| # taz.de -- Neues Star-Exponat: Sexy Rexy | |
| > Die Massen werden ihn lieben: „Tristan Otto“, 66 Millionen Jahre alt. Der | |
| > Tyrannosaurus Rex wartet ab sofort im Naturkundemuseum auf Besuch. | |
| Bild: Auch nach 66 Millionen Jahren noch ein verführerisches Lächeln: Tyranno… | |
| Jeder kennt die Saurier-Skelette, die seit Jahrzehnten im Lichthof des | |
| [1][Berliner Naturkundemuseums] stehen. Gewaltig sind sie, aber fast schon | |
| ein bisschen langweilig. Was nicht nur an den computergenerierten | |
| Film-Dinos liegt, die quicklebendig vor unserem inneren Auge herumspringen, | |
| sondern auch daran, dass die neoklassischen Säulchen und Kapitelle des | |
| Museums den Gerippen gehörig die Schau stehlen. | |
| „Tristan Otto“ hat es da besser: Der Tyrannosaurus Rex, seit heute | |
| offiziell an der Invalidenstraße zu besichtigen, ist perfekt inszeniert. | |
| Die Ornamentik des Saals, den er ganz für sich hat, tritt im Halbdunkel | |
| zurück, umso dramatischer klafft sein von Punktstrahlern ausgeleuchtetes | |
| Maul den Besuchern entgegen. Fressbereit steht er da auf seinen gewaltigen | |
| Hinterläufen, ein Gebirge aus schwärzlich glänzenden Wirbeln, Rippen und | |
| Zähnen, 12 Meter lang, vier Meter hoch, nur die krallenbewehrten Ärmchen | |
| wirken lächerlich klein. | |
| Am Mittwoch wurde das rund 66 Millionen alte T-Rex-Skelett mit großem | |
| Brimborium den Medien präsentiert, Museumsdirektor Johannes Vogel, dank | |
| seines Zwirbelbarts ohnehin schon ein Hingucker, trug zur Feier des Tages | |
| eine Krawatte mit dem Logo der Ausstellung – einem Zahnpaar von „Tristan | |
| Otto“. Um die 70 Mitarbeiter des Museums waren an der Entstehung der Schau | |
| beteiligt, die neben dem Skelett als Mittelpunkt auf moderne | |
| Ausstellungsmedien setzt, Schaukästen mit Touchscreen-Funktion und Videos, | |
| die auf im Raum schwebende milchige Plexiglasscheiben projiziert werden. | |
| „Das ist eine Ausstellung, wie Sie sie noch nicht gesehen haben und ich | |
| auch nicht“, sagte ein stolzgeschwellter Museumschef in seiner Ansprache. | |
| Möglich wurde sie, weil vor ein paar Jahren ein Anruf kam, der laut | |
| Projektleiter Uwe Moldrzyk kaum unwahrscheinlicher hätte sein können: Da | |
| wurde dem Museum nicht nur ein echter Saurier angeboten, sondern gleich ein | |
| Tyrannosaurus, und dann auch noch mit einem so gut wie vollständig | |
| erhaltenen Schädel. Ein weltweit einzigartiges Exponat. | |
| Ausgegraben hat „Tristan Otto“, dessen Körper mit 170 von 300 Knochen auch | |
| vergleichsweise komplett ist, der Paläontologe und „Saurierjäger“ Craig | |
| Pfister in der sogenannten Hell-Creek-Formation im US-Bundesstaat Montana. | |
| Gekauft hat ihn Niels Nielsen, ein dänischstämmiger Investmentbanker und | |
| Steuerberater aus London, der sein Geld lieber in historische Dokumente und | |
| Fossilien als in schnelle Autos investiert. Wie viel ihm „Tristan Otto“, | |
| den er nach seinem Sohn und dem Sohn eines Freundes und Miteigentümers | |
| benannt hat, wert war, sagt Nielsen nicht. Aber er wollte, dass sein | |
| Eigentum angemessen der Öffentlichkeit präsentiert und wissenschaftlich | |
| untersucht wird. Beides kann das Naturkundemuseum leisten. Nielsen findet | |
| sogar: „It could‘nt have been done anywhere else.“ | |
| Tatsächlich ist das Naturkundemuseum nicht nur Ausstellungsort, sondern | |
| seit 2009 auch Leibniz-Institut für Evolutions- und | |
| Biodiversitätsforschung. Und das Paläontologen-Team um Uwe Moldrzyk wird | |
| die kommenden drei Jahre, die der T-Rex mindestens als Leihgabe bleiben | |
| darf, nutzen, um dessen versteinerte Einzelteile mit High-Tech zu | |
| erforschen. Etwa mit einem besonders leistungsfähigen CT-Scanner, den die | |
| Charité zur Verfügung stellt. Seine Bilder sollen unter anderem Auskunft | |
| über Hohlräume in den Knochen geben, eine Eigenschaft, die viele | |
| Saurierarten mit heutigen Vögeln teilten, und die ein Indiz für ihre | |
| Lebensweise sein kann. | |
| ## „Dieses Ding hat gefressen“ | |
| Auch für Projektleiter Moldrzyk ist dieser Saurier etwas ganz Besonderes. | |
| „Andere Häuser präsentieren Skelette als Plastikabgüsse, und das ist auch | |
| legitim“, erklärt er. „Aber Sie erkennen den Unterschied, wenn sie die | |
| Augen der Besucher sehen, die ein solches Original betrachten und wissen: | |
| Dieses Ding hier hat vor 66 Millionen Jahren gelebt und gefressen.“ | |
| Moldrzyk und seine KollegInnen erwarten aber auch Erkenntnisse aus | |
| Material, das weniger spektakulär anmutet. Sie haben es von einer Reise zum | |
| Ausgrabungsort im Norden der USA mitgebracht, es enthält fossilierte | |
| Fischschuppen oder Pflanzenreste, an denen sich ablesen lässt, wie das | |
| Habitat von „Tristan Otto“ ausgesehen hat. Auf Basis dieser | |
| Forschungsergebnisse soll die Ausstellung über die Jahre weiterwachsen. | |
| Zum Schluss muss – auch 20 Jahre nach „Jurassic Park“ – die Frage der | |
| Fragen erlaubt sein: Wird man jemals Saurier aus historischem DNA-Material | |
| nachzüchten können? Oliver Hampe, im T-Rex-Team zuständig für die | |
| „Paläopathologie“, also Erkrankungen und Anomalien des Skeletts, winkt ab. | |
| „Mammuts wird man vielleicht klonen können, möglicherweise auch das | |
| südamerikanische Riesenfaultier.“ Diese Arten seien aber erst vor mehreren | |
| tausend Jahren ausgestorben, kein Vergleich zu den Sauriern. Deren | |
| organisches Material habe seine Struktur komplett verändert, erklärt Hampe. | |
| „Aber auch wenn sich nur die Formen in diesem Prozess so gut erhalten haben | |
| wie hier, dann ist das faszinierend genug.“ | |
| 16 Dec 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.naturkundemuseum.berlin/ | |
| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
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