Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- EMtaz: Fußball in den Benelux-Staaten: (Dabei)Sein und Nichtsein
> Das Dorf Baarle liegt in Belgien und den Niederlanden. In Zeiten der EM
> bedeutet das eine ganz besondere Art der Gleichzeitigkeit.
Bild: Das Café Tourmalet: Epizentrum des Turniersommers in Baarle
Baarle taz | Natürlich fehlt da ein Puzzle- Stückchen. Ein ziemlich
wichtiges sogar. Baarle trägt kein knalliges Orange bei diesem Turnier!
Nicht einmal die üblichen Drogerien und Billigläden feuern ihren
Modefan-Tand unter die Leute, die sich auf die Sonderangebote stürzen. Bei
Albert Heijn gibt es Wildtier-Sammelalben statt Arjen, Memphis und Wesley!
Wie überall in den Niederlanden ist es auch hier ein sehr merkwürdiger
Sommer.
Ein paar Schritte weiter sieht das alles ganz anders aus. Durch ein
Schaufenster mit Pyjamas ziehen sich Plastikfähnchen in Schwarz, Gelb und
Rot, und auch die Blumengirlanden auf den Torsos bei Beate Uhse tragen
belgische Farben, wobei die Pyjamas in Belgien liegen und die Puppen in den
Niederlanden stehen. Ach ja, Puzzle-Stückchen – die sieht man hier überall.
An jeder Ecke finden sie sich auf Fahnen, auf denen steht: „Zusammen sind
wir Baarle.“
Das seltsamste Dorf der Welt – so nennt sich Baarle selbst gern. „Ein Dorf,
zwei Kommunen, 30 Enklaven, zwei Länder“ steht auf einer digitalen
Werbetafel im Zentrum, wo an diesem Nachmittag ein paar ausgebüxte Hühner
herumstolzieren.
Es liegt nicht an der Grenze, es ist die Grenze. Oder ist die Grenze
Baarle? Kreuz und quer zieht sie sich durch den Ort, der in den
Niederlanden Baarle-Nassau heißt und in Belgien Baarle-Hertog. Manchmal
läuft man nur ein paar hundert Schritte, um über eine Markierung im Asphalt
wieder die Seite zu wechseln.
## Absenz und Favoritenrolle
Für die Fußball-EM bedeutet das die Gleichzeitigkeit von Absenz und
Favoritenrolle. Am Abend steigen die roten Teufel gegen Italien ins Turnier
ein. Die Vorfreude darauf ist freilich leiser, als es bei den orange
Dorfgenossen der Fall wäre.
„Wir warten lieber erst einmal ab, wie die ersten Spiele sind. Wenn du in
den Niederlanden eine Umfrage macht, wer Europameister wird, sagt sicher
immer noch die Hälfte: ‚Wir‘“, lacht die Verkäuferin in einem Tabakgesc…
etwas abseits des Zentrums. Vom Schaufenster blicken Axel Witsel, Vincent
Kompany und Toby Alderweireld hinein.
Von solchen Läden gibt es in dieser Straße übrigens jede Menge. Sie tragen
Namen wie „World Tabak“ oder „Shag Center“, wobei Shag auf Niederländi…
und Flämisch „Tabak“ bedeutet. Die zweite Boombranche, die im belgischen
Baarle mehrfach vertreten ist: Feuerwerk. Werden die niederländischen
Nachbarn es etwa am Ende für die rroten Teufel krachen lassen?
Im frisch eröffneten Café „Raef“ ist man immerhin mit den Vorbereitungen
für das erste Spiel beschäftigt. Der junge Betreiber schließt Beamer und
Laptop an, und sofort verrät der Akzent: dies ist der öffentlich-
rechtliche niederländische Sender.
## EM auf Großschirm
Das „Raef“ wiederum, sagt eine Tafel an der Wand neben dem
Schreibschrift-Graffito ‚Je Moeder (Deine Mutter)‘, war einst das Stadthaus
von Baarle-Nassau. Heute ist es eines der wenigen niederländischen
Etablissements, das die EM auf Großschirm ankündigt. Was freilich daran
liegt, dass die Gastronomie sich in Baarle-Hertog konzentriert.
Zwei große Fans der roten Teufel werden den Auftakt verpassen. Mieke
Krijnen, Chefin von „Krijnen Rauchwaren“, baut wegen einer Renovierung mit
ihren Angestellten ein provisorisches Geschäft auf dem großen Parkplatz
auf. Eimer, aus denen sich „bis zu 610 Zigaretten“ drehen lassen, türmen
sich vor dem Container.
Mieke Krijnen, Belgierin, tippt auf 2:1. Ihre Mitarbeiterin Anne-Claire Van
Riel, Niederländerin, belgischer Mann, belgische Kinder, die bei dem
niederländischen der beiden Dorfclubs kicken, schwärmt noch von der WM.
„Damals war das Tourmalet halb orange und halb rot.“ Sie weist quer über
den Parkplatz auf ein niedriges Lokal, das schwarz-gelb-rot verziert ist.
Unübersehbar das Epizentrum eines Turniersommers in Baarle.
Im Interieur freilich multipliziert sich der teuflische Tinnef noch einmal.
Die Wände der hölzernen Gaststube sind mit Teamfotos, Fahnen und
rot-schwarzen Dreizacken bedeckt.
## Spott der Nachbarn
Wouter Godschalk und Jens Verheijen, Freunde seit dem Kindergarten und
heute Anfang zwanzig, freuen sich vor allem, dass Belgien nun einmal Baarle
vertritt, nach all den Jahren, in denen sie sich den Spott der
niederländischen Nachbarn anhören mussten.
Zugleich sind sie kritisch: „Das Team ist nicht mehr so gut wie 2014. Vor
allem Kompany fehlt in der Abwehr.“ Wenig später schlägt es zum 0:1 ein.
Natürlich wird es auch im Tourmalet immer stiller. Bas Van Gorp, ein
Niederländer, wird die Teufel selbstverständlich weiter anfeuern. „Das
Viertelfinale“, meint er, „das sollte doch schon drin sein.“
Draußen fährt ein kleines Auto mit einer belgischen Fahne am Dach am
Tourmalet vorbei. Ein kurzes, zaghaftes Hupen, dann verschwindet es auf der
Straße, die tiefer nach Belgien hineinführt. Der Korso muss warten.
14 Jun 2016
## AUTOREN
Tobias Müller
## TAGS
EMtaz Bericht/Analyse
Niederlande
Belgien
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Fußball
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
EMtaz Bericht/Analyse
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
EMtaz: Terror in Belgien: Die Angst jubelt mit
Razzien und die Festnahme mutmaßlicher Attentäter nährt die Sorge vor neuen
Anschlägen. Hartgesottene wollen weiter auf die Fanmeile gehen.
EMtaz: Gruppe E: Belgien – Irland: Und alle Belgier so: War was?
Nach dem Italien-Spiel galten die Belgier als ewige Versager. Durch das 3:0
gegen Irland ist die Elf zumindest wieder ein Geheimfavorit.
EMtaz: Österreichs Titelaussichten: Fast schon Wödmasta
Austrias Kicker haben sich in der Weltrangliste von Platz 92 auf 10
hochgearbeitet. Jetzt will das Team auch noch die skeptischen Ösis
überzeugen.
EMtaz: Islands verdienter Erfolg: Knattspyrna ist kein Wunder
Der Aufstieg des isländischen Fußballs beruht auf guter Aufbauarbeit. Auf
der kalten Insel im Nordatlantik wurden dafür elf riesige Sporthallen
gebaut.
EMtaz: Die Belgier versagen, mal wieder: Goldene Generation, my ass!
Hipster-Liebling Belgien wird auch bei dieser EM nichts gewinnen. Schuld
sind eine alternde Abwehr und ein fehlendes Offensivkonzept. Schwach.
EMtaz: Gruppe E: Belgien–Italien: Bella Italia, Baby!
Mainstream-Geheimtipp Belgien hatte keine Chance: Abgezockte
Fußball-Senioren aus Italien zeigen es clearasilgesichtigen Belgiern. Ein
Traum.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.