# taz.de -- Alarm im Wasserwerk: Perchlorat frisch aus dem Hahn | |
> Über das Wasserwerk Tegel ist eine gesundheitsschädliche Chemikalie in | |
> die Haushalte gelangt. Das wirft einige Fragen auf. | |
Bild: Geheimnisvolles Nass: Manchmal steckt mehr drin, als man sich wünscht. | |
Im Wasserwerk Tegel hat es Anfang des Jahres einen Chemikalien-Alarm | |
gegeben. In einigen der Trinkwasserbrunnen wurden auffällig hohe | |
Konzentrationen von Perchlorat gefunden, einem Oxidationsmittel, das in der | |
Pyrotechnik Anwendung findet, aber auch bei radiologischen Untersuchungen | |
und in galvanischen Prozessen eingesetzt wird. Bereits im November 2014 war | |
die illegal eingeleitete Chemikalie im Klärwerk Schönerlinde nördlich von | |
Berlin nachgewiesen worden. Das bestätigten die Berliner Wasserbetriebe | |
(BWB) der taz. Es sei davon auszugehen, dass das Perchlorat auch ins | |
Trinkwasser gelangt sei, sagte Sprecher Stephan Natz. | |
Im Gegensatz zu anderen Ländern, etwa den USA, gibt es in Deutschland | |
keinen Grenzwert für Perchlorat im Trinkwasser. Die wasserlösliche und | |
schwer abbaubare Substanz kann jedoch eine Gefahr für die Gesundheit | |
darstellen, da sie die Jodaufnahme der Schilddrüse behindert. Nach dem | |
Vorfall im Wasserwerk am Tegeler See hat das Landesamt für Gesundheit und | |
Soziales (Lageso) zumindest einen Richtwert festgelegt. „Dieser liegt bei | |
16 Mikrogramm pro Liter“, so BWB-Sprecher Natz. In den betroffenen | |
Grundwasserbrunnen sei eine Konzentration von 2 Mikrogramm festgestellt | |
worden. Die Wasserbetriebe hatten dies dem Lageso gemeldet. | |
Der Tegeler See ist über seinen Beitrag zum Grundwasser ein riesiger | |
Trinkwasserlieferant. Das Wasserwerk Tegel, das größte der neun Berliner | |
Werke, pumpt hier Grundwasser aus Tiefen zwischen 16 und 130 Metern hoch | |
und bereitet es auf. In Berlin macht sogenanntes Uferfiltrat zwei Drittel | |
des gewonnenen Grundwassers aus. Es handelt sich dabei um Wasser aus einem | |
fließenden oder stehenden Gewässer, das durch verschiedene Bodenschichten | |
ins Grundwasser sickert und dabei gereinigt wird. In den Tegeler See | |
gelangte das Perchlorat laut Natz vom Klärwerk Schönerlinde über den | |
Nordgraben. | |
## Grüne schlagen Alarm | |
Nachdem der Vorfall bekannt wurde, schlägt nun die umweltpolitische | |
Sprecherin der Grünen-Fraktion, Silke Gebel, Alarm. „Ist das Berliner | |
Trinkwasser überhaupt noch sicher?“, fragt sie und verweist auch auf die | |
Sulfate, die aus dem Lausitzer Braunkohlerevier über die Spree nach Berlin | |
kommen. Gebel hat eine Anfrage an den Senat gestellt, die Antwort steht | |
noch aus. Am 4. September veranstalten die Grünen ein Fachgespräch im | |
Abgeordnetenhaus. „Da werden auch die Wasserbetriebe dabei sein“, sagt | |
Gebel. | |
Auch der BUND sorgt sich um die Sicherheit der Berliner | |
Trinkwasserversorgung. „Das Problem ist, dass überhaupt nicht | |
kontrollierbar ist, wer was einleitet“, kritisiert Vorstandsmitglied und | |
Wasserexperte Manfred Krauß. Er stellt die Frage, ob das Berliner System | |
der Trinkwasserversorgung überhaupt noch zeitgemäß ist. „Berlin ist eine | |
wachsende und alternde Stadt. Vor allem Medikamentenrückstände werden | |
dadurch ein immer drängenderes Thema.“ | |
Auf den Vorfall in Tegel reagierten die Wasserbetriebe nach Angaben von | |
Sprecher Natz mit einer „Übergangslösung“: „Wir haben das Wasser im See… | |
sauberem Wasser verdünnt.“ Dazu wurde der Zulauf vom Klärwerk Schönerlinde | |
gekappt, außerdem leitete man Wasser aus der Oberhavel in den See. Um eine | |
weitere Verunreinigung des Trinkwassers zu verhindern, wurde die | |
Förderkapazität des Werks zwischenzeitlich um 20 Prozent reduziert. „Das | |
wurde von den anderen Wasserwerken kompensiert“, versichert Natz. „Es gab | |
keine Versorgungsengpässe.“ | |
Wer das Perchlorat ins Abwasser geleitet hat, haben die BWB nach eigenen | |
Angaben bereits herausgefunden. Einen Namen wollte Sprecher Natz allerdings | |
nicht nennen: „Wir haben Anzeige erstattet. Jetzt liegt der Fall bei der | |
Staatsanwaltschaft.“ | |
2 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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