| # taz.de -- Die Wahrheit: Copacabana in Christchurch | |
| > Neues aus Neuseeland: Wer neu dazukommt in Aoeterea, hält sich lieber | |
| > erstmal bedeckt mit Schnapsideen. | |
| Es war in den ersten Jahren der Immigration. Ein Knödelessen mit Freunden, | |
| die noch neuer eingewandert waren als wir, frisch aus Hamburg. Voller Wein | |
| und Ideen waren wir an dem Abend. Und damals wohl noch nicht assimiliert | |
| genug. So heckten wir Verbesserungsvorschläge für unsere neue Heimat aus. | |
| Die war damals zwar noch intakt, aber als gute Deutsche haben wir immer und | |
| überall was zu verbessern. Vielleicht hatten wir auch nur ein wenig | |
| Heimweh. Daher die Knödel. | |
| „Christchurch“, so das Fazit der Fischköppe nach der letzten Flasche | |
| Rotwein, „braucht Beach Clubs wie an der Elbe!“ – „Oder wie diese | |
| Strand-Bar in Berlin-Mitte!“ – „Stellt euch das hier in Lyttelton vor, | |
| unten im Containerhafen … wie geil!“ Es war dann doch nicht die letzte | |
| Flasche, der Obstler folgte. Wir holten Papier und skizzierten, wie das | |
| Ganze aussehen könnte. Liegestühle und Bretterbudentheke, billige Burger, | |
| gute Musik. Chillen mit Strandperle-Feeling. Aotearoa Tropicana! | |
| Bei der Copacabana-Fantasie blieb’s dann auch, denn niemand von uns hatte | |
| Zeit, Ahnung oder Geld, um sich dahinterzuklemmen. Rückblickend stoße ich | |
| einen Seufzer der Erleichterung aus. Allein bei der Vorstellung, wie | |
| schnell mein Immigrantenschicksal eine böse Wendung hätte nehmen können, | |
| bekomme ich im Nachhinein Angstschweiß. Nicht auszumalen, was passiert | |
| wäre, wenn andere von unserer grandiosen Schnapsidee erfahren hätten. | |
| Vorige Woche schrieb ein 25-Jähriger namens Xavier Hartstonge einen langen | |
| Kommentar für die Tageszeitung The Press, in dem er lamentierte, wie | |
| langweilig Christchurch für junge Leute sei. Da kann man kaum | |
| widersprechen. Er habe 18 Jahre hier gelebt, sei dann nach Brisbane | |
| gezogen, jetzt sei er zurück und wolle mehr Spaß. Bis zum nächsten Strand | |
| brauche er aber 40 Minuten. Tatsächlich sind es nur 20 Minuten! Sein | |
| Vorschlag: Einen künstlichen Strand im Stadtpark aufschütten, und dann – | |
| siehe oben – Beach-Bars mit Konzerten, Freilichtkino, Food Market. | |
| Nichts bringt kiwianisches Blut so schnell in Wallung wie der Verstoß gegen | |
| das größte ungeschriebene Gesetz: Du darfst Neuseeland nicht kritisieren! | |
| Fast 400 Kommentare fanden sich unter Hartstonges Kolumne: „Geh doch nach | |
| drüben!“ (Australien). „Nur wer langweilig ist, langweilt sich“ und „H… | |
| der junge Schnösel verpasst, dass wir vor fünf Jahren ein schweres Erdbeben | |
| hatten?“ Beach Club oder Botanischer Garten war da nicht mehr die Frage, | |
| sondern: Patriot oder Vaterlandsverräter? | |
| Ein einziger kam ihm zu Hilfe. Johnny Moore, der nach dem Erdbeben seine | |
| komplett zerstörte Kneipe als improvisierte Bar aus altem Bus und | |
| Bretterbude auferstehen ließ. Strand in der Stadt? Nun ja. Aber auch nicht | |
| dümmer als viele andere Ideen der letzten Jahre zum Wiederaufbau. „Zurzeit | |
| haben wir einen Haufen alter Männer in Anzügen, die uns was von einer | |
| lebhaften, aufregenden Stadt erzählen“, so Moore, „während das Aufregends… | |
| daran ist, wie sehr ihre Immobilien inzwischen an Wert gestiegen sind.“ | |
| 2 Jun 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Anke Richter | |
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