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# taz.de -- Gentrifizierung in Berlin: Kiez fordert Abrüstung
> Die Bewohnerinitiative Bizim Kiez in der Wrangelstraße tritt wieder in
> Aktion. Mit Kartons und Nachbarn.
Bild: Vielfalt erhalten will die Initiative Bizim Kiez.
Bizim Kiez meldet sich zurück. Mit einer Aktion, durch hunderte von Kisten
die Wünsche von Anwohnern in den Stadtraum zu stapeln. Es ist ein lauer
Juniabend. Nachdem die Initiative vor genau einem Jahr die Schließung des
Gemüseladens Bizim Bakkal in der Wrangelstraße 77 verhinderte und die
Bewohner des Viertels in Bewegung setzte, hatte es Rückschläge gegeben: Das
Gemüsegeschäft musste dennoch schließen. Das Haus in der Wrangelstraße 77,
das zum Symbol des Kampfs gegen Verdrängung geworden war, soll nun zur
hochwertigen Immobilie mit Balkonen und Lift modernisiert werden, die
Umwandlung von Miet- zu Eigentumswohnungen ist im Gange. Jetzt will die
Initiative zeigen: Wir bleiben aktiv.
Deshalb haben Bizim Kiez, gemeinsam mit etwa 70 Kreuzbergern in den
vergangenen Wochen unzählige Umzugskisten gesammelt, in den Farben der Ini
– gelb und grün – bemalt und sind jetzt dabei, aus ihnen Worte zu bauen:
Botschaften der Kiezbewohner, was das Viertel in ihren Augen braucht. Eine
Bühne ist da, ein Trommler spielt. Eine Häuserblockbreite entlang stehen
Menschen. Eine Anwohnerin, die einen Karton hebt, erklärt das Anliegen so:
„Unser Viertel und viele andere Innenstadtbezirke sind auf dem Weg, zu
Investorenzonen zu werden. Aber wir wollen hier gern leben“.
Die Gegenwehr scheint nicht allein symbolisch zu sein. Erst am Morgen war
Anwohnern aufgefallen, dass vor der Wrangelstraße 77 plötzlich ein
Baugerüst aufgebaut wurde. Ein Mieter erboste sich, dass es keinerlei
Ankündigung gab. Er kontaktierte die Ini, die innerhalb von 20 Minuten
einige Nachbarn herbeiorganisierte. Ein Aktivist wies den Hauseigentümer
Wrangelstraße 77 GmbH telefonisch darauf hin, dass Mieter des Hauses klagen
würden, falls das Gerüst nicht umgehend verschwände – und hatten Erfolg.
Der Bautrupp machte sich an den Abbau. Unter dem Applaus der Nachbarn.
„Großartig“, sagt ein Anwohner, der dabei war und schlägt vor als nächst…
Anwohnerwunsch das Wort „Abrüstung!“ zu bauen.
Aber der Konflikt um den Wrangelkiez geht weiter. Das Viertel ist
Milieuschutzgebiet. Doch das Instrument scheint ein zahnloser Tiger zu
sein. „In den Prüfkriterien der Erhaltungsverordnung steht, dass diese
Baumaßnahmen gar nicht genehmigt werden dürften“, sagt Magnus Hengge von
Bizim Kiez. Laut Verordnung seien nämlich gerade solche Umbauten tabu, die
„aufgrund ihrer Vorbildwirkung eine Entwicklung in Gang setzen, die eine
hohe Verdrängungsgefahr für die Wohnbevölkerung“ bedeuten. Eine ebensolche
Wirkung befürchten die Mitglieder der Initiative. Denn hier würde eine der
ersten Luxusmodernisierungen in der Straße umgesetzt.
Baustadtrat Hans Panhoff sagt dazu: “Wir haben alles sorgfältig geprüft,
gerade bei diesem Haus.“ Die „Vorbildwirkung“ sei nicht gegeben.
Schließlich würden in dem Aufzug weder Marmor noch Kristallspiegel verbaut,
und jede Mietpartei dürfte entscheiden, ob sie einen Lift-Anschluss denn
wünsche. Hengge von Bizim Kiez kontert: „Das Kreuzberger Baumamt macht von
dem Vorbildparagrafen nie Gebrauch. Auch dann nicht, wenn in Häusern mit
Aufzug- und Balkoneinbauten sämtliche Mieter ausziehen, wie andere
Beispiele im Viertel zeigten.“
9 Jun 2016
## AUTOREN
Tina Veihelmann
## TAGS
Bizim Kiez
Stadtentwicklung
Kreuzberg
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