# taz.de -- Kolumne Jung und dumm: Extrem süß und unglaublich hart | |
> Abenteuer Mundhygiene: Aber schlechte Zähne sind immerhin besser als | |
> schlechte Werbung. Als richtig, richtig schlechte Werbung. | |
Bild: Kreisen lassen – und immer schön schrubben | |
Es soll Menschen geben, die haben Angst vor ihrer Zahnärztin. Zu denen | |
gehöre ich nicht; die Zahnärztin hat Angst vor mir. Ich kann es ihr nicht | |
verübeln. | |
Im Kindesalter fing es an: „Mach den Mund jetzt mal gaaaaaanz weit auf, wie | |
ein Löööhwe. Noch weiter, noch weiter . . .“ „Aaah, röchel, gurgel.“ … | |
ihre galaktischen Zähne mich kümmernd ansahen und sie mir mit ausladenden | |
Bewegungen klarmachen wollte: „Kraaaaaiiisennn-lassssen . . . immer im | |
Kraaaaaiiis schrubebebeen . . . und dann aaaauuuusbürsten . . .“ – dann | |
fühlte ich mich beschämt und – hihihi – bevormundet. | |
Es soll Menschen geben, die haben Angst vorm Älterwerden, wegen Falten, | |
Schrumpel, Schlappheit. Zu denen gehöre ich nicht; mein einziger durch | |
Alterung wahr werden könnender Albtraum ist, dass ich, so, wie andere mit | |
dreiundzwanzigeinhalb anfangen müssen, eine haarausfallbedingte | |
Mönchstonsur auf dem Kopf zu tragen, bald einen fürchterlichen Meth-Mund | |
umherschleppe. Dabei nehme ich das natürlich überhaupt nicht (sondern, | |
nebenbei bemerkt, nur Würfelzucker und frische Hefe) – eine klassische | |
Lose-tooth-Situation also! | |
Es soll Menschen geben, die haben Angst vor Unterführungen, wegen möglicher | |
Überfälle und dem totalen Urin darin. Zu denen gehöre ich nicht; mich | |
gruseln die Plakate: So solle man, steht da zum Beispiel unterm Potsdamer | |
Platz, doch mal sein „Bissness“ verbessern. | |
## Ein wirklicher Schenkelbeißer | |
Da haben jetzt bestimmt fünfundzwanzig Kreativlinge eine ganze Woche lang | |
dran gearbeitet und hin und her diskutiert: ob sie jetzt „Bissness“ | |
plakatieren lassen sollen – oder doch lieber „Beiß drauf“ oder „Wir za… | |
nach Ihnen“. Wie viel Gehirnschmalz! Und was für ein Schenkelbeißer! Nicht | |
umsonst steckt ja in „grübeln“ das Wort „Übel“. Oh nein, jetzt fängt… | |
bei mir auch an! Dann lieber Zahnstumpen rauskotzen als so einen Wortmüll. | |
Denke ich (ja, richtig, noch immer) also hochnäsig. Die Nase: wenigstens | |
ein funktionierendes Körperteil, immerhin – gerade weil ich damit kaum was | |
rieche. | |
Ich gehe weiter, vorbei an der Topographie des Terrors, und traue meinen | |
Augen nicht, als ich danach dies erblicke: die Typographie des Terrors. Da | |
wirbt ein Bäcker doch glatt mit „Gebäckstreetboys“, das Plakat gestalteten | |
die Teletubbies auf Hitlerschnaps (Apfelsaftschorle) oder ein paar Anfang | |
Februar 1981 eingefrorene Redakteure des Gandersheimer Kreisblatts (falls | |
Sie sich fragen, was da zu der Zeit so los war: nichts). | |
„Schmeckt scheiße“, sagt die Verkäuferin, nachdem ich mir ein Herz fasste, | |
reinging und ein derartiges Ding bestellte – man will ja schließlich | |
investigativ tun, als Jungdummjournalist. „Danke, ich weiß“, antworte ich | |
eine halbe Minute später, nachdem ich mir den dritten, finalen Bissen des | |
Dings zwischen die Kiefer gepresst habe. | |
Ach ja: Worein gerät ein furchtvolles Duo leicht mal versehentlich? Ich | |
sag’s Ihnen: Diaschrecktik. | |
Die Entstehung dieses Textes wurde ermöglicht vom Bundesverband deutscher | |
Zähne, dem Fremdenverkehrsamt der Insel Wangerooge und den forschenden | |
Karmaunternehmen. | |
13 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Adrian Schulz | |
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