# taz.de -- Nachruf auf Achim Mentzel: Uns Achim | |
> Er war all das, was das quotenoptimierte Schlager-TV nicht mehr | |
> gebrauchen konnte – und deswegen so authentisch und einzigartig. | |
Bild: Man sehnt sich nach ihm: Achim Mentzel | |
Es sollte mehr anlasslose Lobpreisungen geben. Denn all das, was in einem | |
Nachruf steht, kommt zu spät. Zum Beispiel, wie sehr man sich nach einem | |
Achim Mentzel sehnt, wenn man das aktuelle | |
Schlager-Volkslieder-Fernsehinventar betrachtet: all die Florian | |
Silbereisens, Beatrice Eglis und Helene Fischers. Konturlose Gesangs- und | |
Moderationsroboter. | |
Dagegen Mentzel: Minipli, Schnauzbart, zu dick, zu weite Hemden. Einfach | |
nicht gemacht fürs hochauflösende Fernsehen. Achim war einfach Achim. | |
Nicht, dass man wegen ihm den Schlagerquatsch geguckt hätte, aber immerhin | |
gab es da einen mit Wiedererkennungswert, dessen Fröhlichkeit nicht durch | |
und durch aufgesetzt wirkte. | |
TV-Satiriker Oliver Kalkofe nannte Mentzel Mitte der 90er-Jahre einen Mix | |
aus Tony Marshall, Yeti und überfahrenem Hamster. Das traf es. Und dieser | |
Vergleich machte den Schunkler aus der DDR, der es ins Fernsehen des | |
Mitteldeutschen Rundfunks geschafft hatte, bundesweit berühmt. Denn Mentzel | |
klagte nicht. Anders als der dicke Klaus von Klaus & Klaus, den Kalkofe | |
einst als „Speckbulette“ bezeichnet hatte. Klaus wollte mit seiner Klage | |
große Aufmerksamkeit generieren – und bekam sie nicht. | |
Mentzel machte es anders. Er griff den Fehdehandschuh auf und schrieb in | |
„Achims Hitparade“ mit Kreide „Kalki ist doof“ an eine Schultafel. Es | |
folgte ein Mentzel-Hype. Oder zumindest das, was man so als Hype | |
bezeichnete, als das Internet noch klein und unbedeutend war: Es gab | |
T-Shirts mit Mentzels Konterfei darauf und dem Spruch: „Fernsehen macht | |
schön.“ Mentzel trat bei Kalkofe auf und andersherum. „Ich hatte | |
unfassbares Glück, dass Kalki mich verarscht hat“, sagte Mentzel 2009 im | |
taz-Interview. Durch dick und dick gingen Kalkofe und Mentzel fortan: | |
gemeinsam gegen die Angepasstheit im deutschen Fernsehen. | |
Dabei lebte Achim Mentzel alles andere als unangepasst. Fast spießig wohnte | |
er mit Frau und Sohn am Rand von Cottbus. Einfamilienhaus. Rosa Schweinchen | |
im Wohnzimmer, Fernseher auf der Terrasse und Gartenzwerge auf dem Rasen. | |
## Ein bisschen Beckenbauer | |
Die wilden Jahre lagen schon weit hinter ihm. Damals, 1965, als Mentzel mit | |
seiner Rockband durch Ostberlin tourte, begleitet von Dutzenden | |
Krawallmachern – und ein landesweites Auftrittsverbot erhielt. Erst in den | |
70er-Jahren durfte Mentzel wieder spielen, trat einmal sogar in Westberlin | |
auf – und haute ab. Nicht aus politischen Gründen. Seine Frau hatte ihn mit | |
einer anderen im Bett erwischt. Da blieb er halt drüben. Und ließ Frau und | |
Kind zurück. | |
Auch das war er, der Achim. Fünf leibliche Kinder von vier Frauen hatte er. | |
Dazu drei, die seine letzte Frau Brigitte mit in die Ehe gebracht hatte. Er | |
war ein bisschen wie Franz Beckenbauer. Nur ohne die große Kohle, ohne die | |
Abgehobenheit, ohne WM-Affäre. Bodenständiger halt. Hier Uns Achim, dort | |
Kaiser Franz. Im Geiste vereint, aber in unterschiedlichen Sphären groß | |
geworden. | |
Mentzel hielt es nicht lange aus in der BRD. „Ich war auf dem Arbeitsamt | |
und sagte, dass ich Sänger sei, Gitarre spiele, einen losmachen will. Der | |
Beamte meinte nur: ‚Gaukler und Fallensteller haben wir genug.‘ Der Satz | |
hat mich völlig fertiggemacht.“ Also machte Mentzel wieder rüber, saß kurz | |
wegen Republikflucht im Knast, lernte Nina Hagen kennen, spielte mit ihr in | |
Fritzens Dampferband, hatte mit Songs wie „Gott sei dank ist sie schlank“ | |
Chart-Erfolge, sang Hymnen für die Fußballklubs Union Berlin und Energie | |
Cottbus, landete Mitte der 80er beim Fernsehen, moderierte „Ein Kessel | |
Buntes“ und wurde als Teil der DDR-Fernsehkonkursmasse vom MDR übernommen. | |
Bis 2006 bespielte er mit „Achims Hitparade“ nahezu alle ostdeutschen Orte. | |
Dann war plötzlich Schluss. Achim Mentzel passte nicht mehr ins | |
pseudoverjüngte Schlagerfach. Meinte man zumindest beim MDR. | |
## „Selbstironie bewiesen“ | |
Was blieb, war und ist Material, an dem sich nicht einmal mehr Kalkofe | |
richtig reiben kann. Die neuen ModeratorInnen sind zu glatt, zu | |
quotenoptimiert. Da passte ein Spaßmacher, der einfach nur Spaß machte um | |
des Spaßes Willen, nicht hinein. „Du hast Humor und Selbstironie bewiesen, | |
als die meisten TV-Schaffenden dies noch für eine Krankheit hielten“, | |
schreibt Kalkofe in einem Nachruf auf seiner Facebookseite. | |
In einer von Kalkofes letzten Shows 2015 tauchte Mentzel wieder auf. Er | |
hatte einen Werbespot für Shop24Direct gedreht. An sich schon ein | |
Verbrechen gegen den guten Geschmack. Aber dann auch noch für die | |
CD-Sammlung „Stimmungshitparade der Volksmusik“? Mentzel schickte schon mal | |
seine Original-Jacke aus dem Werbespot an Kalkofe. „Ich kenne kein anderes | |
Parodie-Opfer weltweit, das seinem Peiniger für die korrekte Verarschung | |
noch selbst die Klamotten schickt“, schreibt Kalkofe. | |
Achim Mentzel ist am Montag im Alter von 69 Jahren gestorben. | |
5 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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