# taz.de -- Russen wollen bohren: Ein Widerspruch in sich | |
> Die Umweltorganisation Greenpeace protestiert gegen die Ölförderung des | |
> russischen Konzerns DEA im Nationalpark Wattenmeer | |
Bild: Protestaktion im Wattenmeer | |
HAMBURG taz | Jörg Feddern hält Naturschutz und Erdölförderung für | |
unvereinbar. „Der Nationalpark Wattenmeer darf nicht dem schmutzigen | |
Geschäft mit dem Öl zum Opfer fallen“, fordert der Mann von Greenpeace. Und | |
deshalb protestierten die Umweltschützer aus der Hamburger Hafencity am | |
gestrigen Donnerstag gegen die aktuellen Bohrpläne des russischen Konzerns | |
DEA im schleswig-holsteinischen Teil des Wattenmeer-Nationalparks. Die | |
Politik müsse, fordert jedenfalls Feddern, „diesem riskanten Vorhaben eine | |
Riegel vorschieben“. | |
Damit sind die grünen Umweltminister Robert Habeck (Schleswig-Holstein) und | |
Stefan Wenzel (Niedersachsen) gemeint, in deren Zuständigkeitsbereich die | |
Bohrpläne fallen. Deren Entscheidungen stehen aber noch aus. | |
Mit dem Greenpeace-Schiff „Beluga II“ waren die Ökoaktivisten am Vormittag | |
von Cuxhaven aus in die Nähe der Bohrplattform Mittelplate gefahren. Bei | |
Niedrigwasser stellten sie im Schlick einen sechs Meter hohen hölzernen | |
Bohrturm auf und hissten Transparente. Seit 1987 bohrt die Deutsche Erdöl | |
AG (DEA) auf dieser Sandbank nach Erdöl, seit 2015 wird die ehemalige | |
Tochter des Energiemultis RWE vom russischen Oligarchen Michail Fridmann | |
kontrolliert. Gut 30 Millionen Tonnen hat die DEA im größten Ölfeld | |
Deutschlands bereits gefördert, nochmal 20 Millionen Tonnen werden in | |
weiteren Vorkommen vermutet, die durch vier Probebohrungen erschlossen | |
werden sollen. „Wenn das wirtschaftlich sinnvoll ist, werden wir das Öl | |
auch fördern“, bestätigt DEA-Sprecher Derek Mösche die Pläne. | |
Drei Bohrstellen befinden sich in unmittelbarer Nähe zur Mittelplate im | |
Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, die vierte liegt südlich | |
der Elbmündung im niedersächsischen Wattenmeer. Beide Nationalparks wie | |
auch der hamburgische Anteil sind seit 2011 von der Unesco als | |
Weltnaturerbe anerkannt, für die Ölförderung auf Mittelplate indes gibt es | |
Ausnahmeregelungen. Bis Ende 2041 darf der Ölkonzern dort im Grundsatz noch | |
fördern, neue Bohrungen müssen aber nach Bundesbergrecht (siehe Kasten) | |
einzeln genehmigt werden. „Wir arbeiten seit 28 Jahren unfallfrei“, sagt | |
Mösche, „der Schutz des Wattenmeers ist auch uns sehr wichtig.“ Für die | |
Positionen von Greenpeace äußert der DEA-Sprecher „großen Respekt“, | |
wenngleich sie mit denen seines Unternehmens „wohl kaum vereinbar“ seien. | |
Jörg Feddern hält die Erdölförderung in einem Nationalpark und | |
Weltnaturerbe „für einen Widerspruch in sich“. Außerdem sei das Fördern … | |
fossilen Rohstoffs „ein klimapolitischer Anachronismus“, findet der | |
Aktivist. „Das Zeugs sollte im Boden bleiben.“ Auch der Hinweis auf fast | |
drei Jahrzehnte störungsfreien Betriebs kann Feddern nicht überzeugen: | |
„Alle Technik kann auch kaputtgehen.“ Wenn bei einem Unfall Öl austrete und | |
die Meeresumwelt verschmutze, habe das „verheerende Auswirkungen auf das | |
sensible Ökosystem im Wattenmeer“. Zudem gehe die Kosten-Nutzen-Rechnung | |
einseitig zu Lasten der Natur. 20 Millionen Tonnen Erdöl deckten den | |
deutschen Bedarf für gerade mal zwei Monate ab – dafür dürfe kein „für … | |
wunderbare Tier- und Pflanzenwelt im Watt hochriskantes Geschäft“ gewagt | |
werden, findet Feddern. | |
„Es ist kein Geheimnis, dass ich weitere Ölbohrungen im Wattenmeer falsch | |
finde“, beteuerte gestern auf Anfrage der taz Schleswig-Holsteins grüner | |
Umweltminister Robert Habeck. Anträge an sein Ministerium müssten jedoch | |
„sorgsam nach Recht und Gesetz“ geprüft werden. Allerdings, so Habeck, | |
„würde mir ein Stein vom Herzen fallen, wenn wir letztendlich nicht | |
genehmigen müssten“. Muss Habeck auch gar nicht, sagt Feddern. Eine | |
naturschutzrechtliche Genehmigung der Anträge könne bei überwiegendem | |
öffentlichen Interesse versagt werden: „Und das ist bei einem Weltnaturerbe | |
offensichtlich“, sagt Feddern. | |
Mösche hingegen beharrt auf der grundsätzlichen Betriebserlaubnis. So lange | |
eine Nachfrage nach Erdöl besteht, werde diese auch bedient werden: „Wir | |
fördern bis zum letzten Tropfen.“ | |
31 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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Wattenmeer | |
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