| # taz.de -- Erstes Album der Wainwright Sisters: Licht im Dunkel | |
| > Auf ihrem Folkalbum „Songs in the Dark“ singen die Halbschwestern Martha | |
| > Wainwright und Lucy Wainwright Roche Wiegenlieder. | |
| Bild: Nicht nur inhaltlich eine sehr persönliche Angelegenheit: das Album der … | |
| Das Geheimnis für den Zusammenhalt des Wainwright-Clans: Seine Mitglieder | |
| geigen sich via Lied unverblümt die Meinung und sprechen Dinge aus, die in | |
| anderen Familien streng gehütete Geheimnisse bleiben. Bisher am | |
| imposantesten war die Abrechnung der kanadischen Singer-Songwriterin Martha | |
| Wainwright mit ihrem Vater, Loudon Wainwright III, in dem Song [1][“Bloody | |
| Mother Fucking Asshole“] (2005), in dem sie sich über seinen Empathiemangel | |
| ausließ. | |
| Auf ihrem neuen Album [2][“Songs in the Dark“] singt sie nun zusammen mit | |
| ihrer Halbschwester Lucy Wainwright Roche „Lullaby“, ein Schlaflied, das | |
| der gemeinsame Vater Loudon 1973 komponiert hat. Die sachte Melodie und die | |
| freundliche Intonation, dazu das zarte E-Piano mit einigen | |
| Mundharmonika-Einsprengseln, stehen in krassem Gegensatz zum Text: „Shut up | |
| and go to bed ... I’m sick and tired of all your worries.“ | |
| Lucy und Martha wuchsen in getrennten Haushalten auf, wurden von ihren | |
| Müttern, der 2010 verstorbenen Singer-Songwriterin Kate McGarrigle (Martha) | |
| und der The-Roches-Sängerin Suzzy Roche (Lucy) aber mit denselben Liedern | |
| in den Schlaf gesungen. Dabei wird die im schunkelnden Rhythmus angedachte | |
| Freigabe des besungenen Kinds zur Adoption den am Stock gehenden Müttern im | |
| [3][“Baby Rockin Medley“] von Rosalie Sorrel mehr Erleichterung verschafft | |
| haben als den kleinen Schreihälsen. | |
| „Songs in the Dark“ sind klassische Americana, Schlaflieder und | |
| Traditionals. Sie bestechen in ihrer sparsamen akustischen Instrumentierung | |
| und mit Gesang in einer Klarheit und punktgenauen Interpretation, die | |
| niemals ins Sentimentale abglitscht. Wainwrights leicht belegte und | |
| bisweilen unheimlich anmutende Stimme harmoniert bestechend mit der | |
| glockenhellen ihrer Halbschwester. Der Auftaktsong „Prairie Lullaby“ von | |
| Country-Legende Jimmy Rogers verbreitet eine freiheitliche Stimmung, dass | |
| das Sternenzelt sichtbar wird und man den Cowboykaffee, der seit Stunden | |
| auf dem Lagerfeuer pröttelt, riechen kann. | |
| ## Höflich-fiese Antiwiegenlieder | |
| Das Traditional „Long Lankin“ wird bis auf ein paar akzentsetzende | |
| Glockenschläge von mehreren Mitgliedern des Wainwright-Clans à capella | |
| gesungen, arrangiert im Stil klassischer englischer Kirchenlieder. Auf | |
| ihrer Version von Townes van Zandts „Our Mother the Mountain“ (1969) treibt | |
| eine kraftvolle akustische Gitarre den angriffslustigen Gesang an, die | |
| Stimmen der Wainwrights reiben sich mit Nachdruck, was die beiden | |
| Sängerinnen wenige Töne später entspannt zu reinem Wohlklang auflösen. | |
| Gleich zweimal in dieser geschmackvoll ausgewählten Zusammenstellung | |
| tauchen Songs des Briten Richard Thompson auf – dessen Antiwiegenlied „End | |
| of the Rainbow“ bei den Wainwrights um eine höflich-fiese Facette erweitert | |
| ist: Die Textzeile „There’s nothing to grow up for“ wird zu einer | |
| ernstzunehmenden Ansage. Interpretiert wird auch ein Song von Lucys Tante | |
| Terre Roche – deren „Runs in the Familiy“ auf dunkle Familienereignisse | |
| anspielt, worauf der ätherische Gesang aber eher nicht schließen lässt. | |
| Eher unbekannt ist der Peruaner Daniel Alomia Robles, sein 1913 | |
| entstandener Musicalsong [4][“El Condor Pasa“] wurde jedoch [5][in der | |
| Version von Simon & Garfunkel berühmt]. Die [6][Wainwrights versehen in | |
| ihrer Version den Gesang mit Hall und verzichten auf die Panflöte], was dem | |
| Song Weite und erhabene Traurigkeit verleiht und damit wie nebenbei der | |
| Worldmusic-Version von Simon & Garfunkel die pathetische Weltversteherluft | |
| ablässt. Das Video zum Song triggert zunächst eher apokalyptische Emotionen | |
| an, die aber durch Wainwrights spielende Kinder zuversichtlich aufgelöst | |
| werden. | |
| „Songs in the Dark“ ist nicht nur inhaltlich eine sehr persönliche | |
| Angelegenheit – Marthas Ehemann Brad Albetta hat das Album produziert, Bass | |
| und Keyboards gespielt, Geschwister sangen oder spielten mit – nur nicht | |
| Bruder Rufus, dessen Hang zur Diva hier auch schwerlich gepasst hätte. | |
| Durch die selbstironische Mutterrollenbespiegelung und der entwaffnenden | |
| Credibility der Wainwright Sisters sind die „Songs in the Dark“ dazu | |
| angetan, Licht ins Dunkel zu bringen. | |
| 23 Dec 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.youtube.com/watch?v=Cjy71RPGnkA | |
| [2] https://www.youtube.com/watch?v=WRJu1QEdxZM | |
| [3] https://www.youtube.com/watch?v=3EF9GSBcWUA | |
| [4] https://www.youtube.com/watch?v=88lzmV2Iuds | |
| [5] https://www.youtube.com/watch?v=Np-LnAv815k | |
| [6] https://www.youtube.com/watch?v=4DziOJcacyE | |
| ## AUTOREN | |
| Sylvia Prahl | |
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