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# taz.de -- Arte-Serie „Peaky Blinders“: Niemand ist hier sympathisch
> Die zweite Staffel von „Peaky Blinders – Gangs of Birmingham“ startet
> furios. Sie spielt immer in Schmutz und Dreck.
Bild: Die „Peaky Blinders“ ziehen los, London zu erobern
Es vergehen keine zweite Minuten der ersten Folge dieser zweiten Staffel,
dass man sich wieder kaum sattsehen kann an den Bildern des Schmutzes, des
Drecks, der versehrenden Lebensverhältnisse, die diese Serie bietet: „Peaky
Blinders – Gangs of Birmingham“ spiegelt das von unten, was „Downton Abbe…
aus der Perspektive von Adligen und deren Personal zeigt. Eine Welt mitten
in der Industrialisierung des agrarischen Großbritanniens, die im Fall der
Habenichtse mit dem Ende des Ersten Weltkriegs einsetzt.
Wirkt etwa die Elektrifizierung am Hofe wie eine willkommen geheißene
Möglichkeit, es hell zu haben, sieht man von diesen Errungenschaften in den
„Peaky Blinders“ ebenso alles, aber es verströmt in den stinkenden,
matschigen Straßen der Birminghamer Industriegelände immer noch Ekel.
Die Helden dieser Geschichte sind die Angehörigen der Familie Shelby, nach
England eingewanderte Zigeuner aus Irland, Aussätzige dort, in England wie
alle in ärmsten Umständen Lebenden auch noch solche, die lieber nicht als
„Tinker“ erkannt werden wollen.
Die Söhne der Shelbys verbreiteten in der ersten Staffel als „Peaky
Blinders“ – einen Ausdruck, den man mit „Blass-brutale Strauchdiebe“
übersetzen könnte – mehr als das, was ihr Name sagt. Sie ziehen rund um
ihre Kneipe ein Regime der Gewalt auf.
Die Bilder sind historisierend gröber gehalten, die Luft scheint unentwegt
von üblem Nebel getränkt: Regisseur Colm McCarthy hat alles, unterlegt
durch bluesige, traurig stimmende Musik von Nick Cave, PJ Harvey und Tom
Waits, so verknüpft, dass „Peaky Blinders“ zu den Werken Quentin Tarantinos
epigonal wirkt.
## Ein Stück vom Kuchen
Niemand in dieser Serie ist durchweg sympathisch – was im Übrigen der
wichtigste Unterschied zu allen deutschen Versuchen ist, episches Erzählen
ins Fernsehen zu transportieren. Diese Serie, auch in der zweiten Staffel,
lädt zur Identifikation ein, aber die Sympathien der Zuschauer gelten
gelegentlich keineswegs nur Mördern, die in Notwehr handelten. Deutsche
Produktionen hätten unter Garantie irgendeine Person aus der Mitte der
Serie mit deutlichem Charakterplus versehen – „Peaky Blinders“ spart sich
solch missliche Pädagogisierung.
In der ersten Folge der zweiten Staffel werden kurz die Konsequenzen der
ersten resümiert, solche, die mit Verrat, Tücke und Verzweiflung zu tun
haben. Um dann ins Jerusalem des britischen Königreichs aufzubrechen: Weg
aus der Sphäre des Rennbahnbetrugs, der Glücksspielerei in Birmingham, hin
nach London. Die Shelby-Männer mischen sich mit Absicht in die abgesteckten
Claims ein – hier die schlimmen Italiener, dort die nicht minder schlimmen
Juden.
Und die Birmingham-Leute wollen ihr Stück vom fetten Kuchen abhaben, obwohl
ihre auch mit allen Wassern gewaschene Mutter abrät: Es könnte gefährlich
werden.
Als ob es nicht gerade das ist, was ihre Söhne anzieht – eine Art Klein-IS,
wie es sie früher in Europa überall gab: Desperadotum, weil das bürgerliche
Leben so unerreichbar war. Angehörige von Minderheiten, die nichts als
ihren Überlebenswillen haben und sich alles freiräumen. Die Serie muss als
politischer Kommentar zur Zeit gelesen werden.
Am Rande gibt es Hinweise auf die irische IRA, Winston Churchill spielt
eine Rolle – und auch ein Geheimagent, der die kriminelle Proletenszene
infiltriert und definitiv nicht zimperlich arbeitet, um sie alle zur
Strecke zu bringen. Muss ein Ermordeter verkuhlt werden, und zwar nicht auf
dem Friedhof, sagt der eine zum anderen: Ach, komm, das kennen wir doch aus
dem Krieg.“
„Peaky Blinders“ erinnert von ferne an jene Lebensverhältnisse, die noch
gar nicht lange her sind – kaum mehr als drei Generationen. Das Drehbuch
hat der renommierte Steven Knight (“Tödliche Versprechen – Eastern
Promises“) verfasst, die Schauspieler*innen Cillian Murphy, Helen McCrory
und Paul Anderson sind in ihrer Heimat berühmt. Absolut spannend und
sehenswert.
17 Mar 2016
## AUTOREN
Jan Feddersen
## TAGS
Arte
Serien-Guide
ZDF Neo
Serie
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