Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Erinnerung an Bücherverbrennung: Linkspartei vergreift sich
> Beim „Lesen gegen das Vergessen“ auf dem Bebelplatz nimmt es die
> Linkspartei mit der Geschichte nicht so genau: Wahllos werden da Bücher
> aus dem Regal geholt.
Bild: Ausgaben dieser Bücher wurden 1933 verbrannt
Es ist der 10. Mai, vor 83 Jahren warfen Studenten, Professoren und
Mitglieder nationalsozialistischer Parteiorgane etwa 25.000 Bücher auf dem
Berliner Opernplatz ins Feuer – Bücher, die sie „dekadent“,
„seelenzerfasernd“ oder „volksfremd“ fanden. Grund genug, am Dienstagab…
auf dem Heimweg einen Boxenstopp auf dem Bebelplatz einzulegen, wie der
Opernplatz direkt gegenüber der Humboldt-Uni und neben der Staatsoper seit
1947 heißt.
Hier auf dem Bebelplatz veranstaltet die Bundestagsfraktion der Linken ihr
„Lesen gegen das Vergessen“. Ein kurzer Anruf beim Pressesprecher der
Berliner Linken, Daniel Bartsch, ergibt: Bereits direkt nach der Wende
hatte die PDS im Berliner Abgeordnetenhaus unter anderem Namen diese Lesung
am 10. Mai zum ersten Mal initiiert, und zwar in Fortführung des Tags des
freien Buches, der 1947 eingeführt und in der DDR begangen wurde. Seit 1999
veranstalten die Linken die Lesung unter dem heutigen Namen. Eigentlich
seltsam, dass ihnen niemand versucht Konkurrenz zu machen.
Diesmal sitzen etwa 200 Menschen auf Bierbänken, die wenigsten sind jünger
als 60, fast niemand ist jünger als 40. Sie hören prominenten Rednern dabei
zu, die offenbar mehr oder weniger lose dazu angehalten wurden, aus
verbrannten Büchern zu lesen.
Eine der überzeugenden Lesungen kommt von Schauspielerin Walfriede Schmitt,
geboren 1943 in Neukölln, die 22 Jahre lang zum Ensemble der Volksbühne
gehörte. Sie liest Tucholskys großartig satirischen Text „Ein älterer, aber
leicht besoffener Herr“, der auf Berliner Mundart geschrieben ist und in
ihrem Vortrag noch mehr Würze bekommt.
Die anderen, die die Linken an diesem sonnigen Abend eingeladen haben,
halten es eher nicht so genau mit der Bücherverbrennung. Die
Spoken-Word-Künstlerin Jessy James LaFleur etwa liest einen Text über die
Schwierigkeiten, in Belgien mit einem deutschen Pass aufzuwachsen. Klaus
Lederer liest nicht wie sonst, wie er sagt, einen Text von Magnus
Hirschfeld, sondern einen von Heinrich Heine, in dem er seine Hassliebe zu
Deutschland zum Ausdruck bringt. „Aus aktuellem Anlass“, sagt er.
Am konsequentesten aber hält es der Liedermacher Reinhold Andert. Mit der
Bücherverbrennung hat er heute nichts am Hut, sondern er weist ganz
explizit darauf hin, dass es „keine Scheiterhaufen braucht“, um Bücher zu
zerstören. Seine Erzählung: dass 1990 zehn Millionen Bücher des
DDR-Großhandels auf einer Müllkippe entsorgt wurden. „Man muss den Zorn der
Leute darüber verstehen“, sagt er und erntet lauten Applaus.
Geschichte scheint der Linkspartei offenbar nicht so wichtig zu sein. Es
sei denn, es handelt sich um DDR-Geschichte.
11 May 2016
## AUTOREN
Susanne Messmer
## TAGS
NS-Gedenken
Die Linke
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Soros-Stiftung
Nazis
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ehemaliger AfDler bezahlt Mahnmal: Ein äußerst fragwürdiger Spender
Jahrelang pflegte die Wall GmbH das Mahnmal für die Bücherverbrennung in
Berlin. Jetzt übernimmt der Firmengründer – ein Ex-AfDler.
Linkspolitiker Lederer vor Wahl in Berlin: „Nicht erotisch, aber dringend nö…
Klaus Lederer führt die Linke als Spitzenkandidat im Wahlkampf. Er spricht
über Sahra Wagenknecht – und warum Rot-Rot-Grün nicht nur für Berlin gut
wäre.
Bildung in Russland: Lehrwerke auf dem Scheiterhaufen
In der Republik Komi werden Bücher aus Bibliotheken verbannt und verbrannt,
die von der Soros-Stiftung stammen. Die Behörden bestreiten das.
80 Jahre Bücherverbrennung: Der Vergessene
Der Autor Oskar Maria Graf war Sozialist, die Nazis hielten ihn für einen
der Ihren. Graf wehrte sich und forderte für seine Bücher „den
Scheiterhaufen“.
Streit der Woche: „Man darf kein Buch wegwerfen“
Elke Heidenreich findet, man müsse jedes Buch weitergeben. Der Satiriker
Martin Sonneborn hingegen steckt manche „ungeprüft in die Tonne“.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.