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# taz.de -- Das war die Woche in Berlin II: Berlin ist nicht die Türkei
> Die türkeistämmige Community lässt sich von Erdoğans politischen
> Eskapaden nicht beeindrucken – zumindest bisher nicht.
Bild: In Berlin hält sich die Erdo-Euphorie zum Glück in Grenzen
In dem gerade in Kreuzberg uraufgeführten tollen Dokumentarfilm „Labyrinth
der Heimat“ des syrischen Berliners Ayman Hamadeh über Flüchtlinge in
Berlin sagt eine junge Syrerin einen spannenden Satz. Gerade dass die
Bewohner des Nahen und Mittleren Ostens mehrheitlich Araber mit der
gleichen Sprache und überwiegend der gleichen Religion seien, könne der
Grund für die vielen Spannungen dort sein, meint sie: „Wir lassen Vielfalt
nicht zu.“
Vielfalt abschaffen ist, was der türkische Staatspräsident Recep Tayyip
Erdoğan vorhat. Er kämpft mit allen Mitteln gegen Meinungs- und
Religionsvielfalt in seinem Land. Viele befürchten, dass Erdoğans aktuelle
Aufforderung an seine Gefolgsleute, gegen Andersdenkende vorzugehen, auch
hier zu Gewalt in der türkeistämmigen Community führen könnte – einer
Community, die nur deshalb so genannt werden kann, weil ihre Mitglieder
oder deren Vorfahren einst aus demselben Staat einwanderten: Sonst herrscht
auch in ihr Vielfalt.
Es sieht aber, jedenfalls in Berlin, erfreulicherweise bisher nicht so aus.
Allerdings versuchen einige, die angespannte Stimmung, die nach dem
Putschversuch in der Türkei und den darauf folgenden Maßnahmen der
türkischen Regierung unter vielen Türkeistämmigen durchaus herrscht,
anzuheizen.
Dass ausgerechnet die Berliner Juristin Betül Ulusoy mit einem
Facebook-Post Anfang der Woche auffiel, das an die brutale Rhetorik
Erdoğans und seiner Gesinnungsgenossen anknüpft, ist aber erschreckend. Die
hier geborene Tochter türkeistämmiger Eltern machte 2015 Schlagzeilen, als
ihre Bewerbung um ein Referendariat im Bezirksamt Neukölln mit der
Begründung abgelehnt wurde, ihr Kopftuch sei ein Problem. Nach dem
Putschversuch schrieb sie auf Türkisch in Facebook, dass nun „wenigstens
etwas Schmutz beseitigt werden“ könne.
Damit hat Ulusoy nicht nur den BefürworterInnen des Berliner
Neutralitätsgesetzes (das das Kopftuch im öffentlichen Dienst verbietet)
einen Gefallen getan, die postulieren, dass das Tuch eine
demokratieinkompatible Einstellung symbolisiere. Ihr Post wirft auch die
Frage auf, warum sich eine junge Frau, die hier die Schule besucht, hier
Rechtswissenschaften studiert und damit die „höchste Stufe der Integration“
erreicht hat, wie Justizsenator Heilmann kürzlich kundtat, einer solchen
tatsächlich in keinen demokratischen Diskurs passenden Ausdrucksweise
bedient.
Die Gegner des Neutralitätsgesetzes unterstützten die Juristin übrigens
damals. Sie kämpften dabei für mehr Vielfalt. Niemand kann voraussagen, ob
die Gewalt in der Türkei auch Berlin erreichen wird. Aber vielleicht hat
die junge Syrerin recht: Vielleicht ist es gerade die hier gelebte
Vielfalt, die uns davor beschützt.
23 Jul 2016
## AUTOREN
Alke Wierth
## TAGS
Recep Tayyip Erdoğan
Deutschtürken
Gewalt
Schwerpunkt Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
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