Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Chinesische Feuerwerksindustrie: In der Welthauptstadt der Böller
> In Liuyang knallt es das ganze Jahr. Hier wird mehr als die Hälfte des
> weltweit abgebrannten Feuerwerks hergestellt. Doch das Geschäft kriselt.
Bild: Die Herstellung von Feuerwerk hat in Liuyang eine lange Tradition.
LIUYANG taz | Die Bewohner von Liuyang sind das ohrenbetäubende Geknalle
den ganzen Tag über gewöhnt. Doch so richtig laut wird es, wenn die
Dunkelheit kommt. Dann zischt und heult es aus allen Ecken. Während unten
die Böller explodieren, zerplatzen am abendlichen Himmel bunte
Feuerwerkskörper.
Hier wird jedoch keineswegs Silvester gefeiert. Es gibt auch sonst keinen
besonderen Anlass. In der Anderthalbmillionenstadt in der
südostchinesischen Provinz Hunan geht es das ganze Jahr über so ab.
Geknallt und geböllert wird, um Kunden und Pyrotechnikern aus aller Welt
die aktuellen Produkte anzupreisen. Denn Liuyang ist die Hauptstadt des
Feuerwerks.
Mehr als die Häfte der weltweit verkauften Chinaböller, Heuler und
Feuerwerksraketen werden hier hergestellt. Offiziellen Angaben zufolge
arbeitet fast ein Drittel der Stadtbewohner in den über zehntausend
Fabriken, die ausschließlich Feuerwerk produzieren.
Chen Xin ist einer dieser Feuerwerksfabrikanten. „Ja, die letzten Wochen
haben wir für das Silvestergeschäft in Europa auf Hochtouren gearbeitet“,
sagt er. Doch das ganz große Geschäft komme erst danach: das chinesische
Neujahrsfest. Es wird dieses Mal Anfang Februar begangen. Mehr als 200.000
Tonnen Feuerwerk hätten die Chinesen vergangenes Jahr in die Luft
geschossen. Der Europa-Umsatz sei nicht einmal halb so groß.
## Vom Experimentieren zur Großindustrie
Die Feuerwerksindustrie hat in Liuyang eine lange Tradition. Der Legende
nach soll hier in der Song-Dynastie vor mehr als 1.400 Jahren ein Mönch
erstmals mit Schwarzpulver experimentiert und den Bewohnern der Stadt eine
bunte Lichtshow am Nachthimmel vorgeführt haben. Alte Bildrollen bezeugen,
dass die Branche bis spätestens zum 17. Jahrhundert zu einer Großindustrie
herangewachsen war.
Ab 1875 begann die Stadt, ihre hochexplosive Ware auch ins Ausland zu
exportieren, zunächst nach Japan, Korea, Indien, Persien und Russland,
später auch in die USA und nach Europa. Seit der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts kennen die Europäer überhaupt erst Chinaböller und
Feuerwerksraketen.
In Europa hat sich seitdem die Tradition durchgesetzt, vor allem in der
Silvesternacht zu knallen. In den USA wird der Nachthimmel zum
Nationalfeiertag am 4. Juli mit dem Schwarzpulvergemisch erleuchtet. In
China böllert man rund um das chinesische Neujahrs- und Frühjahrsfest – und
das bis zu vier Wochen lang.
Auch die Vorlieben unterscheiden sich. Während Amerikaner und Europäer vor
allem die bunten und hell erleuchteten Raketen mögen, finden in China
ausschließlich Knallkörper reißenden Absatz. Je lauter, desto besser. Denn
die Chinesen glauben, dass sie mit dem Lärm die bösen Geister vertreiben.
Das zeigt sich auch in den Lagerstätten. Für den deutschen Markt etwa sind
vor allem kleine Raketen und Handfeuerwerk sauber in Plastik eingepackt.
Die besonders dicken zu Batterien zusammengeklebten Böller sind für den
heimischen Markt vorgesehen.
## Härtere Kontrollen nach schweren Explosionen
Derzeit durchläuft die Branche allerdings eine ernsthafte Krise. Seit
[1][Smog und Feinstaub in weiten Teilen Chinas offiziell als Problem]
erkannt sind, haben zahlreiche Städte die Verwendung von Feuerwerk
eingeschränkt. Die Hauptstadt Peking hatte das private Böllern im
vergangenen Jahr an einigen Tagen wegen der hohen Luftbelastung sogar
komplett verboten. „Die Nachfrage ist für dieses Jahr deutlich
zurückgegangen“, beklagt sich Chen.
Überschattet wird das Geschäft zusätzlich [2][von der schweren
Explosionskatastrophe im August.] Ein Chemielager in der Hafenmetropole
Tianjin war in die Luft gegangen. Die Sicherheitsvorkehrungen waren nicht
eingehalten worden. 170 Menschen kamen ums Leben. Seitdem greifen die
chinesischen Behörden landesweit mit harten Kontrollen durch.
Auch in Liuyang kam es in den letzten Jahren immer wieder zu schweren
Explosionen in den Feuerwerksfabriken. Bereits in den 90er Jahren hatten
die örtlichen Behörden wegen unzureichender Sicherheitsvorkehrungen mehrere
tausend Fabriken schließen lassen. Trotzdem explodierte erst vor einem Jahr
erneut ein Gebäude, es gab 12 Tote und 33 Verletzte.
30 Dec 2015
## LINKS
[1] /Drohnen-ueber-Peking/!5261488/
[2] /Explosionskatastrophe-von-Tianjin/!5224851/
## AUTOREN
Felix Lee
## TAGS
Silvester
China
Feuerwerk
Umwelt
Smog
Silvester
Aldi Süd
Drohnen
Smog
Luftverschmutzung
China
Feinstaub
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar Jahreswechsel: Vergesst 2016!
Kein Mensch brauchte 2015. Und 2017 wird genauso unnötig wie 1994 war. Oder
432 vor Christus. Ja, aber? Ach. Machen Sie sich frei.
Kommentar Feuerwerks-Set von Aldi Süd: Power-Bomben-Raketen-Set Dresden
Bei einem Discounter gibt‘s das Böller-Sortiment „Paris“. Das ist mehr a…
geschmacklos. Die Sprecherin von Aldi Süd sieht das anders.
Drohnen über Peking: Der Himmel über China
Drohnen kämpfen in China gegen Smog, sprühen Pestizide, überwachen
Menschen. Um sie zu steuern, braucht man einen Flugschein.
Erstmals höchste Smog-Warnstufe: Pekings Schulen bleiben zu
300 Mikrogramm Feinstaub finden sich aktuell in einem Kubikmeter Luft in
Chinas Hauptstadt. Die Fabriken sind geschlossen, der Straßenverkehr wurde
eingeschränkt.
Leben in der Giftwolke: Peking grüßt Paris
In Chinas Hauptstadt trauen sich die Menschen kaum noch auf die Straße.
Unser Korrespondent sieht trotzdem Licht am Ende des Klimagipfels.
Dicke Luft in Peking: 2.100 Fabriken müssen schließen
Über Chinas Hauptstadt hängt eine Smogwolke. Die Behörden raten: zuhause
bleiben oder nur mit Atemmaske auf die Straße. Der Verkehr läuft weiter.
Gefährliche Feinstaubbelastung in China: Warnstufe „Orange“
Die Feinstaubbelastung in Peking steigt weiter an. Die Wetterbehörde warnt
Menschen vor dem Aufenthalt im Freien.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.