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# taz.de -- Streit um Energiewende: Auf der Suche nach einem Schuldigen
> Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und der niedersächsische
> Umweltminister Stefan Wenzel (SPD) beschuldigen einander, die
> Energiewende zu blockieren.
Bild: Guckt in Sachen Energiewende etwas verkniffen gen Norden: Bundeswirtschaf…
HANNOVER taz | Für Niedersachsens grünen Umweltminister Stefan Wenzel ist
es ein Revanchefoul: Wie jetzt bekannt wurde, hat Bundeswirtschaftsminister
Sigmar Gabriel (SPD) den Streit zwischen Bund und Ländern über die
Umsetzung der Energiewende bereits vor einigen Wochen mit einem Blauen
Brief befeuert. Einige Bundesländer, beklagt Gabriel, verschleppten die
Energiewende, indem sie den dafür notwendigen Ausbau der Stromtrassen
verschliefen.
Ganz besonders schlafmützig sei, so Gabriel, ausgerechnet seine politische
Heimat Niedersachsen. Während etwa Schleswig-Holstein bereits 42 Prozent
der vereinbarten Trassen, die den Strom von den Windparks im Norden gen
Süden bringen sollen, genehmigt hätten, läge die Quote im Windland Nummer 1
Niedersachsen bei extralauen null Prozent.
Die Zahlen und Grafiken, mit denen Gabriel seine Behauptungen belegt, seien
„schlicht falsch“, konterte Wenzel am Mittwoch und bot seine Lesart des
Trassenausbaus an: Allein für die Anbindung der niedersächsischen
Offshore-Windparks habe das Land 326 Kilometer Leitungsnetz nicht nur
genehmigt, sondern auch schon errichten lassen. „Das unterschlägt Gabriel
komplett“, heißt es aus dem Umweltministerium und es wird noch darauf
verwiesen, dass die Bewilligung weiterer 100-Trassen-Kilometer bis Mitte
des Jahres folgen soll.
„Der Bund zeigt hier mit dem Finger auf andere, aber von den 3.400
Kilometern Netzausbaumaßnahmen in seiner Zuständigkeit ist, soweit ich
weiß, noch kein einziger Kilometer genehmigt“, legt Wenzel nach. Die
Netzbetreiber bei Projekten, die von den Bundesländern genehmigt werden,
arbeiteten hingegen überall bereits an der Realisierung ihrer Projekte.
Niedersachsen hat als Küsten- und Transitland die Verantwortung für 1.235
Kilometer Stromtrassen, nur der Bund selbst ist für mehr Trassenkilometer
zuständig. Bis auf 230 Kilometer, für die noch gar keine Anträge vorliegen,
sei der Rest der Strecken laut Wenzel zur Zeit im Raumordnungs- oder
Planfeststellungsverfahren: „Deshalb bin ich der Auffassung, dass wir in
der Umsetzung schon einen guten Teil bewältigt haben.“
Während Wenzel und Gabriel wechselseitig Öl ins Feuer gießen, übt
Niedersachsens Regierungssprecherin Anke Pörksen sich als Feuerwehrfrau.
Sie sehe in Gabriels Kritik keine Belastung für die rot-grüne
Landesregierung, flötet Pörksen und ergänzt: „Ich würde das Schreiben nic…
als Brandbrief bezeichnen.“ Sie vermute „hier nicht den großen
Konfliktstoff“, beschwichtigt Pörksen. Doch damit steht sie derzeit allein
da.
Der rot-grüne Konflikt um richtige Behauptungen und falsche Zahlen hat
Tradition: Beim Thema Energiewende werden Gabriel und Wenzel wohl keine
Freunde mehr. Einige Länder-Umweltminister, Wenzel in erster Reihe, hatten
Gabriel gedrängt, den Anteil regenerativer Energien an der
deutschlandweiten Stromerzeugung bis 2025 nicht bei 45 Prozent zu deckeln,
sondern den Anteil auf 55 Prozent auszubauen. „Der
Bundeswirtschaftsminister will nur die Kohle schützen“, wirft Wenzel
Gabriel massive Blockadepolitik vor. Auch sein schleswig-holsteinischer
Partei- und Amtskollege Robert Habeck sieht bei dem von Gabriel verordneten
„Mini-Wachstum“ die Energiewende faktisch zum Erliegen kommen.
Faktisch zum Erliegen käme die Energiewende auch, wenn die Tausenden
Kilometer neu zu bauender Leitungen nicht schnell und preiswert über
Strommasten geführt, sondern teuer und langwierig in der Erde verbuddelt
werden, wie es die AnwohnerInnen der Hochspannungsleitungen fast überall
fordern. Doch da beißen sie oft auf Granit.
In einem niedersächsichen Teilstück der geplanten Nord-Süd-Trasse Südlink
soll es eine Pilotstrecke für Erdkabel geben. Das gut zehn Kilometer lange
Teilstück soll irgendwo zwischen Peine und Hildesheim angesiedelt werden
und damit direkt durch Gabriels Wahlkreis verlaufen. Was natürlich, so
betonen alle Beteiligten, reiner Zufall sei.
3 Feb 2016
## AUTOREN
Marco Carini
## TAGS
Energiewende
Strom
Stromtrassen
Netzausbau
Energiewende
Energiewende
Sigmar Gabriel
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