# taz.de -- Verfahrenshindernisse und Falschanklagen: Wenn alle Zeugen schweigen | |
> Der Prozess gegen den Ex-SPD-Sprecher Bülent Çiftlik wird am Montag | |
> fortgesetzt und steht unter schwierigen Vorzeichen. | |
Bild: Im Mittelpunkt: Bülent Ciftlik mit seinen VerteidigerInnen Gabriele Hein… | |
HAMBURG taz | Zum dritten Mal steht Bülent Çiftlik, der frühere Hamburger | |
SPD-Sprecher, derzeit vor Gericht. Ging es zuerst – 2010 vor dem | |
Amtsgericht – nur um den Vorwurf, er habe seine Ex-Freundin Nicole D. aus | |
aufenthaltsrechtlichen Gründen zu einer Scheinehe angestiftet, so geht es | |
inzwischen um viel mehr. Während des ersten Prozesses soll Çiftlik Zeugen | |
zu Falschaussagen verleitet, diese mit ihnen eingeübt und zudem | |
Beweismaterial gefälscht haben. Diese Delikte sind es, die Çiftlik bei | |
einer Verurteilung in den Knast bringen würden. | |
Nachdem der zweite Prozess vor dem Landgericht 2013 platzte, weil Çiftlik | |
nach einem Autounfall nicht aus Indien ausreisen durfte, wird er seit | |
voriger Woche vor dem Landgericht neu aufgerollt. Die ersten Prozesstage | |
vermittelten bereits einen Eindruck, wie die VerteidigerInnen Gabriele | |
Heinecke und Florian Melloh den 43jährigen Çiftlik vor einer Verurteilung | |
bewahren wollen. Zum einen wird der sich nicht zu den Vorwürfen äußern, um | |
keine weitere Angriffsfläche zu bieten. | |
Zum zweiten wird die Verteidigung versuchen das Verfahren zum Platzen zu | |
bringen, weil die Anklagebehörde gegen sämtliche Entlastungszeugen wegen | |
uneidlicher Falschaussage juristisch vorgeht. Nachdem zwei Zeuginnen erst | |
Ciftliks Version der Wahrheit stützten, später aber detailliert | |
beschrieben, wie der Angeklagte sie zur Falschaussage genötigt habe, | |
vermutet die Staatsanwaltschaft, auch die anderen Entlastungszeugen würden | |
für Çiftlik lügen. | |
Diese Zeugen dürfen und werden vermutlich im Prozess die Aussage | |
verweigern, um sich nicht selber zu belasten. Wenn die Zeugen der Anklage | |
aber reden und die der Verteidigung schweigen, sei ein „faires Verfahren“ | |
nicht möglich und ein unüberwindbares „Verfahrenshindernis geschaffen“, | |
sagte Heinecke und fand damit bei Richter Heiko Hammannn Gehör. Der | |
konstatierte „ein ernstes Problem“, sollten Çiftliks Zeugen nicht aussagen, | |
will aber erst einmal abwarten, ob es wirklich so kommt. | |
Der dritte Eckpfeiler der Verteidigungsstrategie besteht darin, die | |
Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeuginnen zu erschüttern. Dabei wird | |
Çiftliks Ex-Freundin Constanze K. im Fokus stehen. Sie hatte sich 2012 vor | |
Gericht genau festgelegt, an welchen Tagen im April 2010 und zu welcher | |
Uhrzeit sie mit Çiftlik zusammen Beweismittel fälschte. Doch an zwei dieser | |
Termine befand sich Çiftlik in großer Runde: einmal bei seiner eigenen | |
Verlobung und einmal bei der Verleihung der „Hamburger Tulpe“, einem Preis | |
für interkulturelles Engagement. Damit ist für Heinecke Constanze K.s | |
gesamte Aussage „unglaubwürdig“ geworden, es sei zudem „irre und extrem | |
einseitig“, dass die Staatsanwaltschaft gerade hier nicht wegen uneidlicher | |
Falschaussage ermittelt. Die aber betonte, sie sehe dazu „keine | |
Veranlassung“. | |
Womit der vierte Eckpfeiler der Verteidigungsstrategie benannt ist: die | |
Diskreditierung von Oberstaatsanwalt Michael Elsner. Der lieferte zu | |
Prozeßauftakt eine Steilvorlage für Heinecke und Melloh, indem er in seine | |
Anklageschrift Vorwürfe einflocht, die das Gericht 2012 ad acta gelegt | |
hatte – auf Antrag von Elstner. „Das war eine rechtswidrige Verlesung der | |
Anklage, um den Angeklagten vor der Presse mit Schmutz zu bewerfen“, klagte | |
Heinecke vorigen Mittwoch und forderte die Ablösung von Elsner, der sich zu | |
seinem Vorgehen vor Gericht bislang nicht äußerte. Richter Hamann gab der | |
Verteidigung weitgehend Recht, nahm aber zu dem Antrag, den Staatsanwalt | |
auszuwechseln, keine Stellung. | |
11 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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