# taz.de -- Süßstoffe: Keine Sünde ohne Reue | |
> Stevia statt dick aber glücklich machendem Zucker? Auch bei exzessivem | |
> Gebrauch von Süßstoffen drohen Nebenwirkungen. | |
Bild: Zuckerwatte kann auch aus Isomalt hergestellt worden sein. | |
Süß liegt mit Sünde im Gleichklang. Der Stabreim bietet sich an für etwas, | |
das auch inhaltlich nicht von der Hand zu weisen ist. Denn Zucker und Honig | |
sind nicht nur süß, sondern auch kalorienreich. Den Schmelz der Zähne | |
greifen sie zudem an. Damit es nicht so weit kommt, damit Karies und Kilos | |
im Zaum gehalten werden, bietet die Chemieindustrie jede Menge Ersatz. | |
Zwei Klassen von Zuckerersatzstoffen gibt es: Süßstoffe und | |
Zuckeraustauschstoffe. Alle gelten auf den ersten Blick als unbedenklich. | |
Sünde ohne Reue. Auf den zweiten Blick sieht es nicht so gut aus. Die | |
Zuckeraustauschstoffe wie Sorbit, Isomalt, Maltit haben etwa halb so viele | |
Kalorien wie Zucker. Für Diabetiker sind sie geeignet, weil sie nur langsam | |
in die Blutbahn gelangen. Kariesfördernd sind sie auch nicht, weil sie für | |
die säurebildenden Bakterien im Mund nicht verwertbar sind. Wohl aber | |
können sie Durchfall verursachen. Höchstwerte sind trotzdem nicht | |
definiert. | |
Mehr Nebenwirkungen können synthetische Süßstoffe haben. Die bekanntesten | |
sind Aspartam, Cyclamat und Saccharin. Sie süßen 30- bis 3.000-mal stärker | |
als Haushaltszucker - ohne Kalorien. Es sind Chemikalien, die die | |
Geschmacksnerven täuschen. Der Körper scheidet sie aus, in den Klärwerken | |
können sie nicht herausgefiltert werden. Über den Wasserkreislauf tauchen | |
sie im Trinkwasser wieder auf. | |
Süßstoffe, die eigentlich beim Abnehmen helfen sollen, können den Appetit | |
anregen. Dies zumindest wird in Tierstudien immer wieder bestätigt. Einige | |
der Süßmittel stehen im Verdacht, Depressionen, andere Krebs zu fördern. | |
Ein Zusammenhang zwischen dem Konsum von Diätlimonaden und Altersdiabetes | |
ist auch nicht vom Tisch. Alles, was Süßstoffe vermeiden sollen, tritt | |
durch die Hintertür wohl wieder ein. | |
Vor allem Aspartam ist stark umstritten. Weltweit ist es in über 9.000 | |
Produkten enthalten. Die amerikanische Zulassungsbehörde für Lebensmittel | |
und Medikamente bescheinigt Aspartam Nebenwirkungen, die sich wie ein | |
Horrorkatalog lesen. Darunter Demenz, Blindheit, Epilepsie, Depression. | |
Weil das alles nicht so rosig ist, sind für Süßstoffe Höchstwerte für den | |
Verzehr ausgegeben worden: etwa für Saccharin 5 Milligramm pro Kilo | |
Körpergewicht täglich und für Aspartam 40 Milligramm. Die Richtgröße für | |
diese Höchstmengen beziehen sich allerdings auf erwachsene Männer. Dies, | |
obwohl vor allem Kinder zur großen Konsumentengruppe aspartamhaltiger | |
Produkte wie Limonaden, Joghurts und Kaugummi gehören. | |
Es gibt noch eine weitere Zuckerersatzstoffgruppe: die aus der Natur | |
extrahierten Süßmittel. Neohesperidin wird aus Zitrusfrüchten gewonnen. In | |
den USA gilt es als gänzlich unbedenklich. Thaumatin wird aus einem | |
afrikanischen Süßholz gewonnen. | |
Für Thaumatin sind in der EU keine Höchstwerte für den Verzehr vorgegeben, | |
anders als im Fall des südamerikanischen Stevia-Krauts. Es hat die | |
dreihundertfache Süßkraft von Zucker. In Japan und der Schweiz ist es | |
zugelassen, in den USA und der EU nicht. | |
Die indianische Bevölkerung Paraguays benutzt Stevia als Süßstoff und | |
Medizin. Angeblich übrigens auch zur Verhütung. Das hat die | |
EU-Nahrungsmittelwächter auf den Plan gerufen. Umstrittene Studien mit | |
Ratten, denen täglich Mengen Stevia bis zur Hälfte ihres Lebendgewichtes | |
verfüttert wurden, führten zum Zulassungsverbot. Die Studien hätten | |
gezeigt, dass die Pflanze die Fruchtbarkeit der Männchen schädigt. Dann | |
eventuell auch die des männlichen Homo sapiens? Nur welcher Mann wird schon | |
kiloweise Stevia essen? | |
21 May 2009 | |
## AUTOREN | |
Waltraud Schwab | |
## TAGS | |
Coca-Cola | |
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