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# taz.de -- Hambugrer erfindet Super-Rodel: Der Mann mit dem geilen Schlitten
> Der Hamburger Sven Wagner baut oft selbst, was er so braucht. jetzt
> erfand er einen Schlitten, der 140 Stundenkilometer schafft.
Bild: Kann so unglaublich schnell fahren: Sven Wagners neuer Superschlitten
Seine Werkstatt steht unter offenem Himmel: ein stählerner Werktisch mit
Schraubstock unter einem schmalen Vordach, ein paar Meter weiter ein
Verschlag mit Schraubenschlüsseln, Bohrern, Gewindeschneidern. Ein Eisvogel
fliegt vorbei und stößt sich mit einem stumpfen Ton den Kopf an einer
aufgebockten Segelyacht. Hier auf dem Gelände eines Seglervereins direkt an
der Bille im Hamburger Osten hat Sven Wagner etwas ausgetüftelt, das auf
den ersten Blick so gar nicht nach Hamburg passt: einen Super-Schlitten,
will sagen: einen Rodel, der bis zu 140 Sachen schafft.
Ganz so hergeholt ist die Idee für einen Hamburger nicht, schließlich
stellt die Stadt die größte Sektion des Deutschen Alpenvereins. Auch Sven
Wagner ist schon als Kind Ski gefahren. Mit den Jahren verlor er die Lust
daran, wollte aber trotzdem Winterferien machen. Auf dem Weg zu einem
Tauchurlaub in Ägypten habe er die ersten Skizzen angefertigt, erzählt
Wagner. Seiner damaligen Freundin versprach er: „Ich bau‘ uns einen richtig
geilen Schlitten.“
Was auf einer Werkbank vor ihm steht, ist so etwas wie ein
Formel-Eins-Wagen unter den Rodeln. Das gilt für das schlanke Chassis mit
der halb liegenden Sitzposition bis zu den Kosten von voraussichtlich
einigen Tausend Euro für eine künftige Serienversion. Der Rahmen ist mit
Bootslack versiegelt, die Schraubenköpfe sind sauber mit Holzpropfen
abgedeckt und die Ösen für die Federbeine aus mattem Aluminium.
Ein paar Kinderski für die Kufen stehen in einem Plastikeimer neben
Wagners Werkbank, dazu ein paar Holzleisten. Alle größeren Teile, aus denen
der Schlitten besteht, hat Wagner, von Beruf Betriebsschlosser, selbst
hergestellt: Er hat Beschläge gebogen, Bremsbügel geschweißt und in
geduldiger Kleinarbeit aus Furnierholz und Epoxidharz Federbeine aufgebaut.
Das Material stammt aus dem Baumarkt, aber auch ein Frühstücksbrettchen für
das erste Lenkrad war darunter. Jetzt ist er gerade dabei, den
Vorführschlitten für eine Messe schick zu machen. Wagners Vater Volker
kommt mit einer Schraubenhülse an, mit der das Gestänge der Fußbremsen
befestigt werden könnte, wie er findet. „Papa, hier kommt entweder Alu ran
oder Edelstahl“, sagt Wagner ungehalten. Der Teufel steckt im Detail und
Sven Wagner mag nicht, dass an seinem Schlitten etwas rosten kann.
Schließlich baut er ein Wintersportgerät.
Vor zehn Jahren hat sich Wagner den Schlitten einfallen lassen. Die erste
Version hat er als Papiermodell mit seiner Freundin in der Wohnung
ausprobiert. Vor sieben Jahren ein Patent angemeldet für die kleinen
Bremskrallen an den Kufen hinterm Sitz, die per Fußbremse über Bowdenzüge
in den Schnee geschlagen werden. Patentwürdig daran ist die „quer
eingeleitete Bremskraft“. Das gab’s noch bei keinem Rodel.
Die Krallen können tiefer oder weniger tief in die Piste geschlagen werden,
je nach den Schneeverhältnissen. Dazu gibt es für Notfälle eine zentral
platzierte Handbremse. „Man traut sich nur schnell zu fahren, wenn man
anhalten kann“, sagt Wagner. Die Bremsen greifen hinter dem Schwerpunkt des
Rodels, so dass er kaum ausbrechen kann. „Das Ziel ist, die
Fahrtgeschwindigkeit komfortabel bestimmen zu können“, sagt Wagner.
Im österreichischen Obergurgl hat er einmal die schwarze Piste genommen,
ohne zu bremsen. Irgendwann, mitten auf dem Hang, hat er sich das dann
nicht mehr getraut, so stark hatte der Schlitten beschleunigt. Das Ergebnis
waren 140 Stundenkilometer. Der Schlitten stoppte erst, als es auf der
gegenüberliegenden Talseite wieder bergauf ging.
Wagners findet, ein Schlitten sollte fahren wie ein Auto. Im Gegensatz zu
anderen Wintersportgeräten kann man sich einfach reinsetzen und losdüsen.
„Man ist Erstfahrer, aber nie Anfänger“, sagt Wagner. Bei moderater
Geschwindigkeit lasse sich der Rodel so filigran steuern wie ein Auto,
versichert er. Und zumindest ihm selbst bereitet das großes Vergnügen. „Ich
komm’ unten an und kann mich kaum halten vor Spaß und Lachen“, sagt er.
Weil sich das vielversprechend anhört, engagiert sich auch André Bujok vom
Deutschen Erfinderverband (DEV) für das Projekt. Bujok ist „selbstständiger
Konstrukteur“. Er will Wagners Prototypen computergestützt
nachkonstruieren, die Teile optimieren und für die Serienfertigung
vorbereiten. Dazu kommt die betriebswirtschaftliche Kalkulation. „All das,
was ich nicht kann, macht André“, sagt Wagner.
Gemeinsam überlegen sie, wie der Schlitten künftig aufgemotzt werden
könnte. Ein Bordbatterie etwa würde Nachtfahrten erlauben und die
Schuhsohlen des Rodlers heizen. Bujok sieht den Markt für den
Superschlitten vor allem im Leihgeschäft. Bei 20 Euro pro Stunde dürfte
sich die Sache für einen Anbieter lohnen, schätzt er. „Die Liftbetreiber
müssen das wollen“, sagt Bujok. Finanziert werden soll das Ganze durch
Crowdfunding. Bis Ende November wollte Bujok 195.000 Euro einwerben. Am 4.
November waren es 20 Euro.
„Es war nie meine Sache, irgendwas zu erfinden, um damit viel Geld zu
verdienen“, sagt Wagner. Er hat ausgetüftelt, was er selbst gerade
brauchte, etwa eine Vorrichtung, mit der er die mehr als 100 Holzpropfen
zur Schraubenabdeckung rasch absägen konnte. Wagner braucht eine Weile, bis
ihm die ganzen Sachen wieder einfallen, aber dann sprudelt es heraus: vom
Floß zum Heideblütenfest über ein „Spinnennetz“ für unter die Decke, an…
sich an jeder beliebigen Stelle LED-Lämpchen anbringen lassen, bis zum
Unterwasserkameragehäuse reicht die Palette seiner Erfindungen.
Das führt zu der Frage, wie praktisch so ein mannshohes Trumm wie Wagners
„Svenson-Schlitten“ ist. Ein Problem auf der Piste gebe es nicht,
versichert der Erfinder. Schließlich sei der Schlitten leichter zu steuern
und zu bremsen als die anderen Sportgeräte. Und wie kommt er damit auf den
Berg? – Wagner nimmt den Schlitten hoch und hängt ihn sich über die
Schulter. So passe er auch in eine Gondel. „Ein Surfbrett ist auch nicht
handlich“, findet er.
23 Nov 2015
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Wintersport
Rodeln
Behinderung
Fernsehrechte
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