# taz.de -- Hamburger Gericht rügt Polizeieinsatz: Keine Möglichkeit wegzukom… | |
> Das Verwaltungsgericht deutet an: Ein Polizeikessel im Jahr 2012 war | |
> rechtswidrig. Damals saßen 700 Gegendemonstranten fest. | |
Bild: Im Kessel gefangen: Gegendemonstrantin im Juni 2012 | |
HAMBURG taz | Rechtswidrig, zumindest in Art, Umfang und Dauer: Als die | |
Polizei am 2. Juni 2012, [1][den Neonazis zum „Tag der deutschen Zukunft“ | |
erklärt hatten], in Hamburg antifaschistische GegendemonstrantInnen | |
einkesselte, hätte sie das nicht tun dürfen. Das ist die Quintessenz der | |
mündlichen Verhandlung vor dem Hamburger Verwaltungsgericht am Mittwoch. | |
Geklagt hatte die Rechtsanwältin Daniela Hödl, die selbst für mehrere | |
Stunden in Gewahrsam saß. Sie nahm an jenem Morgen an einer Kundgebung nahe | |
der Route des Neonazi-Aufmarschs teil, die sich dann frühzeitig auflöste. | |
Unbeirrt wollten einige der DemonstrantInnen in nördlicher Richtung weiter | |
demonstrieren – wie inzwischen bekannt ist, unter anderem auf Initiative | |
der [2][mittlerweile enttarnten verdeckten Ermittlerin „Maria Block“]. | |
Zuvor hatte Hödl versucht, die Situation in südlicher Richtung zu | |
verlassen, war aber von einer dort aufgestellten Polizeikette abgewiesen | |
worden. | |
Um 11.03 Uhr erklärte die Polizei, dass alle zu diesem Zeitpunkt in der | |
Wagnerstraße befindlichen DemonstrantInnen – rund 700 Menschen – in | |
„Präventiv-Gewahrsam“ genommen worden seien; auch Hödl wurde als | |
„Anschein-Störerin“ festgesetzt. Über den Hannoveraner Anwaltskollegen | |
Paulo Dias, der vor Ort war, stellte Hödl per Fax einen Antrag beim | |
Bereitschafts-Haftrichter des zuständigen Amtsgerichts: Dieser möge die | |
freiheitsentziehenden Maßnahmen der Polizei überprüfen oder gar aufheben. | |
Der Richter lehnte es ab, „in der Sache zu entscheiden“: Weil er nicht von | |
der Polizei angerufen worden sei. „Dieses Verhalten verstehen wir nicht“, | |
sagte am Mittwoch Richterin Britta Schlöpke-Beckmann. | |
„Es ist mit allen Mitteln verhindert worden, dass sich die Leute | |
entfernen“, erwiderte Hödl auf den Vorhalt des Polizeijuristen, einzln wäre | |
der „einschließende Polizeikordon“ zu verlassen gewesen: Angeboten worden | |
sei einzig, nach Feststellung der Personalien in Gewahrsam zu kommen, sagte | |
die Anwältin. „Ich wollte aber nicht irgendwo hingefahren werden und den | |
Nachmittag in einer Zelle verbringen.“ | |
Die Richterin nannte das Polizei-Vorgehen in Punkten „kaum | |
nachvollziehbar“; die Beamten hätten offenbar nie vorgehabt, die in | |
Gewahrsam genommenen Personen dem Haftrichter vorzuführen, was eigentlich | |
„unverzüglich“ erfolgen müsste, so Schlöpke-Beckmann. Schließlich habe … | |
der Jurist im Polizei-Führungsstab, „nach vier Stunden die Reißleine | |
gezogen“: Eine Ingewahrsamnahme solchen Umfangs und solcher Dauer sei nicht | |
zu rechtfertigen gewesen. | |
Hödl selbst kam damals gegen 17 Uhr aus dem Kessel – nach rund sechs | |
Stunden. Dem Vorschlag des Gerichts, die Rechtswidrigkeit der Maßnahme | |
gegen Hödl „anzuerkennen“, wollte die Polizei nicht nachkommen. Jetzt hat | |
sie zwei Wochen lang Zeit, sich per Erklärung zu „unterwerfen“ – dann | |
spricht das Gericht ein Urteil. | |
4 May 2016 | |
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## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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