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# taz.de -- Religionen in Berlin: Erster Friedhof für Aleviten
> Die Alevitische Gemeinde Berlin bekommt ihren ersten Friedhofsplatz – es
> ist nach Hamburg der zweite in Europa. Verstorbener Verwandter soll
> endlich in ihrer neuen Heimat gedacht werden.
Bild: AlevitInnen beim religiösen Tanz.
Ein Sandsteinportal markiert die wenigen Meter vom U-Bahnhof Leinestraße
gelegenen Zugang zum Neuköllner St.-Thomas-Friedhof. Direkt am Eingang
erinnert eine Ausstellung an die von Berliner Kirchengemeinden während des
Zweiten Weltkriegs beschäftigten Zwangsarbeiter. Im hinteren Bereich
befindet sich eine Grabanlage mit Kriegstoten der beiden Weltkriege.
Der Friedhof ist aber nicht nur wegen der jüngeren deutschen Geschichte
bemerkenswert. In den kommenden Wochen wird hier eine ganz neue Geschichte
geschrieben: Die Alevitische Gemeinde bekommt ihren ersten Friedhofsplatz
und damit gemeinsam mit Hamburg eines von zwei alevitischen Gräberfeldern
in ganz Europa. Die Grabfläche wird nach bisheriger Schätzung mit rund 400
Gräbern in der Nähe der Kriegsgräber ihren Platz finden.
„Den Vertrag mit dem Evangelischen Friedhofsverband Stadtmitte, dem Träger
des Friedhofs, haben wir bereits abgeschlossen“, sagt der Sprecher der
Alevitischen Gemeinde zu Berlin, Kadir Sahin. „Der Entwurf der Anlage ist
aber noch in Entwicklung. Vermutlich wird der Platz vor dem Juni
eingeweiht.“
## Nicht mehr ausfliegen
Einige Gemeindemitglieder seien skeptisch gegenüber einem getrennten
Friedhofsplatz gewesen, berichtet Halit Büyükgöl von der Berliner Gemeinde.
„Vereinzelt liegen bereits Aleviten auf mehreren Friedhöfen der Stadt.“
Kadir Sahin sieht darin praktische Gründe: „Eine immer größer werdende Zahl
Berliner Aleviten wollen hier ihrer verstorbenen Verwandten gedenken statt
sie wie bisher in ihre alevitischen Heimatgemeinden in der Türkei
auszufliegen“ – mit alevitischen Zeremonien auf einem eigenen
Friedhofsfeld.
Ein alevitischer Friedhof habe vor allem aber einen Symbolwert. Seine
Existenz sei eine Anerkennung dauerhafter alevitischer Realität in Berlin,
sagt Sahin. Sie ist zugleich die Anerkennung der Aleviten als eigenständige
Religionsgemeinschaft in Deutschland und Europa, aber auch eine Genugtuung
für die in der Türkei seit Jahrhunderten unterdrückte nicht-sunnitische
religiöse Minderheit. Die Gemeinde wollte außerdem mit dem Friedhof St.
Thomas einen gut erreichbaren Platz bekommen. Viele Aleviten leben in
Neukölln und im anliegenden Kreuzberg.
Der Entwurf hat Eigenheiten: Ein Teil der Gräber soll im Kreis angelegt
werden. Anders als nach muslimischer Vorstellung sollen die Köpfe der
Verstorbenen nicht in Richtung Mekka gerichtet liegen. „Wir Aleviten
verstehen den Menschen als unsere Kaaba“, erklärt Sahin. „So wie im
kreisförmigen rituellen Tanz der Aleviten, dem Sema, sollen die Gesichter
der Verstorbenen einander zugewandt sein.“ Ein Tor sowie andere Symbole des
alevitischen Glaubens werden den Platz markieren. Dass es sich bei der
Kreisform nur um ein Teilfeld von zweien in der Gesamtanlage handelt, war
ein Kompromiss mit dem Trägerverband, der nach Vorlage des ersten Entwurfs
Bedenken anmeldete. „Wir müssen unter anderem für eine leichte Pflege
sorgen. Dazu gehören Wege zwischen den Gräbern“, sagt der Geschäftsführer
des Friedhofsverbandes, Jürgen Quandt. Ein anderer Teil soll nach dem
aktuellen Entwurf aus gerade angelegten Gräbern bestehen, so dass Platz für
eine größere Zahl von Gräbern übrig bleibt.
Wer dort begraben wird, darüber wird die Gemeinde selbst entscheiden. Das
Grabfeld wird im Besitz des Evangelischen Friedhofsverbands bleiben. So
sieht es auch das Berliner Friedhofsgesetz vor. Einen eigenen Friedhof kann
die Alevitische Gemeinde nicht betreiben, da sie, anders als der
Friedhofsverband, keine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen
Rechts besitzt. Einen Antrag hat sie bereits beim Senat gestellt.
30 Mar 2016
## AUTOREN
Hülya Gürler
## TAGS
Schwerpunkt taz Leipzig
Religion
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