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# taz.de -- Ranking der Fifa: Liste auf Krücken
> Das Team von Belgien auf Platz eins und Frankreich auf 24? Die Rangliste
> des Fußball-Weltverbandes ist absurd. Dabei gäbe es ein alternatives
> System.
Bild: Aus der Sicht der Fifa die Nummer 1 im Männerfußball: Belgien
Berlin taz | Wer vor Kurzem die [1][Aktualisierung der Fifa-Weltrangliste]
las, durfte staunend erfahren, dass die beste Nationalelf der Welt derzeit
Belgien heißt. Die Fifa informierte außerdem, dass die Österreicher aktuell
eines der zehn besten Fußballnationalteams der Welt stellen und dass die
Franzosen (Platz 24) immerhin ein bisschen besser sind als Nordirland.
Wer dieses Ranking anzweifelte, war zumindest in guter Gesellschaft. Denn
die Fifa-Weltrangliste, die seit 1993 mit umstrittenen Methoden versucht,
Fußballnationalteams zu bewerten, wird seit Langem kritisiert.
Die Liste ist von zentraler Bedeutung, denn mit dem Ranking werden die
Lostöpfe für Weltmeisterschaften zusammengestellt. Dass an der Liste
bislang nur wenig verbessert wurde, liegt auch an Passivität: Trainer oder
Funktionäre nahmen die komische Liste meist hin – kritisiert wurde nur,
wenn man selbst betroffen war. Doch jetzt haben auch Wissenschaftler
Interesse am Thema entwickelt.
Andreas Heuer, Professor für Physikalische Chemie an der Uni Münster,
beschäftigt sich nicht nur mit Fußballrankings, sondern hat mit Kollegen
auch ein mathematisches Modell für die Vorhersage von Bundesligaspielen
entwickelt. Glaubt man ihm, reicht die Fifa-Liste tatsächlich nicht aus:
„Das Ranking hat so viele Krückstöcke. Es wird unheimlich viel
rumgetrickst, um das halbwegs hinzukriegen.“ Allerdings sei die Vorhersage
bei Fußballnationalteams deutlich schwieriger als bei Einzelsportarten oder
im Liga-Alltag.
## Tordifferenz wird nicht beachtet
„Die Zusammenstellung von Nationalteams fluktuiert sehr stark“, so Heuer.
„Deshalb gibt es bei Vorhersagen viel größere statistische Fehler als etwa
in der Bundesliga.“ Kann man also überhaupt ein sinnvolles Ranking für
Nationalteams erstellen? Kann man, sagt Heuer. Allerdings hat er ein
anderes Modell im Sinn. Eines, das die Fehler des Fifa-Rankings umgehen
soll.
Die Formel für das Fifa-Ranking setzt sich aus vier Faktoren zusammen: dem
Spielergebnis, der Wichtigkeit des Spiels, der Stärke des Gegners und der
Stärke des Kontinentalverbands. Für das Produkt dieser Größen erhält jede
Mannschaft Punkte. So weit, so plausibel. Dabei gebe es allerdings viele
Probleme. Zum Beispiel: die mangelnde Präzision. „Die Tordifferenz fließt
nicht ins Ranking ein“, so Heuer. Ob 5:0-Kantersieg oder holpriges 2:1 ist
also egal.
Noch wesentlicher: Die punkteträchtigen Kontinentalturniere wie
Europameisterschaft oder Afrika-Cup werden gleich gezählt, obwohl etwa der
Afrika-Cup doppelt so oft stattfindet wie die EM. „Afrikaner haben damit
einen deutlichen Vorteil“, sagt Heuer. Und die Gastgeber von Turnieren, die
gar keine Qualifikation bestreiten, rutschen im Ranking nach unten.
## Das ELO-System
Auch der Vergleich der Kontinente ist holprig. Siege gegen Mannschaften aus
Europa oder Südamerika zählen im Fifa-Ranking mehr als etwa Siege gegen
Afrikaner. Im Prinzip sinnvoll, hat dieses Vorgehen aber bei näherem
Hinsehen seine Tücken. Ein Sieg gegen Andorra ist in der Kontinentalwertung
so viel wert wie ein Sieg gegen Deutschland. Und weil gute
Freundschaftsspiele unter Umständen mehr Punkte bringen als schlechte
Turniere, profitieren Teams, die bislang nicht bei großen Turnieren dabei
waren; Wales oder Nordirland etwa. Heuer plädiert daher für ein anderes
System. „Es gäbe eine bessere Alternative“, sagt er, „das Elo-System.“
Das Rating, benannt nach dem ungarischen Mathematiker und Schachspieler
Arpad Elo und in der ursprünglichen Version ein Schach-Rating, wurde schon
Mitte der neunziger Jahre auf den Fußball zugeschnitten. Es gilt als
präziser und detaillierter.
Denn das Elo-Rating berücksichtige im Gegensatz zur Fifa-Liste Faktoren wie
Tordifferenz und Heimvorteil, so Heuer. Dafür verzichtet Elo etwa auf den
schwammigen Kontinentalvergleich. Stattdessen wird die angenommene
Spielstärke einer Mannschaft in der Elo-Zahl ausgedrückt, die sich etwa aus
Gewichtung des Spiels, Tordifferenz und Erwartungswert zusammensetzt.
Durch den Erwartungswert involviert Elo, anders als das Fifa-System, auch
eine Vorhersage. Am Ende fließen sowohl das erwartete Ergebnis als auch das
tatsächliche Ergebnis in die Wertung ein – so werden etwa Siege gegen
Favoriten belohnt. Laut Entwickler Bob Runyan könne das System nach etwa 30
Spielen verlässlich die Stärke einer Mannschaft abbilden. Andreas Heuer
sagt: „Elo ist Mathematik.“
## Fifa vom eigenen System nicht überzeugt
Heuer selbst testete das Elo-Rating in Bezug auf die Bundesliga. „Die
Qualität war ähnlich gut wie bei unserem eigenen System“, so der Forscher.
Eine Studie von 2012 wies nach, dass Elo zwischen 2006 und 2012 die besten
Vorhersagen im Fußball traf; das Fifa-Ranking hingegen schnitt schlecht ab.
Merkwürdig also, dass die Fifa das Elo-System im Männerfußball offenbar
nicht haben möchte. Noch merkwürdiger jedoch, dass die Fifa im
Frauenfußball ebendieses System verwendet. Als der Weltfußballverband
nämlich im Jahr 2003 eine Frauenweltrangliste einführte, nutzte man dafür
eine Variante des Elo-Ratings. „Die Fifa scheint von ihrem eigenen System
auch nicht so überzeugt zu sein“, so Heuer.
Die Pressestelle der Fifa wollte sich auf Anfrage zu dieser Merkwürdigkeit
nicht äußern. Auch nicht zur Frage, ob Elo irgendwann doch eingeführt wird.
„Ich würde mich jedenfalls nicht wundern, wenn das Elo-System eines Tages
auch im Männerfußball kommt“, sagt Heuer. Wer bis dahin eine präzisere
Weltrangliste sehen will, muss mit der recht unübersichtlichen Seite
[2][www.eloratings.net] Vorlieb nehmen. Dort stehen die Belgier übrigens
auf Platz 9.
17 Nov 2015
## LINKS
[1] http://de.fifa.com/fifa-world-ranking/ranking-table/men/
[2] http://www.eloratings.net/
## AUTOREN
Alina Schwermer
## TAGS
Fifa
Belgien
Fußball
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Fußball
Fifa-Ethikkommission
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
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