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# taz.de -- Ersatzteile für Menschen: Das Ohr aus dem 3-D-Drucker
> US-Wissenschaftler haben ein Organ ausgedruckt, das aus einer künstlichen
> Struktur und lebenden Zellen besteht. Das könnte Folgen haben.
Bild: Frisch aus dem Drucker.
Berlin taz | Das künstliche Ohr sieht aus wie typisch menschliches – nur
die Farbe wirkt nicht ganz echt. Im Reagenzglas gezüchtetes Gewebe ist
nichts Neues, dass Wissenschaftler ein komplettes Organ mit einem
3-D-Drucker herstellen, hingegen schon.
Anthony Atala, Hyun-Wook Kang und ihr Team haben es darüberhinaus
geschafft, auch eine komplexe innere Struktur zu erstellen, die mit
lebendigen Zellen durchsetzt ist. Die Zellen und die Mikrostruktur sorgen
dafür, dass das Ohr nicht einfach nur eine Prothese ist, sondern auch
Blutgefäße und Nerven in dem künstlichen Organ ausbildet werden können. So
würde aus dem 3-D-Produkt ein vollwertiger Organersatz entstehen, wie die
Wissenschaftler vom Wake Forest Institute for Regenerative Medicine in
North Carolina in der [1][aktuellen Ausgabe von Nature Biotechnology
berichten].
Schon in den späten 1990er Jahren wurden Gewebestrukturen bzw. Organe aus
lebenden Zellen gezüchtet. Bekannt wurde die sogenannte Vacanti-Maus, auf
die ein Ohr transplantiert wurde. Das Organ bestand aus
Rinderknorpelzellen, die auf einer Passform wucherten. Es wuchs auf dem
Mäuserücken an, ohne dass es zu Abstoßungsreaktionen kam und wurde dann –
wie jeder andere Teil des Mäusekörpers – mit Blut versorgt.
Das Experiment wurde als plakativer Beweis für die Fortschritte der
Transplantationsmedizin durchgeführt. Die Bilder der Maus wurden von
Gegnern der Genmanipulation weltweit als abschreckendes Beispiel verwendet
– obwohl die Vacanti-Maus mit Genmanipulation nicht das Geringste zu tun
hat.
Ebenso wenig ist das 3-D-Drucker-Ohr ein Gentechnikprodukt. Das Neue an der
Schöpfung der US-Forscher ist, dass man mit dem Drucker bislang nur winzige
Teile gallertartigen Gewebematerials herstellen konnte. Die beiden
begrenzenden Probleme waren die mangelnde Festigkeit der Struktur, die sie
ab einer bestimmten Größe zusammenstürzen ließ und der Sauerstoffmangel im
Inneren, der zum Absterben der Zellen führte.
Das Ohr wurde mit dem Integrated Tissue-Organ Printer ITOP (Integrierter
Gewebeorgan Drucker) hergestellt. Durch zwei Innovationen kann ITOP Organe
in beliebiger Form in Originalgröße herstellen, in denen die Zellen
überleben. Am Beispiel des Ohres: Ein Gel wird mit lebenden Stammzellen und
mit Knorpelzellen angereichert. Das Ganze wird dann mit einer festeren
künstlichen Polymerstruktur durchwoben und so stabilisiert. In dieser
Struktur bleiben winzige Kanäle offen, die die Nahrungsmittel- und
Sauerstoffversorgung der Zellen sichern.
## Gefäße und Ersatzgewebe
Bei Versuchen mit ITOP-generiertem Muskel-, Knorpel- und Knochengewebe, das
in Mäuse und Ratten eingepflanzt wurde, zeigte sich, dass sich jeweils ein
funktionierendes System mit Gefäßen und Ersatzgewebe ausbildete. Damit
werden die künstlichen Kanäle in ihrer Funktion nachhaltig ersetzt und das
vom Körper abbaubare Strukturpolymer wird in einem Zeitraum von maximal
zwei Jahren nach und nach ersetzt.
Zurzeit beantragen die Forscher bei der US-Behörde die Genehmigung für
Tests an Menschen. Aber eine tatsächliche Anwendung des Verfahrens in der
Humanmedizin liege noch in weiter Ferne, so die Wissenschaftler. Vor allem
die Antwort des Immunsystems müsse noch erforscht werden. Fernziel sei
aber, auch komplexe innere Organ des Menschen ohne Spender vollwertig
ersetzen zu können.
Die Zukunft des Verfahrens bietet aber noch ganz andere Möglichkeiten. Da
man mit dem Drucker jede beliebige Form herstellen kann, könnten
maßgeschneiderte Designerorgane entstehen – vom Spockohr bis zum
leistungsfähigeren Herz.
17 Feb 2016
## LINKS
[1] http://www.nature.com/nbt/journal/vaop/ncurrent/full/nbt.3413.html#close
## AUTOREN
Patrick Loewenstein
## TAGS
3-D-Drucker
Medizin
Lesestück Recherche und Reportage
Prothese
Roboter
Ratten
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