Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neues Onlinemagazin „Fahrenheit 451“: Mehr Kultur wagen
> Der „Perlentaucher“ debattiert über die Gründung einer neuen digitalen
> Kulturzeitung. Ein lohnender Diskurs.
Bild: Perlentaucher sichtet Tag für Tag die Zeitungen und Journale zu den eins…
Die Lage der Kulturteile in Zeitungen ist prekärer denn je. Das Feuilleton
der FAZ ist dünner als jemals zuvor, das der SZ ist auch schon
Kosteneinsparungen wegen gelichtet worden. Das durchweg ökonomisch
inspirierte Argument war (ist und wird sein) stets das gleiche: Kulturtexte
werden vom Publikum am seltensten gelesen.
Ein Onlineportal allerdings beweist seit anderthalb Jahrzehnten, dass
Kultur und Debatten ein anspruchsvolles Niveau haben können:
[1][Perlentaucher], herausgegeben vom früheren taz- und SZ-Redakteur
Thierry Chervel und von der taz-einstigen Redakteurin Anja Seeliger,
bilanziert Monat für Monat 600.000 Besucher_innen auf seinen Seiten.
Dort finden seit Jahren die wichtigsten (und radikalsten) Diskussionen zu
allen Aspekten des Kulturellen statt. Die Macher sichten Tag für Tag nicht
nur die Zeitungen und Journale zu den einschlägigen Kulturfragen, mehr noch
organisieren seine Redakteure selbst Dispute. Vor Jahren etwa eine in der
Gründlichkeit unübertroffene zum Islam (und zur Religion überhaupt), ebenso
bemerkenswert war eine Essayreihe zum „Monotheismus“.
Ohne einen Zeitungsredakteur in einem Feuilleton beleidigen zu wollen, muss
man sagen: Perlentaucher operiert im hiesigen Kulturfeld so instruktiv und
aufklärerisch wie keine Institution sonst. Das Credo aller Debatten darf so
umrissen werden: Keine Rücksicht auf kulturalistische Empfindlichkeit –
mehr Voltaire, bitte!
## Beliebigkeit des Literaturjournalismus
Die jüngste Debatte allerdings wirkt verstörend. Wolfram Schütte initiierte
am 24. Juni „[2][Über die Zukunft des Lesens]“ eine neue Onlinezeitschrift
namens Fahrenheit 451. Der frühere FR-Kulturredakteur, selbst
journalistisch über die Online-Plattform [3][CulturMAG] engagiert, schlägt
diese digitale Zeitung vor, um vor allem der Beliebigkeit des
Literaturjournalismus beizukommen.
Selbst in den in den vergangenen Dekaden tonangebenden Zeitungen fände nur
noch selten ein echter und ernsthafter Streit um Literarisches statt.
Rezensionen seien viel zu häufig Animationswerk für das ohnehin Übliche,
allzu stark seien die personellen Zuspitzungen, die Hervorhebung des
Autors, nicht des von ihm oder ihr gefertigten Textes.
In der Debatte um den Vorschlag wurde der Vorschlag als faszinierend
notwendig erachtet – vor allem der inzwischen als Merkur-Redakteur
arbeitende Ekkehard Knörer analysierte, nicht viel spreche für das Projekt,
aber insgesamt wäre es schön, würde es sich finanzieren können.
Fragt sich nur: Durch wen? Und für welche Leserschaft? Übernimmt nicht
schon Perlentaucher ein Gros dessen, was Fahrenheit 451 selbst erst möchte
– Debatten um Literarisches in die Welt zu tragen? Andere, Thorsten
Jantschek im Deutschlandradio etwa, teilen diesen Befund: Ist die
Unübersichtlichkeit der Feuilletons im Internet nicht vielmehr ein Zugewinn
an Diversität – und sind die Zeiten der redaktionell ausgewählten Beiträge
nicht durch das Internet vorbei?
Die Diskussion geht natürlich weiter, weil ja keine irgendwann wirklich zu
Ende ist. Könnte es nicht eine Erwägung sein, auf Fahrenheit 451 zu
verzichten, das womöglich wie der Krautreporter à la longue zu scheitern.
Sondern im Perlentaucher die literarische Kompetenz zu holen, um dem Mangel
an Diskurs abzuhelfen? Und dieses Online-Portal mit Crowdfundingmodellen
finanziell viel besser auszustatten?
8 Jul 2015
## LINKS
[1] https://www.perlentaucher.de/
[2] https://www.perlentaucher.de/essay/ueber-die-zukunft-des-lesens.html
[3] http://culturmag.de/
## AUTOREN
Jan Feddersen
## TAGS
Feuilleton
## ARTIKEL ZUM THEMA
Urteil des Bundesgerichtshofs: Perlentaucher-Prozess, nächste Runde
Eine Klage von FAZ und SZ bedroht zwar nicht mehr das Geschäftmodell des
Webportals, könnte aber im Detail Erfolg haben. Das könnte teuer werden.
Prozess um das Kultur-Internetportal: Rückschlag für Perlentaucher.de
Der Bundesgerichtshof wird wohl einen neuen Prozess um die Zusammenfassung
von Buchkritiken anordnen. Geklagt hatten "Süddeutsche Zeitung" und "FAZ".
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.