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# taz.de -- Fußballtrainer Bernd Schröder: Das fürsorgliche Fossil
> 45 Jahre hat Bernd Schröder beim 1. FFC Potsdam gewütet und getröstet. Am
> Sonntag steht das letzte Heimspiel für den 73-Jährigen an.
Bild: „Es gibt keinen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus“: B…
Potsdam taz | Bernd Schröder ist kein sentimentaler Mensch. Jahr für Jahr
hat er für diesen Verein unermüdlich gearbeitet. 45 Jahre trainiert er den
1. FFC Turbine Potsdam. Geld hat er dafür nie bekommen, obwohl der Deutsche
Fußball-Bund das mittlerweile vorschreibt. Er hat den Klub gegründet,
gecoacht, gesponsert und geführt. Fußballhistorisch gesehen, stammt
Schröder aus der Steinzeit. Er ist ein einzigartiges Fossil. Der 73-Jährige
hat die Haltbarkeitsspanne um ein Vielfaches überschritten.
Und nun sind es gerade mal noch vier Tage bis zum letzten Spiel am Sonntag
vor eigenem Publikum gegen den VfL Wolfsburg. Es riecht sehr nach Abschied
auf dem Trainingsgelände des Frauenfußballbundesligisten am Luftschiffhafen
in Potsdam. Aber bevor man überhaupt dazu kommt, an der Gefühlsebene zu
kratzen, hat Schröder bereits die Gesprächsregie übernommen.
Er spricht über die heikle Personalsituation vor dem Spiel. Vier
Kreuzbandrisse und etliche andere Verletzungen habe das Team in dieser
Saison zu verkraften gehabt. So was habe er noch nie erlebt. Dann brüllt
er: „Mehr Körper!“, oder: „Ran, ran, ran!“ Er hat seine Frauen beim
Training immer im Auge, als dürfe ihm nichts entgehen.
Turbine ist Tabellenachter, und daran werden vermutlich auch die letzten
beiden Spiele nichts ändern. So schlecht stand Potsdam in seiner Geschichte
noch nie da, dabei wollte Schröder in dieser Saison wieder die
Champions-League-Qualifikation schaffen. Das Gefälle zwischen Anspruch und
Wirklichkeit hat in den letzten Monaten wieder altbekannte Vorwürfe zutage
gefördert, die den Trainer seit vielen Jahren begleiten: Er trainiere zu
hart, sei zu autoritär und seine Ansprache sei zu rau und nicht mehr
zeitgemäß.
## Der Ruf des harten Hundes
Früher kam die Kritik vor allem auf, wenn Spielerinnen trotz Meistertitel
den Verein verließen – auch weil die finanzkräftigere Konkurrenz lockte.
Für Schröder wurde die Kritik irgendwann zur Folklore und diente der
eigenen Imagepflege. Der Ruf des harten Hundes schmeichelte ihm. Meist
konnte er den Vorwürfen begegnen, weil im Folgejahr die neu
zusammengestellte Mannschaft wieder Meister wurde. Gegen Erfolg lässt sich
schlecht etwas einwenden. In den Jahren 2009 bis 2012 feierte er mit dem
Team viermal hintereinander den Titelgewinn. Bestes europäisches Team wurde
man als einziger ostdeutscher Verein sportartübergreifend mit den
Champions-League-Titeln 2005 und 2010.
Doch angesichts der aktuellen Misere geht Bernd Schröder die Kritik, wie er
einräumt, recht nahe. Nun kann er ja auch nicht mehr auf dem Rasen darauf
antworten. Ihn ärgere schon, sagt er, dass sich Leute zu Wort melden, die
niemals ein Training besucht hätten und seine Arbeit gar nicht beurteilen
könnten.
Seit Jahren, erzählt Schröder, schaue er sich bei anderen Sportarten um,
weil er nach Impulsen für weitere Verbesserungen suche. Und er sagt: „Ich
habe Spielerinnen nur hart behandelt, weil ich sie vor sich selbst schützen
wollte.“ Schröder ist für seine Direktheit und Unverblümtheit bekannt, auch
im Umgang mit der DFB-Führung oder der Bundestrainerin Silvia Neid. Haltung
ist dem Mann wichtig. Und zu seinen Äußerungen steht er stets kerzengerade.
„Ich bin Naturwissenschaftler“, sagt er, „ich mache klare Aussagen. Die
einstige Nationaltorhüterin Nadine Angerer, die sechs Jahre unter ihm
trainierte, pries ihn in ihrer Autobiografie „als einen der loyalsten und
sozialsten Menschen“, die sie je getroffen habe. Er kann knallhart sein und
zugleich absolut fürsorglich.“
## Die Entmachtung zu gestaltet
Schröder ist nun ins Grübeln gekommen: „Ich frage mich schon, was der Wert
von 45 Jahren Ehrenamt ist. Ich war zu keiner Einschulung meiner Kinder,
weil wir immer Spiele hatten. Ich würde es wahrscheinlich nicht noch einmal
so machen.“ Vielleicht schmerzt ihn der Vorwurf des autoritären,
eindimensionalen Führungsstils besonders, weil er vor zwei Jahren damit
begann, seine eigene Entmachtung zu gestalten. Gewiss, ein Widerspruch in
sich, der auch einen Anteil an der derzeit misslichen Lage haben dürfte.
Schröder wollte Achim Feifel, der einst die Frauen des Hamburger SV
trainierte, als seinen Nachfolger aufbauen und holte ihn als Assistenten
ins Team. Das Experiment scheiterte aus mehreren Gründen, sagt Schröder und
spitzt es pointiert zu: „Es gibt keinen dritten Weg zwischen Kapitalismus
und Sozialismus und auch keinen zwischen einem autoritären Trainer und
einem, der alle mitnehmen will.“ Geglaubt hatte er aber dennoch daran, und
das ist durchaus bemerkenswert.
In dieser Saison führte Schröder mit Matthias Rudolph einen Mann aus der
Region an die Aufgaben des Cheftrainers heran. Zudem stellte er einen
hauptamtlichen Athletiktrainer ein, eine „Präventionstrainerin“ und eine
neue Pressesprecherin. Das Feld ist gut bestellt, findet Schröder. „Wir
haben formell alles wunderbar gelöst, wir haben nur die Ergebnisse nicht
eingefahren.“ Am Sonntag wird es auf Wunsch des scheidenden Trainers keine
Abschiedsreden auf dem Rasen geben. Und er legte auch Wert darauf, dass das
Spiel unter das Motto „45 Jahr Turbine“ gestellt wird. Der Verein solle im
Vordergrund stehen.
Sehr amüsiert ist er gewesen, als Pep Guardiola dieser Tage nach
dreijähriger Amtszeit sagte, er habe sein Leben für den FC Bayern gegeben.
Man kann sich gut vorstellen, was Bernd Schröder gedacht hat.
8 May 2016
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Frauenfußball
Turbine Potsdam
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FFC Frankfurt
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