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# taz.de -- Verbraucherrechte bei Baudarlehen: Das Ende des Widerruf-Jokers
> Bisher konnte man ungünstige Kredite oft wegen fehlerhafter Belehrung der
> Bank loswerden. Jetzt wird das schwieriger.
Bild: Wer einen Kredit für den Erwerb von Immobilien aufnimmt, kann diesen kü…
FREIBURG taz | Die Bundesregierung will die Widerrufsrechte bei Baudarlehen
deutlich einschränken. Sogar bei bestehenden Verträgen soll ein Widerruf
nur noch bis Mitte Juni 2016 möglich sein. Verbraucherschützer kritisieren
das geplante Gesetz.
Grundsätzlich hat ein Bankkunde, der einen Kredit zur Wohnraumfinanzierung
aufnimmt, 14 Tage Zeit, den Vertrag zu widerrufen. Die Frist beginnt aber
nur dann zu laufen, wenn der Kunde über sein Widerrufsrecht korrekt belehrt
wurde. Bei Verträgen, die zwischen 2002 und 2010 geschlossen wurden, war
dies oft nicht der Fall. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat 3300 Verträge
dieses Zeitraums untersucht, nur in 10 Prozent der Fälle war die Belehrung
korrekt. Bei späteren Verträgen waren die Belehrungen dagegen in der Regel
in Ordnung, weil hier ein Urteil des Bundesgerichtshofs für Klarheit
gesorgt hatte.
Die mangelhafte Belehrung hatte für die Banken missliche Folgen. Der Kunde
konnte den Vertrag auch noch Jahre nach Vertragsschluss widerrufen. Und die
derzeit besonders niedrigen Kreditzinsen machten einen Widerruf attraktiv.
Viele Bankkunden versuchten mithilfe eines Widerrufs, einen teuren Kredit
durch einen günstigen Kredit zu ersetzen. Die Banken sprachen deshalb
abfällig vom „Widerrufs-Joker“.
Gegen dieses Vorgehen, das ihre Kalkulationen durcheinanderbringt, fordern
die Banken schon seit Jahren Schutz. Es solle eine zeitliche Befristung der
Widerrufsmöglichkeit eingeführt werden. Zunächst lehnte Justizminister
Heiko Maas (SPD) jedoch ab. In einem Gesetzentwurf von August 2015 schlug
die Bundesregierung für neue Verträge nun aber doch eine zeitliche
Obergrenze vor. Nur binnen zwölfeinhalb Monaten nach Vertragsschluss soll
künftig ein Widerruf möglich sein – auch wenn der Kunde falsch informiert
wurde. Die Regelung ist in einem Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie
über Wohnimmobilien-Kredite versteckt.
## Obergrenze auch für bestehende Verträge
Doch das war noch nicht alles. Im September regte der Bundesrat an, dass
auch für bereits bestehende Verträge eine Obergrenze eingeführt werden
soll. Spätestens zwölfeinhalb Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes
sollten Bankkunden alte Verträge mit fehlerhafter Belehrung widerrufen.
Die Bundesregierung hat die Anregung inzwischen aufgenommen und sogar noch
verschärft. Schon drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes soll das
Widerrufsrecht für Altverträge erlöschen, heißt es in einer
„Formulierungshilfe“ für den Bundestag. Die Frist liefe dann Mitte Juni
2016 aus. Der rückwirkende Eingriff soll sich auf Verträge beschränken, die
in der fehleranfälligen Phase zwischen 2002 und 2010 geschlossen wurden.
Der Freiburger Verbraucher-Anwalt Andreas Mayer hält die Regelung für einen
Skandal. „Damit hat sich die Bankenlobby auf breiter Front durchgesetzt.“
Ulrich Kelber (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Justizministerium,
verteidigt die Regelung: „Durch eine Erlöschensregelung schaffen wir
Rechtssicherheit und einen Ausgleich zwischen Verbrauchern und Banken.“
Der Widerruf könnte bei Altverträgen also ab jetzt immerhin noch rund ein
halbes Jahr lang erklärt werden. Verbraucherzentralen und spezialisierte
Anwälte können dabei beraten. Doch während sich die Banken früher oft
außergerichtlich mit den Kunden verglichen, lassen sie es jetzt immer öfter
auf einen Prozess ankommen. „Manche Gerichte haben sogar Mitleid mit den
Banken und finden Wege, ihnen recht zu geben“, hat Anwalt Mayer beobachtet.
Möglicherweise wird es deshalb bis Juni 2016 nicht zu einer massenhaften
Nutzung des „Widerrufs-Jokers“ kommen.
## Beanstandung des EuGH erwartet
Noch gravierender ist der Eingriff, der zukünftige Verträge betrifft. Denn
hier soll nach zwölfeinhalb Monaten das Widerrufsrecht verfallen, auch wenn
die Kunden die Fehlerhaftigkeit einer Belehrung noch gar nicht erkennen
konnten – zum Beispiel, weil die Justiz dies erst Jahre später feststellt.
Die Verbraucherschützer vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)
rechnen deshalb damit, dass der Europäische Gerichtshof die neue
Widerrufsfrist beanstanden wird. Immerhin heißt es in der EU-Richtlinie
über Wohnimmobilien-Kredite, dass Sanktionen für Verstöße „wirksam,
verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen. Anwalt Mayer betont: „Bei
fehlerhafter Information des Bankkunden ist das zeitlich unbeschränkte
Widerrufsrecht faktisch die einzige wirksame Sanktion, mit der die Banken
rechnen müssen. Diese darf deshalb nicht beschränkt werden.“ Das
Justizministerium beruft sich aber darauf, dass die EU-Richtlinie keine
konkreten Vorgaben zur Widerrufsfrist macht.
Der Bundestag wird das Gesetz wohl schon im November beschließen.
29 Oct 2015
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Kredite
Immobilien
Banken
Verbraucherschutz
Banken
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