# taz.de -- Unruhen in Äthiopien: Mit Gewalt gegen die „Feinde“ | |
> Das Blutvergießen in Äthiopien geht weiter: Rund 100 Menschen sollen bei | |
> der Niederschlagung von Protesten getötet worden sein. | |
Bild: Addis Abeba am Samstag: „Hört auf, Oromos zu töten!“ | |
Berlin taz | Die blutige Niederschlagung illegaler Proteste in Äthiopien am | |
Wochenende hat offenbar mehr Tote gefordert als zunächst bekannt. Von | |
mindestens 97 Toten und mehreren hundert Verletzten sprach am Montagabend | |
die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) unter Berufung | |
auf Augenzeugen und Oppositionelle. Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP | |
bestätigte ein Diplomat 49 Tote. Beobachter betonen, es handele sich um | |
Vorfälle in vielen verschiedenen Orten, wo Kommunikation nach außen teils | |
schwierig ist. | |
Was als Protest gegen autoritär getroffene administrative Entscheidungen | |
begonnen hatte, entwickelte eine Eigendynamik, nachdem Urheber der | |
ursprünglichen Proteste monatelang in Haft gehalten wurden. Insgesamt, | |
bilanziert die deutsche Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), wurden | |
seit Beginn der Unruhen im vergangenen November mindestens 570 Menschen in | |
Äthiopien von staatlichen Sicherheitskräften getötet, davon 520 Oromos und | |
50 Amharen. Dieses Vorgehen sei verantwortlich dafür, dass Oromos in großer | |
Zahl die Flucht Richtung Europa antreten, so die GfbV. | |
Die Proteste weiteten sich im Juli von der Oromo- auf die Amhara-Region | |
aus, Heimat des jahrtausendealten abessinischen Kaiserreiches. In der alten | |
Königsstadt Gondar nahmen Polizisten am 12. Juli einen Protestführer namens | |
Oberst Demeke Zewdu fest, der für die Angliederung des zu Tigray gehörenden | |
Distrikts Wolkait an die Amhara-Region eintritt. Die Festnahme führte zu | |
schweren Ausschreitungen mit rund 15 Toten. Als Zewdu am vergangenen | |
Sonntag in Gondar vor Gericht erscheinen sollte, versammelten sich erneut | |
Zehntausende Demonstranten, die erneut gewaltsam auseinandergetrieben | |
wurden. | |
Es wurde auch in anderen Städten der Amhara-Region demonstriert. In Bahir | |
Dar starben laut AI allein am Sonntag rund 30 Menschen. Viele Tote gab es | |
auch in der nahen Stadt Nekemte. Manche amharischen Demonstranten | |
schwenkten die verbotene frühere äthiopische Flagge aus der Kaiserzeit. Die | |
Regierung machte am späten Montag „ausländische Feinde von nah und fern in | |
Zusammenarbeit mit einer lokalen Kraft unter Führung sozialer Medien“ | |
verantwortlich. Man habe „Flaggen einer Terrorgruppe, Waffen, Messer, | |
Handgranaten, Flugblätter und extremistische Transparente“ sichergestellt, | |
heißt es in einer Erklärung. | |
## Hoffnung auf ethnische Solidarität | |
Videos, die im Internet kursieren, zeigen Aufmärsche junger Männer, die zum | |
Beweis, dass sie unbewaffnet sind, mit erhobenen Händen demonstrieren, die | |
Handgelenke gekreuzt wie zur Festnahme bereit. Aus der Hauptstadt Addis | |
Abeba berichteten Augenzeugen, die Polizei habe am Samstag mit | |
Spezialeinheiten Jagd auf mutmaßliche Demonstranten am Großmarkt, Bahnhof | |
und zentralen Meskel-Platz gemacht. | |
Oppositionsgruppen hoffen, dass der Funke der ethnischen Solidarität | |
zwischen Oromos und Amharen dauerhaft überspringt und eine breite | |
Protestfront entsteht. Zunächst allerdings scheint die Regierung die Lage | |
wieder zu beherrschen. Sie erklärte, sie habe „die Versuche, Gewalt zu | |
verbreiten, unter Kontrolle gebracht“. Man werde „nicht zulassen, dass | |
friedensfeindliche Kräfte die Reise des Landes in Richtung Entwicklung, | |
Frieden und Renaissance behindern“. Aber seit Ende der Demonstrationen | |
zirkulieren Berichte über bewaffnete Zusammenstöße im Südosten der | |
Oromo-Region, wo auch somalische bewaffnete Gruppen aktiv sind. | |
9 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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