# taz.de -- Anti-Atom-Protest in China: Erneut erfolgreich | |
> Zum zweiten Mal verhindern chinesische Demonstranten ein großes | |
> Nuklearprojekt. Die Beamten gehen rabiat gegen die Widerständler vor. | |
Bild: Hat 2013 auch funktioniert: Demonstranten verhindern die Atomanlage in Ji… | |
PEKING taz | Vielleicht ist es die Angst vor einem Flächenbrand, die die | |
chinesische Führung dazu veranlasst hat, erneut ein nukleares Großprojekt | |
auf Eis zu legen. [1][Die Bewohner der Stadt Lianyungang in der | |
ostchinesischen Provinz Jiangsu waren nur an einem Wochenende auf der | |
Straße], um gegen eine geplante Wiederaufarbeitungsanlage für Atommüll zu | |
demonstrieren. | |
Das reichte offensichtlich aus. Die Stadtverwaltung teilte am Mittwoch mit, | |
dass die Arbeiten zur Standortwahl „ausgesetzt“ worden seien. Das | |
endgültige Aus bedeutet diese Ankündigung nicht. Aktivisten betrachten | |
ihren Protest dennoch als Erfolg. „Wir haben gesiegt“, schreibt ein | |
Demonstrant in einem Eintrag auf Weibo, dem chinesischen Twitter-Pendant. | |
Das Projekt sei verhindert. | |
Am vergangenen Wochenende waren laut Augenzeugen Tausende in der Stadt | |
Lianyungang auf die Straße gegangen, um gegen die Atompläne zu | |
protestieren. Die Bewohner fürchten gesundheitliche Schäden und | |
beschuldigten die Regierung, nicht transparent vorzugehen. Nach Angaben von | |
Augenzeugen soll es auch zu gewalttätigen Ausschreitungen zwischen Polizei | |
und Demonstranten gekommen sein. Die Beamten sollen rabiat vorgegangen | |
sein. Offiziell bestätigt wurden die Proteste nicht. Auch jetzt heißt es in | |
der kurzen Stellungnahme nur, dass es „Kontroversen um den Bau der Anlage“ | |
gebe. Eine Entscheidung sei aber ohnehin noch nicht getroffen worden. | |
Hintergrund der Proteste sind Pläne der staatlichen Atomgesellschaft CNNC, | |
zusammen mit dem französischen Energiekonzern Areva eine | |
Wiederaufarbeitungsanlage zu errichten. Die beiden Unternehmen hatten sich | |
2012 auf den Bau geeinigt, bislang aber noch keinen Standort genannt. | |
## Die Angst ist groß | |
Die Bevölkerung von Lianyungang ist besonders misstrauisch. Rund 30 | |
Kilometer entfernt steht das Atomkraftwerk Tianwan. Vier Reaktoren sind | |
bereits in Betrieb, weitere in Bau. Gefragt wurden die Anwohner auch beim | |
Bau dieser Anlage nicht. Vor allem seit dem schweren Atomunglück im | |
japanischen Fukushima 2011 ist auch bei vielen Chinesen die Angst groß, | |
dass ein Atomkraftwerk explodieren könnte. Von einer landesweiten | |
Anti-Atom-Bewegung kann zwar keine Rede sein. Das weiß die chinesische | |
Führung zu unterbinden. Doch zumindest an einigen Standorten ist es seitdem | |
zu Protesten gekommen. | |
Vor drei Jahren war es in der südchinesischen Ortschaft Jiangmen in der | |
Provinz Guangdong Bürgern ebenfalls gelungen, mit Protesten den Bau einer | |
Atomanlage zu stoppen. „Aus Respekt vor dem Willen des Volkes“, hieß es | |
damals, habe sich die Regierung zum Abbruch der Planungen für eine | |
Urananreicherungsanlage entschieden. | |
Diese erfolgreichen Proteste sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass in | |
China auch besonders viele neue Atomkraftwerke entstehen. Kein Land plant | |
in den nächsten Jahren so viele neue Atomanlagen wie die Volksrepublik. 34 | |
sind bereits in Betrieb, 20 weitere AKWs im Bau, 60 sollen in den nächsten | |
15 Jahren hinzukommen. Im Kampf gegen den Smog will Chinas Führung zwar | |
jede Menge Kohlekraftwerke schließen. Um den weiter wachsenden Strombedarf | |
zu decken, hält sie den massiven Ausbau von Atomkraft aber für | |
unverzichtbar. | |
11 Aug 2016 | |
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## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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