wie die Zweierspezialisten Eric Murray | |
| und Hamish Bond. Sie sind seit 2009 ungeschlagen. Es ist eine der | |
| beeindruckendsten Siegesserien, die es jemals im Rudern gegeben hat. Da | |
| kann derzeit eigentlich nur das kroatische Bruderpaar Martin und Valent | |
| Sinković im Doppelzweier, einer anderen Bootsklasse, mithalten. Auch am | |
| Donnerstagnachmittag ließen Murray und Bond die Konkurrenz wie Statisten | |
| aussehen, überlegen mit fast 3 Sekunden Vorsprung. Silber und Bronze | |
| gewannen Südafrika und Italien. | |
| Nur einmal, bei der WM 2010 auf dem heimischen Lake Karapiro auf der | |
| Nordinsel Neuseelands, wo auch das Ruderzentrum der Kiwis liegt, hatte Bond | |
| das Gefühl, sie könnten von den Briten geschlagen werden. Wurden sie | |
| natürlich nicht. | |
| Bei Olympia in London gewannen sie das Finale mit über sechs Sekunden | |
| Vorsprung, und im Vorlauf stellten sie bei Rückenwind einen Weltrekord in | |
| ihrer Bootsklasse auf – 6:08:50 Minuten auf einer Stecke von zwei | |
| Kilometern. Sieben Mal hintereinander sind sie Weltmeister geworden, | |
| zuletzt auf dem französische Lac d’Aiguebelette. Weil sie von der Ruderei | |
| offenbar nicht ausgelastet waren, streuten sie dort immer wieder ausgiebige | |
| Radtouren ein, um sich mal richtig zu schaffen. „Die sind völlig bekloppt“, | |
| sagt der deutsche Pressesprecher Tammo van Lessen. | |
| ## Wettergegerbte Surfertypen | |
| Nach dem Geheimnis ihres Erfolgs im Zweier ohne Steuermann gefragt, | |
| antwortet Eric Murray: „Weil wir so gut aussehen, haha. Nein, ehrlich | |
| gesagt, wir haben eine klare Trainingsphilosophie, hauen uns immer rein.“ | |
| Auch er erscheint mit nacktem Oberkörper in der Mixed Zone. Auf seinem | |
| rechten Oberarm prangt ein Tattoo; er hat sich das Geburtsdatum seines | |
| Sohnes Zachery unter die Haut stechen lassen. | |
| Murray sieht aus wie einer dieser blonden, wettergegerbten Surfertypen, | |
| deren Leben immer nur aus Sport und Spaß zu bestehen scheint. Murray mag | |
| lässig wirken, aber wenn es ums Rudern geht, ist er ein Besessener.„Wir | |
| haben mehr Erfahrung als jedes andere Boot und immer wieder nach neuen | |
| Reizen gesucht, zum Beispiel die Trainer gewechselt.“ Seit vier Jahren | |
| haben sie Dick Tonks als Coach. „Er hat uns echt weiter gebracht.“ Er ist | |
| ein Schleifer. | |
| Murray und Schlagmann Bond, das ist eine gut funktionierende | |
| Zweckgemeinschaft. „Wir haben so etwas wie eine Geschäftsbeziehung, wir | |
| sind sehr unterschiedliche Typen und leben eher nicht in einer | |
| symbiotischen Beziehung. Wir respektieren uns völlig, leben privat aber | |
| völlig verschiedene Leben“, sagt Murray. Sie sehen sich in der Tradition | |
| großer neuseeländischer Ruderinnen und Ruderer wie den Zwillingen Caroline | |
| und Georgina Evers-Swindell oder Einer-Ruderer Rob Wadell. | |
| Und wie kriegt man so eine Siegesserie hin? „Wir haben mit den Jahren | |
| gelernt zu gewinnen.“ Kurzum: Wenn es einmal läuft, dann läuft es. Murray | |
| ist aber auch ein besonderer Ruderer. Er hält diverse Weltrekorde an der | |
| Rudermaschine – in einer Stunde kam er mal 18.728 Meter weit und doch nicht | |
| vom Fleck. Bei einer Regatta zu Hause vor fünf Jahren, die auch vom Wind | |
| verblasen wurde, wollten bei extremen Bedingungen nur zwei Cracks im | |
| Einer-Finale starten: Mahe Drysdale und Eric Murray – Naturburschen mit | |
| Starappeal. Sie sind nicht zimperlich, sondern stellen sich Wetterunbilden | |
| und Windhosen. | |
| ## Die Deutschen hoffen auf laue Winde | |
| Diese Unerschrockenheit geht den deutschen Ruderern ein bisschen ab. Marcel | |
| Hacker, 39, etwa, der in der Vergangenheit im Einer durchaus erfolgreich | |
| war, rudert nun mit Stephan Krüger im Doppelzweier – und hat es nicht ins | |
| A-Finale geschafft. Manche kommen eben besser mit den Wellen zurecht. | |
| Andere, wie Hacker, weniger. Gerade kräftige Ruderer, „die bulligen Kerle“, | |
| wie van Lessen sagt, bringen bei Wellengang ihre Kraft nicht ins Wasser. | |
| Die Deutschen hoffen jetzt auf laue Winde, damit dem Erfolg des Achters, | |
| ihres Flaggschiffs, nichts im Wege steht. | |
| Wäre doch schön, wenn bei Olympischen Spielen sportliche Erfolge im | |
| Mittelpunkt stehen würden und nicht so eine unappetitliche Geschichte wie | |
| 2012 in London, als der Deutsche Ruderverband die Rostockerin Nadja | |
| Drygalla in den Frauen-Achter setzte, obwohl intern bekannt war, dass sich | |
| ihr Freund in der Mecklenburger Neonazi-Szene bewegte. Am Donnerstag schuf | |
| das deutsche Team beste Grundlagen für eine positive Bilanz in Rio. Der | |
| Doppelvierer der Männer und der Frauen holte jeweils die Goldmedaille. Die | |
| Frauen siegten vor den Niederlanden und Polen, die Männer vor Australien | |
| und Estland. | |
| Das Sportliche also: Neben dem Achter setzt der Deutsche Ruder-Verband auf | |
| die Strategie der breiten Förderung. Alle deutschen Boote werden so | |
| zusammengestellt, dass sie es potenziell zu den Olympischen Spielen | |
| schaffen können. Ganz anders gehen die Neuseeländer vor. Sie setzen auf | |
| bestimmte Bootsklassen, die gezielt gefördert werden. Eric Murray und | |
| Hamish Bond haben den Auftrag des Verbandes verstanden: Gewinnen, immer nur | |
| gewinnen. | |
| 11 Aug 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Markus Völker | |
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