| # taz.de -- Artgerechtes Hundefutter: Ganz frisches Fressi | |
| > Im Berliner „Bones for Dogs“ werden Tierteile verkauft, die Menschen | |
| > nicht mögen. Das Frischekonzept für die Zielgruppe Hund wird immer | |
| > beliebter. | |
| Bild: Der moderne Hund mag es roh – und ohne Kohlehydrate. | |
| „80 Kilo Knorpelfleisch und Blättermagen, 30 Kilo Rinder-Kehlköpfe und | |
| anderes Knabberzeug – was noch?“ | |
| Es ist 10:30 Uhr. Holger Huber-Ruf und Christoph Saß, die Betreiber des | |
| Hundefutterladens „Bones for Dogs“ im Berliner Bezirk Friedrichshain, gehen | |
| noch einmal schnell ihre Bestellung durch. Schon in einer Stunde wird ein | |
| Lastwagen aus Sachsen anrollen, voll bepackt mit frischem Fleisch der | |
| Kategorie 3. Fleisch, das für den menschlichen Verzehr nicht zugelassen ist | |
| – und deshalb oft weggeworfen wird. | |
| Bundesweit eröffnen immer neue Fleisch-Boutiquen, die sich allesamt dem aus | |
| den USA stammenden Ernährungskonzept BARF (“Bones And Raw Foods“) | |
| angeschlossen haben. In Deutschland steht die Abkürzung für „biologisch | |
| artgerechtes rohes Futter“. Anhänger dieser Ernährungsphilosophie sind | |
| davon überzeugt, dass die meisten Haustiere, und insbesondere Hunde, nicht | |
| artgerecht gefüttert werden. | |
| „Das, was hier so stinkt, ist der Pansen und der Blättermagen“, sagt | |
| Holger, und erklärt, dass es sich dabei um Teile der Vormägen bei | |
| Wiederkäuern handelt. „Sehr nährstoffreich“, versichert der 47-Jährige. | |
| Nein, er rieche das längst nicht mehr, wirft Christoph ein, während er noch | |
| schnell die Verkaufsfläche sortiert und Dosen neu anordnet. „Da gewöhnt man | |
| sich schnell dran.“ | |
| ## Putenschlund , Rinderpenis | |
| Endlich klopft es an der Tür, die wegen der Fliegen trotz sommerlicher | |
| Temperaturen verschlossen bleiben muss. Hartmut ist da. Der | |
| Frischfleisch-Lieferant im Blaumann und mit breitem sächsischem Akzent hat | |
| seinen Lkw vorgefahren. | |
| Putenschlund, Rinderpenis (“Den kaufen die Kunden gerne zerhackt“), | |
| Speiseröhre, Ohren – Das Sortiment in diesem „Haustierbedarfsgeschäft“ … | |
| äußerst vielfältig. Ganz gemäß dem allgemeinen Foodtrend, wieder das „ga… | |
| Tier“ zu essen, gibt es kaum ein Tierbestandteil, das hier nicht in den | |
| Verkauf geht – und das laut Christoph und Holger in jedem Fall gesünder ist | |
| als jedes Dosenfutter. | |
| Seit 2008 können Berliner Herrchen und Frauchen die Frischfleischtheke | |
| besuchen. „Am Anfang waren das eher so punkig angehauchte Leute, | |
| mittlerweile kommen aber wirklich alle. Kunden, die kein Geld haben, | |
| Kunden, die sehr viel Geld haben – das spielt bei unserer Zielgruppe keine | |
| Rolle“, erklären die beiden Geschäftsinhaber. | |
| Inzwischen haben viele Stammkunden Abos mit fertig zusammengestellten | |
| Rationen. Andere kommen spontan vorbei. Und nach Ladenschluss liefert ein | |
| Mitarbeiter auch noch Bestellungen zu den Kunden nach Hause. Nach einigen | |
| Anlaufschwierigkeiten in den ersten Monaten läuft der Laden heute bestens. | |
| ## Hund auf Augenhöhe | |
| „Die Nachfrage nach dieser Art der Ernährung steigt“, glaubt Christoph, | |
| dessen Oberarm das Konterfei eines Hundes ziert. Grund dafür sei unter | |
| anderem, dass Hundehalter ihr Haustier stärker als früher als sozialen | |
| Partner auf Augenhöhe verstehen – und entsprechend gut behandeln wollen. | |
| Denn durch die Gabe handelsüblicher Tierfutterprodukte können diverse | |
| Krankheiten wie Allergien, Krebs oder aber allgemeine Immunschwäche | |
| ausgelöst werden – so Bones for dogs-Inhaber Holger. „Auch in besseren | |
| Hundefutterprodukten lassen sich Tierbestandteile wie Füße, Schnäbel und | |
| Federn nachweisen“, doch das größte Problem sei der hohe Getreideanteil. | |
| Denn: Der Hund ist ein Nachfahre des Wolfs, der wiederum Getreide | |
| verabscheut, dafür aber stets das ganze Beutetier frisst: „Nur große | |
| Knochen, Haut, Fell und einen Teil des Magen-Darm-Inhalts lassen die | |
| übrig“. | |
| In Deutschland hatte der gesamte Heimtierbedarfsmarkt 2014 ein Volumen von | |
| rund 4,4 Milliarden Euro, wovon rund 1,2 Milliarden Euro auf den Bereich | |
| Hundefutter entfielen. Ein enormer Umsatzkuchen – und so verwundert es | |
| nicht, dass sich auch die konventionellen Anbieter vermehrt auf den | |
| BARF-Trend stürzen. Der Spezial-Händler Fressnapf zum Beispiel bietet mit | |
| seiner Premiumserie „Real Nature Wilderness“ genau das an, was in der | |
| Berliner Frischfleischtheke seit eh und je verkauft wird: Nahrung mit viel | |
| frischem Fleisch ohne Getreide – allerdings zu wesentlich höheren Preisen. | |
| Das BARF-Konzept ist zum Lifestyle-Produkt avanciert und die Hersteller | |
| lassen sich das „Back to the roots“-Lebensgefühl mit bis zu 10 Euro pro | |
| Kilo gut bezahlen. Bei „Bones for Dogs“ beginnen die Preise dagegen bei | |
| knapp 3 Euro. „Es gibt Kunden, die ein Stück Rinderfilet auch mal für sich | |
| selbst mitnehmen“, verrät Christoph Saß. Ob das mit Armut zusammenhängt? | |
| „Kann ich nicht beurteilen.“ | |
| ## Die Fertigfutter-Lobby | |
| Doch es gibt auch BARF-Kritiker wie beispielsweise die Tierärztekammer | |
| Nordamerikas. Sie sagen, dass der Hund längst domestiziert worden sei und | |
| sich an kohlenhydratreiche Ernährung gewöhnt habe. BARF-Verfechter sehen in | |
| dem massiven Gegenwind eher die gelungene Lobbyarbeit der | |
| Fertigfutterhersteller. | |
| Der Industrieverband Heimtierbedarf (IHV) gibt sich auf Nachfrage | |
| unaufgeregt: „BARF ist absolut legitim, wenn dabei die Belange der Tiere | |
| nicht zu kurz kommen“, so Pressesprecher Detlev Nolte. | |
| Gleichzeitig erklärt der Experte, warum Trends wie BARF inzwischen auch in | |
| der industriellen Herstellung angekommen sind: „Die Heimtiernahrung folgt | |
| sehr oft den allgemeinen Ernährungstrends. Das Motto „Was ich habe, soll | |
| auch mein Tier haben“ setzt im Falle von BARF bei einem Anspruch an, | |
| Frische und selbst Hergestelltes miteinander zu verknüpfen.“ | |
| In Berlin-Friedrichshain haben Christoph und Holger inzwischen | |
| Unterstützung von zwei Mitarbeitern bekommen. 30 Stunden pro Woche hilft | |
| Jens im Laden aus, Studentin Elisa arbeitet auf Stundenbasis. Alle zusammen | |
| haben sie mittlerweile Knorpelmix, Kehlköpfe und Co. in den Laden geräumt, | |
| der Lkw ist weiter gerollt. Pünktlich um 12 ist das Bones for Dogs | |
| startklar – und schon öffnet die erste Kundin die Tür. Für ihren Hund | |
| Thorsten besorgt sie eine Handvoll Rinderherzen für 3,40 Euro pro Kilo. | |
| ## Wer ist Rosa von Praunheim? | |
| „Manche denken ja, wir kriegen das Fleisch umsonst, weil es Abfall ist, | |
| aber das ist natürlich Quatsch“, erklärt Christoph, während seine Hände in | |
| einer rötlichen Fleischmasse verschwinden. | |
| Es wird immer voller im Bones for Dogs, und die Kunden nutzen den Einkauf | |
| gerne, um ihre Sorgen loszuwerden. Holger und Christoph hören trotz Stress | |
| und Hektik zu. | |
| „Mach Polly mal Möhrenbrei“, rät Christoph. Die Hündin einer adrett | |
| gekleideten Dame Ende 30 hat schon länger Verdauungsprobleme. Irgendwann | |
| ist es 18 Uhr. Zeit zu gehen. „Kennst Du Rosa von Praunheim?“, fragt Holger | |
| plötzlich. Vor ein paar Wochen sei seine Mitarbeiterin da gewesen, habe | |
| tagelang gefilmt. „Wir hoffen, dass wir bald was sehen.“ | |
| Doch jetzt ist erst einmal Feierabend. | |
| 22 Aug 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Segal | |
| ## TAGS | |
| Tierfutter | |
| Katzen | |
| Mathematik | |
| Hundekot | |
| Katzen | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Gesundes und artgerechtes Tierfutter: Light-Food für Hund und Katze | |
| Am Futternapf wird heftig darüber gestritten: Wie ist eine artgerechte und | |
| nachhaltige Ernährung von Vierbeinern möglich? | |
| Projektionen auf die Mieze: Auf den Hund gekommen | |
| Früher waren Katzen nur Katzen. Heute sind sie Klienten und Konsumenten. | |
| Eine Sammlung. | |
| Wahrnehmung von Gerüchen: Wie riechen Zahlen? | |
| Wissen Sie nicht? Kein Wunder. Versuchen wir doch krampfhaft, durch Zahlen | |
| unsere Welt zu erklären – und verdrängen das Sinnliche dahinter. | |
| Was fehlt ...: ... die Ausbildung zum Spürhund | |
| Kolumne Wir retten die Welt: Der Kot der Köter | |
| Was ist schlimmer: Hundescheiße oder Hundescheiße-Plastikbeutel? Letztere | |
| landen häufiger in der Natur, zeigen Fotos auf der „The Poop Bag Map“. | |
| Alte Katzen zum Weltkatzentag: Max, 19 Jahre, leicht dement | |
| Wenn greise Katzen und Kater raus sind aus dem lustigen YouTube-Clip-Alter | |
| und noch dazu dement, ist das nicht immer komisch. |