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# taz.de -- Neues Album der Frickelband Deerhoof: Aus dem Hut gezaubert
> Deerhoof aus San Francisco gilt als kompromisslose Band mit Willen zum
> Experiment. Das neue Album „The Magic“ ist wie ein irres Mixtape.
Bild: Immer auf dem Sprung: Deerhoof, Satomi Matsuzaki, links, Drummer Greg Sau…
Mit Magie verbindet die menschliche Vorstellungskraft Dinge wie: Hasen aus
dem Hut zaubern, zersägte halbnackte Frauenkörper oder auch Claudia
Schiffer, ähm, David Copperfield. „The Magic“, also reinste Magie, so ist
auch das neue Album der US-Experimentalrockband Deerhoof betitelt.
Veröffentlicht beim Leipziger Label Altin Village, wirken die 15 Songs wie
ein Mixtape: Lieblingslieder und instrumentaler Wahnsinn, kaum Atempausen.
Das musikalische Material wird während einer Tour de Force durch sämtliche
Popgenres geschreddert, verschraddelt und geschiggert.
Dabei entsteht „die Magie“ im Deerhoof’schen Sinne von allein. Naheliegen…
dass die ersten 600 Käufer tatsächlich ein Mixtape erhalten, auf dem
Deerhoof beispielsweise „Fight the Power“ (Public Enemy), „Goo“ (Sonic
Youth) oder auch Van Halens „Dance the Night Away“ covern. Bereits vor der
Veröffentlichung prasselten nur so die Lobeshymnen für Künstler und Album.
## Sieben Tage
Deerhoofs Stärke, heißt es, habe schon immer darin gelegen, sich Album für
Album neu inspirieren zu lassen. Erwähnt wird gerne auch, dass Bassistin
und Sängerin Satomi Matsuzaki erst nach Eintritt in die Band, 1996,
Bassspielen erlernte. Für „The Magic“ ist eine Tatsache besonders
verheißungsvoll: Die Songs wurden in einer Woche aufgenommen. Dabei bleibt
allerdings der Kompositionsprozess außer acht. Das bestätigt Matsuzaki der
taz: „Sieben Tage, ja gut, vorher haben wir monatelang über die Musik
nachgedacht.“
Die in San Francisco gegründete Band hat also mit „The Magic“ ihren Hasen
aus dem Hut gezaubert, um alles mögliche aufzusaugen. Es klingt fast wie
Spongebob. Was durchaus passt, denn genau wie bei dieser Cartoon-Figur
verwischen bei Deerhoof die Grenzen zwischen lustig-anders-gut und
anstrengend-krass-nervig. Matsuzaki selbst bezeichnet den Sound von
Deerhoof als Amalgam aus Glamrock, Funk, Punk und Electronica. Es geht für
sie aber vor allem darum, Songs zu kreieren, mit denen ZuhörerInnen etwas
assoziieren können. Ausgelassenheit ist wichtig, denn „wir sind eine
Party-Band“.
Ganz schön bescheiden! Denn oftmals eilt Deerhoof der Bilderstürmer-Ruf
voraus. Unkonventionell waren alle ihre bisherigen 14 Alben. Inzwischen
werden die Musiker für ihr Gesamtwerk gefeiert, gehuldigt, geliebt. Vor
allem aber wegen ihrer Haltung – Art-Punk, Art-Rock, Art-was-auch-immer zu
machen.
Immer anders, immer neu, immer gut? Spätestens beim zweiten Song auf „The
Magic“, „Kafe Mania“ ist ein Wiedererkennungswert zu hören.
„Cappuccino!/Macchiato!/Affogato!/ Cortado!“, singt Matsuzaki, dabei trinkt
sie am liebsten Espresso. „Super Idee, dass das Tässchen in Italien seit
Langem einen Euro kostet. Man macht eine Pause, nimmt Espresso am Tresen
ein, fertig!“
## „Twin Peaks“ im Park
Ihr Gesang bezaubert auch in dem Song „Criminal of the Dream“, der Refrain
ist extrem eingängig, blumig, poppig. Im dazugehörigen Videoclip wird man
in der Anfangsfrequenz unweigerlich an „Twin Peaks“ erinnert, zu sehen sind
Spielkarten – aaaah! Magie! –, und dann befindet sich Matsuzaki in einem
Park. Mit ihrer von keiner anderen Künstlerin so intonierbaren
fiepend-flüsternden Stimme singt sie: „You can dream / You can dream / I
know you can dream“, gefolgt vom schweren Bass. Matsuzaki spielt Bass, wie
sie singt: schief.
Gleich im anschließenden Song „That Ain’t No Life To Me“ tritt Deerhoof …
Hörern mächtig in den Arsch. Ein Song wie ein Déjà-vu. Gitarrist Ed
Rodriguez fungiert als erste Hauptstimme in einem schäbig-schmierigen,
simplen Punk-Song, wie er von Deerhoof eigentlich nicht zu erwarten war.
Dieser Band wird keine Laid-Back-Attitüde nachgesagt. Sie geben immer
Vollgas, sind Zauberkünstler darin, anspruchsvolle Songs auszuhecken und
Strukturen zu sezieren, so auch bei „The Magic“.
Vor allem eindrucksvoll, diese Wucht die sich in 20 Jahren Bandgeschichte
angesammelt hat. Zuletzt womöglich durch die unkomfortable Körperhaltung
Matsuzakis. Als ihr Gesang für die Songs im Haus von Schlagzeuger und
Bandleader Greg Saunier aufgenommen wurden, waren die Kabel der beiden
Mikrofone so kurz, dass sie sich verrenken musste: „Es war, als hätte ich
auf einem Schwebebalken gestanden.“ Dazu die saunierische Art, Drums zu
spielen: wie das zottelhaarige „Animal“ der Muppet-Show. Ed Rodriguez und
John Dieterich an den Gitarren sind Zwillinge die ihr Blut gegenseitig zum
Kochen bringen. „Im Studio war es so heiß wie in einer Sauna.“
## Das fehlende Puzzleteil
Ein perfektes Zusammenspiel also? Matsuzaki hat es so empfunden: „Meine
Gesangsmelodien korrespondieren mit den Gitarrenhooks. Es ist wie das eine,
noch fehlende Puzzleteil. Ich brauche einen exakt definierten Platz in den
Songs!“ Greg Saunier definiert „The Magic“ als Versuch, das wiederzugeben,
was den Mitgliedern der Band gefallen hat, als sie im Kindesalter waren. So
unterschiedlich Geschmäcker auch sind, so vielfältig sind die einzelnen
Songs, und der Band ist es gelungen, alles unter einen Hut zu bringen.
Kein Mixtape ohne James-Brown-Song. Genauso hört sich „Model Behavior“ an.
Ein funkylicious Track, in dem sich alles um Improvisation und Präzision
dreht. Um das Gefühl, auf der Tanzfläche nichts falsch machen zu können.
James Brown tanzte einst in einem japanischen Werbeclip zu Miso-Ramen-Suppe
so andächtig, dass jedeR diese Instant-Nudeln sofort schlürfen wollte.
Über das Bassspiel von Matsuzaki wäre er wohl nicht erfreut: „James Brown
hätte mich dafür bestraft, wie ich über die Noten schmatze. Wenn ich
rumhüpfe auf der Bühne, verspiele ich mich gern.“ Die schönste Reise zurü…
in die Kindheit erklingt bei „Patrasche Come Back“. In dem Song geht es um
Patrasche, einen japanischen Animehund. Der Song dauert 47 Sekunden, das
reicht, damit sich Matsuzakis zarte Stimme mit dem dumpfen Bass und der
schrägen Flöte vereint.
Mit „The Magic“ haben Deerhoof ihre Kräfte gebündelt und auf die Umwelt
übertragen. Das Album vertraut dem Spontanen und lässt Innenwelten frei.
3 Jul 2016
## AUTOREN
Du Pham
## TAGS
San Francisco
Chris Cohen
Punk
Pop
Migranten
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