| # taz.de -- Comics „Outcast“ und „Rachel Rising“: Dämonen austreiben | |
| > Episches Erzählen, gepaart mit Momenten größten Schreckens: die Comics | |
| > „Outcast“ von Kirkman/Azaceta und Terry Moores „Rachel Rising“. | |
| Bild: Szene aus „Im Reich der Finsternis“ von Kirkman und Azaceta. | |
| Im Horror kommt es, mehr noch als bei anderen Genres, auf die Dosierung an. | |
| Manches von dem, was Leuten früher die Haare aufstellte, wirkt heute recht | |
| harmlos. Der Wettlauf um immer heftigere Schockeffekte führt allerdings | |
| mitunter zu Filmen und Comics, deren ästhetisches Leitprinzip sich auf die | |
| Frage „Schaust du noch oder kotzt du schon?“ reduzieren lässt. Dieser | |
| primäre Appell an die sadistischen Neigungen und die Ekelschwelle des | |
| Publikums ist zynisch; davon abgesehen kann eine nur kurz unterbrochene | |
| Abfolge gröbster Reize ziemlich langweilig sein. | |
| Ein Autor, der sich meisterhaft darauf versteht, ausgefuchstes, episches | |
| Erzählen mit Momenten ungeheuren Schreckens zu verbinden, ist Robert | |
| Kirkman, der seit über zwölf Jahren die Zombie-Serie „The Walking Dead“ | |
| schreibt. Parallel hat er mit „Outcast“ nun ein neues Projekt gestartet. | |
| Kyle Barnes, die Hauptfigur, ist ein junger Mann, der nach Jahren der | |
| Abwesenheit in seine Heimatstadt zurückgekehrt ist. | |
| Einen guten Ruf hat er bei den Einwohnern nicht, da er seine Frau und seine | |
| kleine Tochter, die getrennt von ihm leben, schwer misshandelt haben soll. | |
| In Wahrheit verfügt Kyle über eine Gabe, die ihm erst nach und nach bewusst | |
| wird: Er kann Dämonen austreiben. Dies bringt ihn mit dem örtlichen | |
| Reverend zusammen und mit einem Polizisten, dessen Partner in einem Anfall | |
| schwerer Besessenheit zum Mörder geworden ist. | |
| Es macht Kyle zudem aber für einen Fremden interessant, der plötzlich | |
| auftaucht, einem nur scheinbar freundlichen, unterweltlichen Herrn, dessen | |
| Ziele vorerst in dem Dunkel bleiben, aus dem er kommt. | |
| Mit „Outcast“ knüpft Kirkman souverän an eine sozialkritische | |
| Horrortradition an, wie sie sich etwa in den Filmen George A. Romeros | |
| findet. Das kalte, frühwinterliche West Virginia, in dem die Serie spielt, | |
| ist keine ländliche Idylle, nicht einmal eine trügerische, sondern ein Hort | |
| der gedämpften Verzweiflung. Der Noir-Touch von Paul Azacetas Zeichnungen – | |
| die ausgezeichnete Kolorierung stammt von Elizabeth Breitwieser – | |
| unterstützt den Eindruck, dass die Dämonen, von denen die Menschen | |
| heimgesucht werden, sich auch als Metapher für psychische Versehrungen | |
| begreifen lassen. | |
| ## Lupenreiner Horror | |
| Und deren Ursache sind unverkennbar gesellschaftliche Missstände: Niemand, | |
| gleich welchen Alters, kann sich hier anders als mit großer Mühe über | |
| Wasser halten; alle leben mindestensam Rande des Prekariats. Der | |
| Amerikanische Traum ist in „Outcast“ schon lange gründlich zerbrochen. | |
| Ebenfalls in die nordamerikanische Provinz, in einen Ort mit dem Unheil | |
| verheißenden Namen Manson, führt Terry Moores aktuelle Serie „Rachel | |
| Rising“. Moore ist mit „Strangers in Paradise“ bekannt geworden, einer | |
| Reihe, an der von 1993 bis 2007 arbeitete. Während sich dort Soap-Opera- | |
| und Thrillerelemente bunt miteinander mischten, ist „Rachel Rising“ | |
| lupenreiner Horror. | |
| Die Titelheldin erwacht eines Morgens, mit dem Gesicht nach unten, in einer | |
| Grube im Wald. Sie kämpft sich mühsam aus der Erde und taumelt heim. Was | |
| genau mit ihr passiert ist, daran kann sie sich nicht erinnern, aber | |
| offenbar hat jemand versucht, sie umzubringen. Dies war nicht erfolgreich, | |
| zumindest nicht ganz: Rachel lebt, obwohl sie, allen Anzeichen nach, | |
| biologisch so gut wie tot ist. | |
| Zeitgleich erscheint in Manson eine junge Frau namens Lilith, die bei jedem | |
| ihrer Auftritte Gewalt und Verderben provoziert. Sie ist vor 300 Jahren in | |
| Manson getötet worden, weil sie eine Hexe ist, und will an der kleinen | |
| Stadt furchtbare Rache nehmen. | |
| 8 Jul 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Christoph Haas | |
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