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# taz.de -- Kolumne Generation Camper: Hermann Hesse kommt aus Calw
> Calw ist stolz auf Hermann Hesse. Er selbst haderte mit seiner
> Geburtsstadt, dem schwäbischen Pietismus und dem Wertesystem seiner
> Eltern.
Bild: Hermann Hesse Denkmal in Calw.
Das Schwarzwaldstädtchen Calw ist ein schmucker Fachwerkort. Es liegt im
tief eingeschnittenen Flusstal des Nagold. In Calw wurde Hermann Hesse
(1877 bis 1962) geboren, der weltweit am meisten gelesene deutsche
Schriftsteller. In Calw liebt man Hermann Hesse und zitiert auch gern
Hesses altersmilde Worte, dass dieser schöne Ort ihm „in Gedanken immer
Heimat geblieben“ sei.
Selbstverständlich steht Hesses lebensgroße Skulptur auf einer alten Brücke
und blickt gefällig auf den Ort. Geradezu zauberhaft das Hesse-Museum. Der
Prachtbau ist das alte Stadtpalais, und in den Ausstellungsräumen, die alle
Lebensphasen des langen Hesse-Lebens thematisieren, knarren die Holzdielen
unter den Füßen der Besucher, es gibt eine Fülle von Artefakten in
Vitrinen. Darunter Erstausgaben und spätere Auflagen seiner Werke,
Zeichnungen und Aquarelle, Manuskripte, Briefe, sein Wanderrucksack aus der
Schweiz. Und Dokumente aus Kindheit und Jugend in Calw.
Aber Achtung! Wer hier genauer hinsieht, kriegt schnell den Horror. Denn
diese Calwer Jugend hatte es in sich. War geprägt von Flucht und
Selbstmordversuchen und Psychiatrie und und, und … Der junge Hesse galt
seiner Familie, seinen Lehrern, sein Gutachtern, gelinde gesagt als
„überspannt“. Konkreter: Man bescheinigte ihm geistige Verwirrung und
Größenwahn. Weil sein Berufswunsch „Dichter“ war. Und nicht wie gewünscht
„Theologe“. Und weil er dem Anpassungsdruck nie nachgab. Im Gegenteil.
Dieser lange Brief, der so harmlos in einer Vitrine liegt, diese
sarkastische Abrechnung, die der 15-Jährige aus der Nervenheilanstalt
Stetten seinem Vater präsentierte, sprüht heute noch. Ein Manifest des
Widerstands. So frisch, als wäre es erst gestern gewesen. Hesse beschimpft
den Vater, er fleht um Befreiung und – alternativ – um einen Revolver. Der
junge Hesse wollte nur eines: weg von hier! Weg vom Wertesystem der Eltern,
dem schwäbischen Pietismus, raus aus Enge und einer Zukunft, die für Hesse
keine war.
Calw – für ihn ein Depressionsloch. Wofür Calw eigentlich nichts kann. Aber
es liebte und liebt einen Abtrünnigen, den es nie hierhin zurückzog. Armes
Calw!
12 Jul 2015
## AUTOREN
Christel Burghoff
## TAGS
Nationalparks
Goethe
DDR
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