# taz.de -- „Zeit Online“-Chef über gute Nachrichten: „Gutes erscheint u… | |
> Wer die „Zeit Online“-App hat, bekommt jetzt täglich eine positive | |
> Nachricht aufs Smartphone – als Ausgleich zum Strom schlimmer Meldungen. | |
Bild: Umarmungen sind etwas schönes – aber taugen sie zur Nachricht? | |
taz: Seit heute bekommen UserInnen der Zeit-Online-App jeden Tag eine | |
positive Nachricht direkt auf ihr Smartphone gepusht. Wie kam es zu der | |
Idee? | |
Jochen Wegner: Durch die sich überschlagenden schlimmen Lagen der | |
vergangenen Wochen haben wir viel über Nachrichtenproduktion und -rezeption | |
nachgedacht, auch darüber, was Menschen motiviert, Nachrichten zu lesen. | |
Ganz allgemein wird an digitalen Medien kritisiert, dass die | |
Berichterstattung etwas Atemloses hat und schlechte Nachricht auf schlechte | |
Nachricht folgt. | |
Dabei wird die Welt objektiv besser: Die Armut nimmt weltweit ab, der | |
Analphabetismus geht zurück, die Kindersterblichkeit sinkt, die | |
Lebenserwartung steigt, es gab noch nie so wenige Kriegsopfer. Unser | |
subjektiver Eindruck aber ist anders, und das liegt auch an unserer | |
Berichterstattung. Wir wollen nun ausprobieren, was passiert, wenn wir auch | |
mal gute Nachrichten als Eilmeldung pushen. Die Erkenntnis der ersten | |
vierundzwanzig Stunden ist: Gute Nachrichten sind in unserem ohnehin | |
geplanten Programm derzeit gar nicht so einfach zu finden. Wir müssen uns | |
da richtig anstrengen. | |
Wie lange soll das Experiment laufen? | |
Das steht noch nicht fest, wir schauen mal, wie es angenommen wird. Bisher | |
ist das Feedback sehr positiv, auch, weil wir ironisch damit gespielt | |
haben. Unsere erste Push-Nachricht verwies auf ein Video, in dem eine | |
Einwanderin zu Deutschen befragt wird und sich darüber freut, dass die sich | |
zur Begrüßung so herzlich umarmen. Die „Eilmeldung“ dazu war: „Welt ern… | |
besser geworden: Deutsche sind nett und umarmen sich zur Begrüßung“. | |
Kommen sich die User nicht veräppelt vor, wenn sie so etwas täglich lesen? | |
Unsere User sind spielfreudig und geistig beweglich. Wir haben schon vorher | |
oft irritierende Inhalte gepusht und festgestellt, dass die Leser das | |
lieben. Wir wollen aber nicht die ganze Zeit auf der lustig-ironischen | |
Ebene bleiben. Unsere nächsten positiven Meldungen werden seriöser sein. | |
Gibt es bei Zeit-Online jetzt zuständige RedakteurInnen für gute | |
Nachrichten? | |
Nein, das Privileg wollten wir so breit wie möglich verteilen. Wir haben | |
einen internen Chatraum eingerichtet, den wir „Weltverbesserung“ genannt | |
haben, darin sammeln mehrere Dutzend Kollegen Ideen, positive Meldungen und | |
Artikel. | |
Warum wollen Sie unbedingt das Positive herausstellen? Warum akzeptieren | |
Sie nicht einfach Ihre Rolle als Überbringer schlechter Nachrichten? | |
Das ist ja nun nicht unsere gottgegebene Rolle. Wir nehmen uns auch nicht | |
aktiv vor, schlechte Nachrichten zu produzieren. Aber vielleicht sind | |
Journalisten durch ihre Ausbildung so geprägt, vielleicht erscheint uns | |
Gutes langweilig, wir suchen lieber nach Missständen. Und auch die Leser | |
sind darauf trainiert, Schlechtes interessanter zu finden – zumindest | |
denken wir das, vielleicht ist es ein veraltetes Klischee. Das heißt, man | |
muss sich dazu zwingen, auch mal positive Entwicklungen aufzugreifen und | |
eilig zu verbreiten. | |
27 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
## TAGS | |
Medienethik | |
Nachrichten | |
Zeit Online | |
Konstruktiver Journalismus | |
München | |
German Angst | |
Nizza | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Medienethiker über Anschlagsmeldungen: „Die postredaktionelle Gesellschaft“ | |
Rasend verbreiten sich Fotos von Leichen und Falschmeldungen im Netz. | |
Alexander Filipović über Öffentlichkeit, Tempo und Verantwortung. | |
Gefühlte Unsicherheit: Unsere Angst ist ihre Macht | |
Der Amoklauf in München hat vor allem eines gezeigt: Was wir inzwischen | |
bereit sind, uns vorzustellen. Das sollte uns beunruhigen. | |
Kolumne Journalisten und Anschläge: Irgendetwas, was Hoffnung gibt | |
Nizza. Am Freitagmorgen hatte ich keine Lust, als Redakteur zu arbeiten. | |
Nicht an so einem Tag. Nicht schon wieder an so einem Tag. |