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# taz.de -- Wenn die Waffe lockersitzt...: Todesschuss im Hausflur
> In Hamburg erschießt ein Hausbesitzer einen mutmaßlichen Einbrecher. Erst
> vor drei Wochen hatte in Hannover ein Mann einen Jugendlichen erschossen.
Bild: Tatort Hamburg-Jenfeld: Vom Haus des Todesschützen schleppte sich der An…
HAMBURG taz | Gibt es zunehmend amerikanische Verhältnisse im Norden? In
Hamburg-Jenfeld hat ein 63-Jähriger Hauseigentümer in der Nacht zum
Mittwoch einen Mann erschossen, der laut seiner Darstellung versucht hatte,
in sein Haus einzudringen. Anfang Juni hatte ein Werkstattbesitzer in
Hannover-Anderten auf eine Gruppe vermeintlicher Einbrecher geschossen und
einen 18-Jährigen getötet.
In beiden Fällen berufen sich die Schützen auf Notwehr. In Hamburg gibt der
Schütze an, am Dienstagabend gegen 22.45 Uhr hätten zwei Männer an der Tür
seinen Einfamilienhauses geklingelt und hätten gefragt, ob „hier gerade ein
Krankenwagen“ gewesen sei, was der Mann verneinte. Etwa 15 Minuten später
sollen die Männer erneut geklingelt haben. „Als der Hauseigentümer die Tür
öffnete, war diese noch mit einem Türriegel gesichert“, gibt
Polizeisprecher Jörg Schröder den derzeitigen Ermittlungsstand wieder. „Die
Täter traten nun die Tür ein, ein Täter drang in den Wohnungsflur“, so
Schröder.
Der 63-Jährige habe daraufhin einen Schuss auf den Mann abgegeben. Beide
Eindringlinge seien in unterschiedliche Richtungen geflüchtet. Die vom
Hausbesitzer alarmierte Polizei fand einen von ihnen dann 200 Meter
entfernt an einer Kreuzung, wo er verletzt zusammengebrochen war. Der
Notarzt konnte ihn nicht mehr retten. Eine Obduktion soll nun die genaue
Todesursache klären.
Der Schütze, der über einen Waffenschein verfügt, wurde von der
Mordkommission vorübergehend festgenommen und nach einer Vernehmung wieder
auf freien Fuß gesetzt. „ Die Staatsanwaltschaft sieht zurzeit keine
Voraussetzung für einen Haftbefehl“,sagt Polizeisprecher Schröder.
Anders ist es dem 40-jährigen Todesschützen von Hannover ergangen. Sein
Anwalt Fritz Willig hatte im NDR vor zwei Wochen von einer „sehr
eindeutigen Notwehr“ gesprochen. Sein Mandant habe Angst um sein Leben
gehabt. Er hatte angegeben, er sei nachts durch Klopfen an das
Schlafzimmerfenster geweckt worden, wo er mit seiner Lebensgefährtin und
ihrem Kind schlief. Er habe dann von dem Fenster mehrere Vermummte gesehen,
von denen einer eine Pistole in der Hand gehalten habe. Der Sportschütze
habe daraufhin seine Waffe geladen und die Haustür geöffnet, sei sofort
attackiert worden und habe geschossen. „Er wusste gar nicht auf wen er
geschossen hat“, sagt Anwalt Willig.
Doch so einfach ist der Fall nicht, denn die Grenzen zwischen Notwehr und
Totschlag sind oft schwer zu ziehen. Im hannoverschen Fall hat die
Obduktion ergeben, dass der tödliche Schuss den 18-jährigen mutmaßlichen
Einbrecher von hinten unterhalb der rechten Schulter getroffen hat. Laut
Staatsanwaltschaft hat der Schütze die tödliche Verletzung bewusst in Kauf
genommen. Deshalb bleibe der Haftbefehl wegen Flucht- und
Verdunkelungsgefahr bestehen.
Der Fall erinnert an den Todesschuss von Sittensen, wo der Millionär Ernst
B. im Dezember 2010 den 16-jährigen Einbrecher Labinot S. erschossen hatte.
Das Verfahren beschäftigte die niedersächsischen Justiz vier Jahre lang
rauf und runter: Zunächst war die Staatsanwaltschaft klar von Notwehr
ausgegangen.
Die fünf Täter hatten den Rentner im Garten überfallen und wollten im Haus
seinen Tresor ausrauben. Als die Alarmanlage ansprang und das Quintett
flüchtete, schoss der passionierte Jäger Labinot S. auf der Flucht in den
Rücken.
„Wir müssen bei Notwehr immer den Einzelfall betrachten“. sagte damals der
Stader Staatsanwalt Kai Thomas Breas. Wenn jemand aus „Furcht, Angst oder
Verwirrung“ schießt, bleibt auch eine rechtswidrige Notwehrhandlung
straffrei, war zunächst auch die Argumentation des Landgerichts Stade, die
jedoch vom Oberlandesgericht Celle korrigiert wurde.
Später verurteilte das Gericht Ernst B. nach einer Beweisaufnahme jedoch zu
neun Monaten Bewährungsstrafe wegen Totschlags. „Notwehr hat auch ihre
Grenzen“, sagte der Vorsitzende Richter Berend Appelkamp damals. B. habe
den Tod des Jungen billigend in Kauf genommen, was trotz angeblicher
„Todesängste“ nicht rechtens gewesen sei. Das Urteil befindet sich derzeit
in der Revision beim Bundesgerichtshof.
25 Jun 2015
## AUTOREN
Kai von Appen
## TAGS
Waffen
Todesschuss
EU-Kommission
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