# taz.de -- Mordprozess nach 40 Jahren: Gutachten spricht gegen Angeklagte | |
> Eine Mutter soll ihren damals achtjährigen Sohn umgebracht haben. Sie | |
> sprach stets von einem Unfall. Ein Gutachter hält das für abwegig. | |
Bild: Der Prozess gegen die inzwischen 74-Jährige geht weiter | |
Neuruppin dpa | Im Prozess gegen eine Mutter, die vor 42 Jahren ihren Sohn | |
getötet haben soll, geht ein Rechtsmediziner von einer unnatürlichen | |
Todesursache aus. Für sein Gutachten sichtete er Unterlagen von Kollegen | |
aus den 1970er Jahren und setzte sich mit möglichen Tötungsszenarien | |
auseinander. In keiner Variante habe sich schlüssig erklären lassen, dass | |
der Junge bei einem Unglück zu Tode gekommen sei. „Ich hätte mit der | |
Unfalltheorie kein Problem, wenn man den Jungen vor dem Gasherd in der | |
Küche gefunden hätte“, sagte Rechtsmediziner Wolfgang Mattig am Mittwoch | |
vor dem Landgericht Neuruppin aus. | |
Die heute 74-Jährige soll in Schwedt (Oder) ihren achtjährigen Sohn getötet | |
haben. Sie bestritt die Tat zu Verhandlungsbeginn. Seitdem schweigt die | |
Angeklagte, die heute in Göttingen (Niedersachsen) lebt. Die Anklage wirft | |
ihr vor, ihren schlafenden Sohn nachts in die Küche getragen und dann in | |
die Nähe des Gasherds gelegt zu haben. Er soll Kohlenmonoxid eingeatmet | |
haben, danach soll sie den bewusstlosen Jungen zum Sterben in sein Bett | |
gelegt haben. | |
Vor 42 Jahren hatte die Mutter stets beteuert, dass ihr Junge bei einem | |
Unfall ums Leben gekommen sei. Danach soll Mario in der Nacht von 4. zum 5. | |
November 1974 aufgestanden sein, die Gashähne des Herds aufgedreht und sich | |
anschließend ins Bett gelegt haben. | |
Mattig stellte vor Gericht klar, dass der Junge tatsächlich den Folgen | |
einer Kohlenmonoxid-Vergiftung erlag – im Blut von Mario sei eine | |
Konzentration von 73 Prozent Kohlenmonoxid gefunden worden. „Was aber in | |
den Unterlagen fehlt, ist derjenige, der die Gashähne geschlossen hat. Wenn | |
jemand anderes die Schalter geschlossen hätte, wäre die Auffindesituation | |
des Jungen schlüssig. So aber nicht“, betonte der Rechtsmediziner. | |
Mattig befasste sich sogar mit Theorien, wie der, dass der Junge sich mit | |
einem Plastiktüte Gas vom Herd abgezapft haben könnte und später im Bett | |
einatmete. Dann hätte der Junge aber in Selbstmord-Absicht gehandelt haben | |
müssen. Einem Achtjährigen traute Mattig das nicht zu. | |
Auch der damalige Notarzt bestätigte vor Gericht seinen Verdacht, dass | |
Mario 1974 auf nicht natürliche Weise ums Leben kam. Die älteste Tochter | |
der Angeklagten vermutet ebenfalls, dass ihre Mutter Schuld am Tod ihres | |
Bruders ist. Die jüngste Tochter wies die Anschuldigungen gegen ihre Mutter | |
zurück. Ein damaliger Lebensgefährte der Angeklagten sagte, es sei „absurd, | |
dass Mario seiner Mutter im Weg war“. | |
Mit einem Urteil ist nicht vor Ende Mai zu rechnen. Das Gericht setzte am | |
26. und 31. Mai zwei weitere Verhandlungstage an. Auf Antrag der | |
Staatsanwaltschaft sollen weitere Zeugen einbestellt werden, die ein mehr | |
dazu sagen könnten, warum zu DDR-Zeiten die Ermittlungen gegen die heute | |
74-Jährige eingestellt wurden. | |
11 May 2016 | |
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