| # taz.de -- Kirchentag 2017: Kein Heldengedenken für Luther | |
| > Die Vorbereitung des Berliner Kirchentags im Reformationsjubeljahr 2017 | |
| > nimmt Formen an. Mehr als je zuvor sucht die evangelische Kirche den | |
| > Dialog. | |
| Bild: Auch nicht unumstritten: das Plakatmotiv des 36. Deutschen Evangelischen … | |
| Immer dieser Luther: In der Villa Elisabeth an der Invalidenstraße begrüßt | |
| er den Besucher am Montag als lebensgroße Playmobilfigur, in knallbunten | |
| Lettern ziert daneben sein Name einen Stand, an dem SängerInnen für ein | |
| „Pop-Oratorium“, ein „Projekt der tausend Stimmen“ gesucht werden. Und … | |
| im Saal, wo evangelisches Spitzenpersonal über den Stand der Vorbereitungen | |
| des Reformationsjubiläums 2017 und den Kirchentag in Berlin und Wittenberg | |
| berichtet, ist der rebellische Mönch präsent, der 1517 mit seinen 95 Thesen | |
| die große Kirchenspaltung in Gang setzte. Ganz unproblematisch ist diese | |
| Präsenz nicht, aber davon gleich mehr. | |
| Vom Podium, wo unter anderem der EKD-Vorsitzende Heinrich Bedford-Strohm | |
| und die Präsidentin des 36. Kirchentages, Christina Aus der Au, in weißen | |
| Talkshow-Drehsesseln sitzen (Margot Käßmann hat ihre Stimme verloren und | |
| fehlt entschuldigt), strahlt den zahlreich erschienenen Pressevertretern | |
| Vorfreude entgegen. „Europäisch und ökumenisch“ werde dieses Jubiläum se… | |
| verspricht Bedford-Strohm, ein ansehnlicher Mittfünziger mit vollem weißem | |
| Haar, man werde „jegliche Form von Konfessionalismus“ überwinden, und sich | |
| in den gleichberechtigten Dialog mit den „katholischen Geschwistern“, mit | |
| Juden und Muslimen, ja sogar denen begeben, die nicht glauben. | |
| Jubiläumsfeiern und Kirchentag seien darüber hinaus eine „öffentliche | |
| Einmischung“ zu den Themen der Zeit, auch wenn es nicht daraum gehe, | |
| Politik zu machen. | |
| Die Klippen dieser Politik muss dann prompt Christina Aus der Au | |
| umschiffen. Sie freue sich „total“ darauf, „öffentlich unseren Glauben zu | |
| bekennen und unsere Verantwortung für die Welt zu feiern“, sagt die | |
| lebhafte Frau mit der asymmetrischen Frisur und dem Nasenpiercing in ihrer | |
| Ansprache, aber dann reden die Journalisten nur über die AfD: Werde der | |
| Kirchentag AfD-Mitgliedern ein Forum bieten? Dürften AfD-Politiker gar auf | |
| die Podien? Es sei noch nichts konkret geplant, so die | |
| Kirchentagspräsidentin, aber man wolle „nicht wie das Kaninchen auf die | |
| Schlange starren“. Es komme im Einzelfall darauf an, ob mit der | |
| betreffenden Person ein fruchtbares Gespräch möglich sei. „Da wollen wir | |
| uns versuchen zu verständigen, ohne gleich ein Etikett draufzukleben.“ | |
| Und dann eben Luther. Auf die Frage, wie man mit der „gruppenbezogenen | |
| Menschenfeindlichkeit“ des Reformators, etwa gegenüber den Juden, umzugehen | |
| gedenke, verweist Bedford-Strohm auf eine Erklärung, mit der die EKD-Synode | |
| jüngst auch auf Luthers dunkle Seiten hingewiesen habe. 2017 sei kein | |
| Anlass für ein „Heldengedenken“. Auch für die „Woche der Brüderlichkei… | |
| kommenden Jahr planten die evangelischen Kirchen bereits Veranstaltungen, | |
| bei denen diese selbstkritische Haltung zum Ausdruck gebracht werden solle. | |
| ## Dialog mit Muslimen | |
| Freilich säte Luther seinen Hass nicht nur gegen die Juden. Die für ihn von | |
| den Türken verkörperten Muslime bezeichnete er als Gottes „Geißel“ und | |
| Mohammed als „Apostel des Teufels“. Dass beim Kirchentag, der am 24. Mai | |
| 2017 in Berlin startet und am 28. Mai mit einem riesigen | |
| Open-Air-Gottesdienst in Wittenberg enden soll, gerade auch der Dialog mit | |
| den Muslimen eine wichtige Rolle spielen soll, ist vor diesem Hintergrund | |
| so gewagt wie lobenswert. Noch gebe es keine konkreten Veranstaltungen mit | |
| Islam-Vertretern, hieß es, aber die Vorbereitungen seien am Laufen. | |
| Kirchentagspräsidentin Aus der Au begreift Reformation als „Abkehr von | |
| alten Lebensgewohnheiten, die lebensfeindlich geworden sind“. Diese | |
| Perspektive könnte ausgerechnet im Jubiläumsjahr auf die Reformatoren | |
| selbst zurückfallen. | |
| 9 May 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
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