# taz.de -- Das Geschäft mit dem Süßstoff Stevia: Keine Kohle für die Guara… | |
> Konzerne nehmen Milliarden ein, weil die Guaraní einen Süßstoff in | |
> Steviapflanzen entdeckt haben. Aber das südamerikanische Volk geht leer | |
> aus. | |
Bild: Total süß: Stevia. | |
Berlin taz | Entwicklungsorganisationen werfen Coca-Cola und anderen | |
Nutzern von Süßstoffen aus Steviapflanzen Biopiraterie vor. Nicht ein | |
Konzern, sondern das südamerikanische Volk der Guaraní habe entdeckt, dass | |
man mit den Blättern süßen kann, kritisierte unter anderem [1][Misereor am | |
Donnerstag in einem Bericht]. | |
Doch weder die Ureinwohner „als die Träger dieses traditionellen Wissens, | |
noch Paraguay oder Brasilien als die Ursprungsländer dieser Pflanzen | |
erhalten den ihnen zustehenden gerechten Anteil an den Vorteilen“ aus der | |
Vermarktung. Anders formuliert: Den Guaraní sei ihr Know-how über | |
genetische Ressourcen in ihrem Gebiet geraubt worden. | |
Die aus Stevia gewonnene Substanz Steviolglykosid ist zum Beispiel in immer | |
mehr Frühstücksflocken, Tees und Erfrischungsgetränken wie Coca-Cola Life | |
enthalten, seit die EU sie 2011 als Lebensmittel-Zusatzstoff mit der Nummer | |
E960 zugelassen hat. Denn anders als Zucker ist sie quasi kalorienfrei, und | |
im Gegensatz zu manchen synthetischen Süßstoffen steht sie nicht unter | |
Krebsverdacht. Marktforscher haben prognostiziert, dass dieses Jahr | |
weltweit Produkte mit Steviolglykosiden für insgesamt acht bis elf | |
Milliarden US-Dollar verkauft werden. | |
Jedoch wurden 2012 laut Misereor 80 Prozent der Pflanzen in China angebaut | |
– nur fünf Prozent in Paraguay und drei Prozent in Brasilien. Die Gruppen | |
der Guaraní, die Stevia jahrhundertelang genutzt haben, sind den Aktivisten | |
zufolge verarmt und leben in „erbärmlichen Zuständen“. | |
Bald könnten Paraguay und Brasilien selbst ihren bescheidenen Anteil am | |
Stevia-Anbau verlieren. Im kommenden Jahr sollen dem Bericht zufolge | |
Steviolglykoside auf den Markt kommen, die mithilfe von synthetischer | |
Biologie hergestellt werden. Dann bräuchte man keine Pflanzen mehr. | |
Dabei würde den Guaraní nach dem Nagoya-Protokoll der Vereinten Nationen | |
eine Gewinnbeteiligung zustehen, so die Hilfsorganisationen. Das Abkommen | |
verlangt von den Unterzeichnern Gesetze, damit indigene Gemeinschaften | |
etwas von den Vorteilen aus der Nutzung ihres traditionellen Wissens über | |
genetische Ressourcen bekommen. | |
## Aneignung von traditionellem Wissen | |
Aber weder Paraguay noch die USA haben das Protokoll unterschrieben. Die EU | |
hat es in einer Verordnung umgesetzt. Aber sie gilt nur für die Aneignung | |
von traditionellem Wissen nach 2014. Brasilien hat ein umfassenderes | |
Gesetz, das Präsidentin Dilma Rousseff allerdings erst im Mai unterzeichnet | |
hat. | |
Die US-Stevia-Raffinerie Cargill wies die Vorwürfe zurück. „Während | |
indigene Stämme die Blätter der Steviapflanze genutzt haben mögen, hat die | |
Industrie einen Prozess entwickelt, die Steviolglykosidmoleküle zu | |
extrahieren und in weiteren Komponenten aufzubereiten“, hieß es. „Dies | |
schließt jedoch nicht die weitere Nutzung der Steviablätter als solche | |
aus.“ Coca-Cola ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme unbeantwortet. | |
19 Nov 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.misereor.de/blog/2015/11/19/die-neue-suesse-von-coca-cola-und-sc… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
## TAGS | |
Coca-Cola | |
Zucker | |
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