# taz.de -- Roman über Liebhaber: Einer nach dem andern | |
> In ihrem Buchpreis-Kandidaten beschwört Monique Schwitter zwölf | |
> Verflossene herauf. „Eins im Anderen“ ist ein unterhaltsamer | |
> Liebesreigen. | |
Bild: Hat ihr Szenen-Wissen vom Theater: die Schauspielerin und Autorin Monique… | |
Wollte man Monique Schwitters neuem Roman etwas Schlechtes, so könnte man | |
ihm vorwerfen, seine Rahmenhandlung sei konstruiert. Das Setting von „Eins | |
im Andern“ könnte auch eine Anleitung für den originellen, urbanen | |
Liebesroman sein: Frau um die vierzig mit Familie und Schreibberuf kommt | |
beim Schreiben nicht voran. Also googelt sie den Namen ihrer ersten Liebe. | |
Und taucht daraufhin immer tiefer hinab in die eigene amouröse | |
Vergangenheit. | |
Eine emotionale Tauchfahrt, der, einer nach dem anderen, zwölf Männer | |
entsteigen. Zwölf Liebesgeschichten, von der krisengeplagten Ehe bis zur | |
spontanen Triebexplosion auf dem Klo. Zwölf Monate im Jahresreigen, voll | |
mit Hinweisen auf die biblischen zwölf Apostel. Und eine fast schon | |
überdeutliche Reminiszenz an Arthur Schnitzlers Theaterklassiker „Reigen“. | |
Wie bei Schnitzler, so reicht auch bei Schwitter jede Figur, bevor sie das | |
ihr zugedachte Tableau wieder verlässt, einer neuen Figur die Hand. Die | |
reiht sich ein in den Liebesreigen, bis sich am Ende der Kreis wieder | |
trifft. | |
Nein, man kann diesem Roman, wenn man ihn ganz gelesen hat, nichts | |
Schlechtes wollen. Der erzählerische Rahmen funktioniert glänzend. Vom | |
ersten Moment an, als die Protagonistin erfährt, dass ihr Exfreund Petrus | |
sich bereits vier Jahre zuvor aus dem Fenster im achten Stock gestürzt hat. | |
Bis zum Ende, in dem der zwölfte und wichtigste Mann in ihrem Leben seinen | |
Auftritt hat und die vielen Erinnerungsschichten zu einem Fluchtpunkt | |
führt. | |
Das Zwölf-Apostel-Korsett (Schwitter hat den verflossenen Liebhabern ganz | |
konsequent Namen wie Andreas, Josef, Martin und Philipp gegeben) bildet | |
einen Anker für diese wunderbare Geschichte, die an manchen Stellen | |
übersprudelt vor erzählerischem Übermut und an anderen Stellen ruhig | |
dahinfließt. | |
Die Romanheldin, die, im Gegensatz zu den Männern, namenlos bleibt, muss | |
damit zurechtkommen, dass ihr spielsüchtiger Ehemann Vermögen und Vertrauen | |
der Familie verzockt hat. Während sie am Schreibtisch sitzend versucht, die | |
Kontrolle über ihr Leben zurückzugewinnen, bricht, zunächst bruchstückhaft, | |
die Vergangenheit auf sie ein: eine schmerzhafte Jugendwanderung durch die | |
Graubündner Alpen in geliehenen, zu engen Fellstiefeln. | |
Mit der Jugendliebe Petrus und seinen Brüdern auf einem Bauernhof in der | |
Bourgogne: Andreas, dem Mittleren, zerfetzt eine Ratte die Lippe. Später, | |
als Petrus im Ausland ist, verbeißt sich die Heldin in den narbigen neuen | |
Mund. Und vermutlich ist da dann mehr, aber so genau weiß man das nicht. | |
„Im Nachhinein beschrieb ich ihn als nächtlichen Alb, der über mich kam, | |
ohne dass ich es wollte, aber so war es nicht. Ich träumte von ihm, das | |
stimmt, träumte, dass er sich auf und in mir bewegte, und ich fragte mich | |
im Traum, wann denn die Nachbarn endlich die Polizei riefen wegen meines | |
Jauchzens, das so aus mir herauskam, dass es bis nach Kanada zu hören wäre, | |
und ich sagte, pass auf, gleich klingeln die Bullen, und Andreas wollte | |
sich von mir wegrollen, und das wachte ich auf. Ich stand in Petrus‘ Tür. | |
Ich sagte: Kommst du? Und Andreas sagte: Ja.“ | |
## Plumpe Allegorie | |
Es sind solche Ambivalenzen, die diesen auf den ersten Blick durchschaubar | |
angelegten Roman interessant machen. Monique Schwitter, die ihr Handwerk | |
beim Theater gelernt hat, versteht es, Szenen, Stimmungen, Typen plastisch | |
zu modellieren, Atmosphären zu erzeugen. Und sie hat ein feines Gespür für | |
das Innenleben ihrer Figuren. | |
Da ist der schwule beste Freund Nathanael etwa, der traurig und zunehmend | |
ungehalten durch den Wald bei Buxtehude irrt, weil er entscheiden soll, ob | |
seine demenzkranke Mutter dort unter einer Esche bestattet werden soll – | |
neben der Geliebten seines Vaters. Solche Szenen tragen dann auch über die | |
ein oder andere Banalität hinweg: den imaginären Schönling mit den grünen | |
Augen (Achtung, Frauenroman!), die Problemschulklasse, die bei näherer | |
Betrachtung als eine Ansammlung liebenswerter und reflektierter Individuen | |
besteht (Achtung, Sozialkitsch!). | |
Am Ende dieses doppelbödigen Liebesreigens schreibt sich die | |
schriftstellernde Protagonistin selbst ein versöhnliches Ende herbei. | |
Scheußlich allein, man kann es nicht anders sagen, sind die letzten Sätze | |
über die Schuhe der Ich-Erzählerin, die plump als Allegorie für den | |
Reifeprozess herhalten müssen: „These boots are made for walking. Ich habe | |
gehen gelernt.“ | |
5 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Nina Apin | |
## TAGS | |
Roman | |
Buch | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Deutscher Buchpreis: Sechs Finalisten stehen fest | |
Von 20 auf sechs: Die Anwärter auf den Deutschen Buchpreis sind nun | |
bekannt. Darunter befinden sich Jenny Erpenbeck, Ulrich Peltzer und Rolf | |
Lappert. |