# taz.de -- Wahl des ORF-Generaldirektors: Zwei Freundeskreise | |
> Der ORF bekommt einen neuen Chef. Zur Wahl stehen Alexander Wrabetz und | |
> Richard Grasl – der eine Favorit der SPÖ, der andere der ÖVP. | |
Bild: Treten gegeneinander an: ORF-Finanzdirektor Richard Grasl (l) und ORF-Gen… | |
WIEN taz | Das ORF-Gebäude auf dem Wiener Küniglberg wird gerade gebaut, | |
2020 soll es bezugsfertig sein. Wer dann dort regiert, wird am Dienstag | |
entschieden, wenn der Stiftungsrat den neuen Generaldirektor wählt. | |
Keine große Sache, sollte man meinen. Doch einmal mehr treten nicht nur | |
zwei Kandidaten mit unterschiedlichen Programmen und Strukturkonzepten | |
gegeneinander an, sondern auch Favoriten der Regierungsparteien SPÖ und | |
ÖVP. | |
Alexander Wrabetz, der den ORF die vergangenen zehn Jahre geführt hat, | |
bewirbt sich um seine dritte Amtszeit. Sein Herausforderer ist Richard | |
Grasl, ORF-Finanzdirektor und Protegé der ÖVP. Und es ist typisch für den | |
öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich, dass mehr über die | |
Parteinähe als über das Programm der Kandidaten diskutiert wird. | |
Der 35-köpfige Stiftungsrat wird von den Parlamentsparteien, der Regierung, | |
den Bundesländern, dem Betriebsrat und unabhängigen Organisationen | |
beschickt. | |
Seit der „Entpolitisierung“ des ORF unter der ÖVP-FPÖ-Regierung vor 15 | |
Jahren sind die Delegierten nicht mehr nach Parteien organisiert. Es haben | |
sich aber „Freundeskreise“ gebildet, die der SPÖ beziehungsweise der ÖVP | |
nahestehen. Wrabetz weiß die SPÖ hinter sich, Grasl die ÖVP. Beide | |
Kandidaten können mit je 13 Stimmen rechnen und beteuern, das Unternehmen | |
parteiunabhängig führen zu wollen. | |
Besonders Grasl kämpft um Glaubwürdigkeit, seit der Grüne Peter Pilz eine | |
SMS-Nachricht veröffentlichte, in der Grasl sich bei ÖVP-Ministern für | |
seine Beförderung zum Finanzdirektor bedankt. Unter Wrabetz, das bestätigen | |
ORF-Mitarbeiter, haben die Redaktionen große Unabhängigkeit genossen. | |
## Der FPÖ-Rat ziert sich noch | |
Der Abstimmung im Stiftungsrat geht ein öffentliches Hearing voraus. Bis | |
dahin dürften die Würfel aber gefallen sein. Denn beide Kandidaten bemühen | |
sich seit Wochen um die unentschlossenen Stiftungsräte. Mit gleichem | |
Erfolg: Zuletzt war von 17 zu 17 Stimmen die Rede. | |
Ausgerechnet der FPÖ-Rat ziert sich noch. Von vergangenen Wahlen weiß man, | |
dass bei den Verhandlungen durchaus auch Günstlingen der | |
Oppositionsparteien einflussreiche Posten in Aussicht gestellt werden. | |
Es gibt aber auch inhaltliche Differenzen. So will Grasl die Kaufmännische | |
und die Technische Direktion auflösen und in der Generaldirektion | |
ansiedeln. Das heißt: mehr Durchgriffsrecht für den Generaldirektor. | |
„Er will die meiste Macht, die je ein ORF-General hatte“, warnte Wrabetz. | |
Grasl hingegen will auf das gesetzlich vorgesehene Weisungsrecht | |
verzichten; Redakteuren räumt er bei der Bestellung von Redaktionsleitern | |
und Chefredakteuren ein Vetorecht ein. | |
Für ihn würde das Konzept von Wrabetz „den brutalsten Zugriff auf die | |
Information und die Redaktionen“ in der ORF-Geschichte bedeuten. Denn der | |
hat vor, ein Channel-Management mit Channel-Managern und -Chefredakteuren | |
im Fernsehen einrichten. | |
Diese Chefs von ORF 1 und ORF 2 würden dem Generaldirektor unterstehen und | |
Wrabetz wäre so indirekt auch den Informationsverantwortlichen vorgesetzt. | |
Was die Programmgestaltung betrifft, sind sich beide einig, dass die billig | |
eingekauften US-Sitcoms auf ORF 1 mit Eigenproduktionen zurückgedrängt | |
werden sollen. Grasl will „mehr Talksendungen und junge Nachrichten“ im | |
Stil der Privatsender. Beide wollen die Infoschiene ausbauen und ein | |
Korrespondentenbüro in Afrika eröffnen. | |
Grasl plant außerdem eines in Südamerika und in den USA. Und beide brauchen | |
für ihre Pläne mehr Geld. Darüber wird indes wenig geredet, werden dafür | |
doch die Gebührenzahler aufkommen müssen. | |
9 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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