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# taz.de -- Die Wahrheit: Wie denn ist das denn?
> Nicht erst seit dem Philosophen Heidegger erlebt im Sprachdschungel die
> rhetorische Frage eine Blüte sondergleichen.
Bild: Ohne Kopf kein Grübeln, ohne Grübeln keine rhetorischen Fragen.
Ist nicht „Jedes Fragen ein Suchen“, wie schon Heidegger feststellte? Gut
gefragt, aber kannte der grüblerische Philosoph etwa die rhetorische Frage
nicht und wusste er nicht, dass diese Frageform keine Antwort erwartet,
weil sie mit stillschweigender Zustimmung beim Zuhörer rechnet? Denkt
dieser nicht gewöhnlich: „Ein raffinierter Hund ist er schon mit seiner
rhetorischen Frage“?
Wen hat nicht schon als Schüler die ewige Fragerei des Lehrers genervt, der
davon profitiert, dass die Frageform den Schulmeister „in einer ständigen
Berührung mit dem Schüler hält und zu fortwährender Mitthätigkeit beim
Unterricht anhält“ (vgl. Rennstein, „Die Frage im Unterricht“, 1895)?
Hat Heidegger denn nicht von der verheerenden Grübelsucht gehört, die den
ewig Fragenden befällt? Und wusste er nicht, dass der mit dieser
krankhaften Erscheinung Behaftete sich selbst allerhand zwecklose Fragen
stellt wie: „Warum hat der Mensch zwei Beine?“? Und wusste Heidegger nicht,
dass die Ursache der Grübelsucht vor allem sexuelle Exzesse waren? (vgl.
auch „Brockhaus‘ Konversationslexikon“, 1894–1896).
War da Oskar Wilde nicht klüger, der sagte: „Fragen zu stellen lohnt sich
immer – wenn es sich auch nicht immer lohnt, sie zu beantworten“? Ob
Heidegger wohl vorausgesehen hätte, dass die rhetorische Frage am Ende des
20. Jahrhunderts eine neue Blüte erfahren sollte? Und ob er geahnt hätte,
dass sexuelle Konnotationen dabei im Vordergrund stehen würden? Ahnt der
Leser, worauf ich anspiele?
„Wie geil ist das denn?“ So lautet die rhetorische Frage der Rapper Jansen
& Kowalski (2005), so hieß ein Sketch des Düsseldorfer Kommödchens (2008)
und so war die Frage eines Ahoj-Brause-Werbe-Videos. „Wie geil ist das
denn?“, fragte die Süddeutsche Zeitung in einem Bericht über feministische
Pornos und die taz zum Klimaschutzabkommen. Und „Wie geil ist das denn?“,
fragt die Bundeszentrale für politische Bildung zum Komplex „Sexualität im
Spannungsfeld zwischen Intimität und medialer Hülle“.
Schon 2012 stellt ein Comic-Männchen von Ol fest: „Man sagt übrigens nicht
mehr ‚Wie geil ist das denn? ‘.“ Und Burkhard Spinnen will im gleichen Ja…
die Fragefigur „Wie … ist das denn?“ zum Unwort des Jahres ernennen. „W…
realitätsfern ist das denn?“, schrieb daraufhin das Handelsblatt.
## Kranke Krankenhäuser
Egal, ob „Dr. Windows“ im Netz schimpfte: „Wie bescheuert ist das denn?�…
oder ob die „Kriegsreporterin“ der taz moserte „Wie eklig ist das denn?�…
das inflatorische rhetorische Fragen war nicht mehr abzustellen. Bei der
Rückschau auf das Jahr fragen sich die deutschen Karikaturisten in der
Sächsischen Zeitung: „Wie krank ist das denn?“ Und Verdi stellt ebenso
verzweifelt die gleiche Frage: „Krankenhäuser – wie krank ist das denn?“
Die Emma forscht zur leidigen Abseitsfrage: „Wie abseits ist das denn?“ Und
der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig meint zur
Lkw-Maut auf Autobahnen: „Wie dumm ist das denn?“ Sat.1 stellt zu den neuen
Karnevalstrikots des 1. FC Köln die schlüssige Frage: „Wie jeck ist das
denn?“ Und die Bunte schwärmt angesichts des Babys von Rachel Bilson: „Wie
niedlich ist das denn?“
Die belesene „Klappentexterin“ fragt im Internet: „Lesen? Wie cool ist das
denn?“, und greift zum Buchtitel „Wie deutsch ist das denn?“, liest einen
Untertitel (“Wie belämmert ist das denn?“) und besucht das Theaterstück
„Wie peinlich ist das denn?“
Aber wie krass ist das denn? Der Preis für die schönste rhetorische
Fragefigur gebührt der Werbung von Fressnapf, die sich bei ihren tierischen
und menschlichen Kunden bedankt: „Wie dankeschön ist das denn!“ Da steht
einmal zu recht ein Ausrufezeichen! Ob das Heidegger gefallen hätte?
22 Jan 2016
## AUTOREN
Kriki
## TAGS
Philosophie
Martin Heidegger
Weltraum
Wildschweine
Die Kriegsreporterin
Gruner + Jahr
Chemie
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Erde
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