Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Post-olympischer Kater: Sportstadt Hamburg am Boden
> Mit dem Eishockeyteam Hamburg Freezers wird morgen wohl der dritte
> Bundesligist aus der Stadt verschwinden – binnen fünf Monaten.
Bild: Auf dem Eis wie im richtigen Leben: Die Eisbären Berlin setzen sich ein …
HAMBURG taz | Jetzt auch noch die „Kühlschränke“! Einfach den Stecker
gezogen! Vorbei soll es sein mit den Hamburg Freezers, die 14 Jahre lang in
der Deutschen Eishockey Liga (DEL) mehr im Mittelmaß herumdümpelten, als
für Furore zu sorgen. Am vergangenen Mittwoch hatte die Anschutz
Entertainment Group (AEG), der amerikanische Eigner des Klubs, das
frecherweise nur sechs Tage entfernte Aus verkündet – per E-Mail.
Für das Team werde keine Lizenz für die Saison 2016/17 beantragt, hieß es
lapidar. Das letzte Fünkchen Hoffnung für die Spieler, Angestellten und
Fans: Falls bis morgen Abend um spätestens 23.59 Uhr ein Käufer für den
Verein gefunden wird, geht es doch noch weiter mit den Freezers und
Profi-Eishockey im Hamburger Volkspark.
Allerdings sind die Aussichten darauf trüb. Gesucht wird ein extrem
solventer Investor mit reichlich Fantasie, den nicht abschrecken darf, dass
sich in der Historie der Freezers ein Bilanzverlust von 54 Millionen Euro
angehäuft hat. Zuletzt betrug das Defizit pro Saison drei Millionen Euro.
Dabei kamen in der vergangenen Serie zu den 26 Heimspielen immerhin
durchschnittlich 9.022 Zuschauer in die 13.000 Besucher fassende Arena. Auf
„vielleicht ein Prozent“ bezifferte Uwe Frommhold, Geschäftsführer der
Freezers und der Hamburger Arena, die Chance darauf, dass ein Käufer auf
der Bildfläche erscheint.
In Hamburg ist das Entsetzen groß. Keine fünf Monate ist das Jahr 2016 alt
und drei Erstligisten sind nicht mehr existent. Zuerst die HSV-Handballer,
dann die Frauen vom Volleyballteam Hamburg, jetzt die Freezers. Das könne
kein Zufall sein, unken nun einige.
Sie hatten es doch schon immer gewusst, dass der Sport in Hamburg noch für
diese – aus ihrer Sicht – so fatale Entscheidung Ende November werde
bezahlen müssen. Vor einem halben Jahr hatten sich die Bürgerinnen und
Bürger der Stadt in einem Referendum mit 51,6 Prozent der Stimmen dagegen
ausgesprochen, dass sich Hamburg um die Ausrichtung der Olympischen Spielen
2024 bewirbt.
Aber ist es so simpel? Fangen wir mit dem aktuellen Fall an, den Freezers.
Natürlich haben wir es beim Eishockey mit einer olympischen Sportart zu tun
– allerdings mit einer, die bei Winterspielen im Programm ist. Hatte sich
Hamburg nicht für Sommerspiele beworben? Und jetzt soll eine Ablehnung von
Sommerspielen ursächlich dafür sein, dass die Freezers von der Bildfläche
verschwinden? Das hieße dann ja auch, dass ein von Profitstreben geprägtes
US-Unternehmen wie AEG sich von der Ablehnung einer deutschen
Olympia-Bewerbung in ihrem Handeln beeinflussen ließe. Willkommen in der
Chaos-Theorie!
Es ist doch vielmehr so, dass die AEG schon 2011 nach einem Käufer für die
Freezers, einem ihrer beiden DEL-Klubs, gesucht hatte. Denn während das
eine AEG-Team, die Eisbären Berlin, von 2005 an siebenmal Meister wurde,
war bei den Freezers das zweimalige Erreichen des Halbfinals das Höchste
der Gefühle. Vielleicht war die vergangene Freezers-Saison letztlich eine
zuviel im Mittelmaß.
Einen ähnlichen Fall wie jetzt bei AEG hatte es auch schon mal im
Profifußball gegeben: Der Chemiekonzern Bayer entschied sich 1995, auf
Leverkusen zu setzen. Aus Bayer 05 Uerdingen wurde KFC Uerdingen. Das Team
kickt in der Fünften Liga.
Angefangen hatte das Dahinsiechen der Hamburger Profiklubs mit den
HSV-Handballern. Über all die Jahre hinweg war der sportlich erfolgreiche
Verein seinem Mäzen und langjährigen Präsidenten Andreas Rudolph auf Gedeih
und Verderb ausgeliefert. Allen war immer klar: Geht Rudolph, geht es den
Bach hinunter. Ein Netz aus Sponsoren, das den Verein zu tragen im Stande
gewesen wäre, wurde nie aufgebaut. Im Januar war Schluss. Es offenbarte
sich eine eklatante Misswirtschaft. Die Probleme hatten also weit vor dem
Olympia-Referendum begonnen.
Extrem bitter ist das Aus für die Volleyballerinnen, weil am Ende läppische
370.000 Euro für eine Bundesliga-Lizenz fehlten. Allerdings kam das
Ausscheiden des Hauptsponsors nicht über Nacht. Schon im März 2014 ließ der
Kupferkonzern Aurubis wissen, dass im Sommer 2016 Schluss sei. Es misslang
den Präsidenten Horst Lüders und Volker Stuhrmann, Geldgeber zu finden. Das
VT Hamburg spielt in der kommenden Saison in der Zweiten Liga.
Dass auch das Radrennen Cyclassics in Hamburg vor dem Aus steht, nehmen
einige als weiteres Indiz dafür, wie schwerwiegend der negative
Olympia-Entscheid für Hamburg sei. Vielleicht kann man es auch anders
betrachten: Angesichts all der Doping-Betrügereien von Radsportlern in den
vergangenen Jahren, der Beihilfe zum Betrug von korrupten Verbänden, des
Schweigekartells der Trickser und des merklich zurückgegangenen Interesses
am Radsport in Deutschland ist es eher bemerkenswert, dass es die 1996 aus
dem Boden gestampften Cyclassics überhaupt noch gibt.
Es zeigt sich allerdings deutlich, dass es sich bei der viel beschworenen
„Sportstadt Hamburg“ um Potemkinsche Dörfer gehandelt hat. Da gibt es nur
wenige Vereine oder Veranstaltungen, die sich glücklich schätzen können,
von einer größeren Anzahl von Säulen getragen zu werden. Ausgerechnet der
2003 um ein Haar pleite gegangene Zweitligist FC St.Pauli wäre hier zu
nennen, oder die Hockey-Teams, die über Jahre hinweg Erfolge einfahren.
Das Tennis-Turnier am Rothenbaum wankte schon öfter bedrohlich. Jetzt soll
der junge Hamburger Alexander Zverev wieder für Tennis-Begeisterung in
Deutschland sorgen. Und die Fußballer des Hamburger SV befinden sich längst
in einer Abhängigkeit vom Unternehmer Klaus-Michael Kühne. Der Verein ist
viel zu hoch verschuldet, als dass er noch ohne den Milliardär auskommen
könnte.
Im Fall der Freezers will Kapitän Christoph Schubert das Ende für den
Verein noch abwehren. Er hat sich auf die Suche nach Unterstützern und
Geldgebern begeben. Die Fans haben zudem Sammelaktionen für die Freezers
gestartet. Das nötige Geld werden sie nicht zusammenbekommen. Und die
Wahrscheinlichkeit, dass sich die AEG aus lauter Rührung darüber noch
einmal umstimmen lässt, dürfte auch nicht bei mehr als einem Prozent
liegen.
22 May 2016
## AUTOREN
Christian Görtzen
## TAGS
Eishockey
Spitzensport
Sportförderung
Fußball
Freezers
Freezers
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Volleyball
## ARTIKEL ZUM THEMA
Der HSV vor dem Bundesliga-Start: Never mind the Stadionuhr
Der Hamburger SV hat gute Hoffnungen auf eine Saison ohne Abstiegssorgen.
Ein Grund dafür ist der teuerste Transfer der Vereinsgeschichte.
Ende des Profi-Eishockey in Hamburg: Kippen statt Eis
Das Eishockeyteam Hamburg Freezers gibt es nicht mehr. In seiner alten
Halle ist jetzt ganz viel Platz für Neues. Ein paar Ideen.
Aus für Hamburg Freezers: Plektrum statt Puck
Eigentümer der Hamburg Freezers zieht sich endgültig zurück – es ist aus
mit dem hiesigen Profi-Eishockey. Für die Spielstätte gibt es schon eine
lukrativere Idee.
Radrennen droht abzuwandern: Sportstadt ohne Spitzensport
Hamburg will sich auch ohne Olympische Spiele als Sportstandort profilieren
– verliert aber reihenweise erstklassige Veranstaltungen und Akteure.
Hamburg droht der Verlust eines weiteren Profisportteams: Die Kupfer-Medaille
Die Kupferhütte Aurubis hat keine Lust mehr, die Hamburger
Bundesliga-Volleyballerinnnen zu finanzieren. Und Ersatz ist nicht in
Sicht.
Basketball kommt nach Hamburg: Pascal und Marvin bauen Türme
Die frisch gegründeten Hamburg Towers dürfen in der 2. Bundesliga starten.
Bis September müssen die beiden Macher noch ein Team zusammenstellen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.