| # taz.de -- Berliner Szenen: Signatur: 10 C 72 c 1 | |
| > Für eine Reise nach Bosnien braucht es manchmal nur: einen | |
| > Bibliotheksausweis. Und vielleicht noch: ein bisschen Zufall. | |
| Bild: Hier fuhr der Bus ab, in Mostar, in Bosnien und Herzegowina. | |
| Vor einigen Wochen stand ich in der Abteilung für Reiseführer der | |
| Amerika-Gedenkbibliothek in Kreuzberg. Ich war gerade auf der Suche nach | |
| einem Berlin-Reiseführer – der jährliche Besuch meiner Eltern stand kurz | |
| bevor. Und die wollten diesmal nicht nur Currywurst essen. | |
| Statt vor den Büchern über Berlin landete ich jedoch vor denen über | |
| Bosnien. Zwischen all den grellbunten Buchrücken stand dort, ganz | |
| unscheinbar, ein mattroter. Der gehörte nicht hierher. Ein kluger | |
| Bibliotheksmitarbeiter musste Juli Zehs Roman „Die Stille ist ein Geräusch. | |
| Eine Fahrt durch Bosnien“ hier einsortiert haben. | |
| Aber das war nicht alles. Beim Aufschlagen fielen zwei Bustickets aus dem | |
| Buch. Bustickets auf Serbokroatisch, datiert auf den 17. 7. 2015, von | |
| Mostar nach Kotor, Abfahrt 16 Uhr. Das Buch hatte also tatsächlich eine | |
| Fahrt durch Bosnien und Herzegowina hinter sich! | |
| Und es sah auch ein bisschen abenteuerlich aus: Auf den letzten zehn Seiten | |
| waren dunkelrote Flecken. An der Seite war es orange gesprenkelt. | |
| Bosnisches Essen? | |
| Und auf der ersten Seite hatte jemand die Widmung mit Bleistift übersetzt. | |
| Dort stand: „Für W., mit dem ich das ganze Leben reisen möchte.“ Das klang | |
| aufregend. | |
| Als ich das Buch auslieh, sagte mir die Dame von der Bibliothek übrigens, | |
| dass es aus irgendeinem Grund nicht „offiziell wieder eingecheckt“ wurde | |
| und eigentlich noch immer ausgeliehen sei. Der Vorbesitzer muss es also | |
| einfach so zurückgestellt haben – zwischen all die Reiseführer. | |
| Mehr konnte ich darüber leider nicht erfahren. Aber ich habe das Buch | |
| gelesen. Wenn Sie es vielleicht auch lesen oder diese schönen Bustickets | |
| sehen wollen: Donnerstag habe ich es wieder in die Bibliothek | |
| zurückgebracht. Es hat die Signatur: 10 C 72 c 1. | |
| 4 Dec 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Christine Stöckel | |
| ## TAGS | |
| Berliner Szenen | |
| Bosnien und Herzegowina | |
| Mostar | |
| Fahrrad | |
| Berliner Szenen | |
| Juli Zeh | |
| Berliner Szenen | |
| Sigmund Freud | |
| Ostern | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Berliner Szenen: Tschüss, Sonja | |
| Wir hatten eine gute Zeit – ich und Sonja. Wir fuhren durch Pfützen und | |
| überholten Rennrad-Hipster. Doch dann veränderte sich etwas. An einem | |
| Freitag. | |
| Berliner Szenen: Ein Nishiki auf Reisen | |
| Wie meine Katze einmal ein Hipster-Rennrad zum Geburtstag bekam und damit | |
| nur Schabernack zu veranstalten wusste. | |
| Neuer Roman von Juli Zeh: Da stinkt doch was in Unterleuten | |
| In ihrem Roman „Unterleuten“ entwirft Juli Zeh eine dörfliche | |
| Gesellschaftsstruktur, die in Schieflage gerät, als ein Windpark gebaut | |
| werden soll. | |
| Berliner Szenen: Phallus Gorbatschow | |
| Die U7 fährt einmal quer durch die Stadt. Lang genug für eine Klassenfahrt | |
| oder ein bisschen Beziehungstheater. | |
| Berliner Szenen: Zwei Absagen, ein Tag | |
| Es ist wie verhext, wenn man den Fahrradschlüssel verliert. Was will uns | |
| das Unbewusste damit bloß sagen? | |
| Berliner Szenen: Weiblich, rosafarben, 1,20 Meter | |
| Wo man den Osterhasen am allerwenigsten erwartet? Vor dem Berghain in | |
| Berlin, gleich neben dem Nirgendwo. Eine Begegnung. |