# taz.de -- Debatte Krieg im Jemen: Waffenruhe unwahrscheinlich | |
> Die Spannungen zwischen Iran und Saudi-Arabien machen kaum Hoffnung auf | |
> Frieden im Jemen. Den Saudis fehlt die Möglichkeit zur Gesichtswahrung. | |
Bild: Sieht nicht nach Frieden aus: Panzer mit jemenitischen Kämpfern | |
Anfang des Jahres verschärften sich die Spannungen zwischen Iran und | |
Saudi-Arabien. Nach der Hinrichtung des schiitischen Geistlichen Nimr | |
al-Nimr in Saudi-Arabien erstürmten iranische Demonstranten die saudische | |
Botschaft in Teheran. Dies veranlasste das Königshaus in Riad zum Abbruch | |
seiner diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit der Islamischen | |
Republik. | |
Eine Konsequenz dieser Entwicklungen zeichnet sich im Jemen ab. Eine | |
Waffenruhe scheint dort unwahrscheinlicher, je tiefer der Graben zwischen | |
Iran und Saudi-Arabien aufgerissen wird. Als Ergebnis seiner bisherigen | |
Politik fehlt dem saudischen Königshaus die Möglichkeit eines | |
gesichtswahrenden Rückzugs. Teheran wiederum kann mit vergleichsweise | |
geringem Einsatz seinen Rivalen beschädigen. | |
Rückblick: Inspiriert von den Aufständen in anderen Teilen der arabischen | |
Welt, gab es 2011 auch im Jemen Proteste gegen die Regierung des | |
jahrzehntelangen Machthabers Ali Abdullah Salih. Auf Initiative des | |
Golf-Kooperationsrats kam es zu einem Rücktritt Salihs, zur Einsetzung | |
einer Übergangsregierung unter der Führung des vormaligen Vizepräsidenten | |
Abed Rabbo Mansur Hadi sowie zur Etablierung eines nationalen Dialogs. | |
Letzterer scheiterte – auch deshalb, weil sich verschiedene politische | |
Gruppierungen übergangen fühlten. | |
Zum Bruch kam es 2014. Die Huthis, eine politische und paramilitärische | |
Gruppierung aus Nordjemen, gingen ein Zweckbündnis mit Expräsident Salih | |
ein. Dessen Lager, das weite Teile der jemenitischen Armee umfasst, | |
unterstützte die Huthis mit Logistik und Waffen. Auf diese Weise konnten | |
die Huthis im September 2014 die Hauptstadt Sanaa einnehmen und gen Süden | |
in weitere Teile des Landes vorstoßen. | |
Als Zaiditen gehörten die Huthis einer Unterströmung des schiitischen Islam | |
an. Vor diesem Hintergrund werden Beziehungen mit Iran gepflegt, der sich | |
als Vor- und Schutzmacht aller Schiiten versteht. Die Tiefe der Beziehungen | |
zwischen Huthis und Teheran war jedoch zu keinem Zeitpunkt vergleichbar mit | |
den Verbindungen Irans zu anderen schiitischen Gruppierungen im Nahen | |
Osten, etwa der libanesischen Hisbollah oder der irakischen | |
Badr-Organisation. | |
Die vermeintlich naheliegende Erklärung, beim Konflikt im Jemen handele es | |
sich um einen weiteren Stellvertreterkrieg, ist daher nur eingeschränkt | |
zutreffend. Denn seine regionale Dimension erhielt der Konflikt erst durch | |
das Eingreifen Saudi-Arabiens im März 2015. | |
## Thronwechsel in Riad | |
Das erklärte Kriegsziel Saudi-Arabiens war die Wiedereinsetzung der | |
international anerkannten Regierung Hadis in der Hauptstadt Sanaa. Darüber | |
hinaus verkündete Riad, im Jemen gegen die Handlanger Teherans zu kämpfen. | |
Wichtig dürften aber auch innenpolitische Erwägungen gewesen sein. Im | |
Januar 2015 erfolgte in Riad ein Thronwechsel. Neuer König wurde der damals | |
knapp achtzigjährige Salman, der seinen Sohn Mohammad als Nachfolger in | |
Stellung brachte, indem er diesen zum Verteidigungsminister, | |
Vizekronprinzen und Chef des königlichen Hofs ernannte. Die neuen Herrscher | |
waren und sind am saudischen Königshof jedoch keineswegs unumstritten. | |
Wiederholt wurde daher kolportiert, die Intervention im Jemen sei auch | |
deshalb erfolgt, um die Reihen im eigenen Land zu schließen und nach innen | |
wie außen Stärke zu demonstrieren. | |
Unabhängig von der Frage, was letztlich ausschlaggebend für die | |
Intervention war, hat sich die saudische Jemen-Politik in eine Sackgasse | |
manövriert. Heute, rund ein Jahr nach Beginn der Intervention, ist ein | |
militärischer Sieg in weiter Ferne. Die Huthis kontrollieren noch immer | |
Sanaa. In den meisten „befreiten“ Städten im Süden kämpfen nunmehr al-Qa… | |
und der IS um die Vorherrschaft. Saudi- Arabien musste schwere Verluste | |
hinnehmen und die Huthis konnten ihrerseits wiederholt in saudisches | |
Territorium vorstoßen. Gleichzeitig wurden weite Teile von Jemens ohnehin | |
dürftiger ziviler Infrastruktur zerstört. Die Bevölkerung leidet Mangel an | |
Nahrung, Medizin und Strom. Kurzum: Die hochgerüstete saudische Armee | |
vermochte trotz weit überlegener Feuerkraft weder einen schnellen Sieg | |
davonzutragen noch symbolische Zwischenerfolge zu feiern. | |
Iran wiederum konnte ohne großes Zutun dabei zusehen, wie sich der große | |
Rivale zunehmend in eine Sackgasse manövrierte. Anders als in Irak und | |
Syrien gibt es im Jemen keinen umfangreichen Einsatz iranischer | |
Militärberater. Der iranische Beitrag beschränkt sich vielmehr auf | |
politische Unterstützungsbekundungen und punktuelle Waffenlieferungen an | |
die Huthis. | |
## Anhaltende Spannungen | |
Obgleich das iranische Engagement im Jemen nur gering ist, liegt der | |
Schlüssel zur Lösung des Konflikts dennoch in den Beziehungen zwischen Riad | |
und Teheran. Denn Saudi-Arabien, das den Krieg im Jemen immer wieder auch | |
als Kampf gegen den iranischen Einfluss auf der arabischen Halbinsel | |
dargestellt hat, kann seinen Einsatz nur dann gesichtswahrend beenden, wenn | |
sich die Beziehungen mit Teheran merklich verbessern. In der gegenwärtigen | |
Situation käme eine Einstellung der Kampfhandlungen dem Eingeständnis des | |
eigenen Scheiterns gleich. Saudi-Arabien hätte trotz hoher Verluste sein | |
Kriegsziel nicht erreicht, was dem saudischen Königshaus innen- wie | |
außenpolitisch als Schwäche ausgelegt werden dürfte. | |
Hier kommt die allgemeine Verschärfung der Beziehungen zwischen Iran und | |
Saudi-Arabien ins Spiel. Diese macht es unwahrscheinlich, dass Riad und | |
Teheran in absehbarer Zeit zu einer Verständigung kommen. | |
Die kurz- bis mittelfristig vermutlich wichtigste Frage für die Zukunft | |
Jemens, ebenso wie für weite Teile des Nahen Ostens insgesamt, ist daher, | |
ob sich in Riad und Teheran jeweils Hardliner oder Moderate durchsetzen | |
werden. Anlass zur Hoffnung besteht nur dann, wenn es den moderaten Kräften | |
gelingt, die Logik des Nullsummendenkens zu überwinden. Bleiben weiterhin | |
die Hardliner tonangebend, dürften Jemen und der gesamten Region noch | |
düstere Tage bevorstehen. | |
29 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
David Jalilvand | |
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