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# taz.de -- Klinik schließt Spezialstation: Allein mit den Schmerzen
> Das Marienkrankenhaus schließt seine Angebote für Patienten mit
> chronischen Schmerzen. Kritiker sehen darin ein Bauernopfer für höhere
> Gewinne.
Bild: Will sich Schmerztherapie nicht mehr leisten: das Marienkrankenhaus
Hamburg taz | Das Marienkrankenhaus plant seine Angebote für chronische
Schmerzpatienten zu schließen. Das betrifft die Tagesklinik, die
stationären Betten und die Ambulanz. Als einzige Klinik in Hamburg bietet
das Marienkrankenhaus ein solch umfassendes Angebot und richtet sich zudem
als eine der wenigen Einrichtungen an alle Schmerzpatienten, nicht nur an
eine einzelne Gruppe wie etwa Rückenpatienten.
Hausinterne Proteste haben bislang keinen Erfolg gezeigt. Die
Schmerzabteilung schreibe zumindest eine schwarze Null, heißt es aus
informierten Kreisen. Dennoch hat sich die Leitung dazu entschieden, die
stationären Betten in geriatrische umzuwandeln und die Mitarbeiter anders
einzusetzen. Wirtschaftlich betrachtet sei die Schmerzabteilung ein kleiner
Bereich des Hauses, heißt es von Kritikern – um so weniger verständlich sei
die rein kaufmännisch motivierte Entscheidung, ihn zu schließen.
Eberhard Thombansen, Geschäftsführer des Marienkrankenhauses, begründet das
Aus eher allgemein damit, dass es nicht gelungen sei, „ein Konzept für die
dauerhafte Profilierung der chronischen Schmerztherapie und die
Stabilisierung der Einrichtung zu entwickeln“. Es gehe darum, sich auf die
„Kernkompetenz im Bereich der hoch spezialisierten Versorgung von akut
erkrankten Menschen zu fokussieren“.
„Fatal“, nennt Maja Falckenberg von der Schmerzambulanz Alteneichen den
Schritt. Ein so „hervorragendes“ Team wie am Marienkrankenhaus, das über
viele Jahre Erfahrung verfüge, sei kaum zu ersetzen. Insbesondere
Schwerstkranke, die damit verbunden auch mit psychischen Problemen zu
kämpfen hätten, habe sie sehr gerne dorthin überwiesen. Hamburgweit
beziffert sie die Zahl der Patienten mit chronischen Schmerzen auf rund
12.000 – schmerzmedizinisch versorgt werde knapp die Hälfte von ihnen.
Seitens der Gesundheitsbehörde gibt es keine verbindlichen Bestimmungen,
wie viele Plätze die Krankenhäuser für Patienten mit chronischen Schmerzen
anbieten müssen. Die Pressestelle teilt lediglich mit, dass sich das
Angebot für Schmerzkranke in den letzten 20 Jahren „erheblich verbessert“
habe.
## Bundesweit Pionierarbeit geleistet
Mit seiner seit den 1970er-Jahren aufgebauten Schmerzabteilung hat das
Marienkrankenhaus Experten zufolge bundesweit Pionierarbeit geleistet –
allerdings mehr auf Initiative der Ärzte denn der Leitung. In der
Tagesklinik durchlaufen Gruppen von sechs Patienten über vier Wochen ein
Therapieprogramm, in dem ein interdisziplinäres Team versucht, nicht nur
der Ursache der Schmerzen auf den Grund zu kommen, sondern vor allem den
Patienten einen Umgang damit zu ermöglichen.
Das kostet Zeit: Für das Aufnahmegespräch nehmen sich die Ärzte eineinhalb
Stunden Zeit, die Verweildauer auf der Station liegt bei 12 bis 14 Tagen.
Ursprünglich waren es 16 bis 17 Tage, die auf Druck eines langsam aber
stetig gekappten Vergütungssatzes gekürzt wurden. Nachdem die
Schmerzmedizin eine Zeitlang vor allem auf schmerzunterdrückende
Behandlungen mit Medikamenten und Spritzen gesetzt hat, versucht man nun
eine komplexe Behandlungsstrategie, die neben Medikamente auch auf
Verhaltens-, Ergo- und Physiotherapie setzt.
Dabei arbeitet man mit Patienten, die oft Jahre, wenn nicht Jahrzehnte lang
erfolglos Arztpraxen abgeklappert haben und deren Alltag von starken
Schmerzen geprägt ist; viele von ihnen leiden unter Depressionen. Es ist
keine einfache Klientel – und zugleich eine, die besonders stark auf Hilfe
angewiesen ist. So sind die Plätze im Marienkrankenhaus begehrt: Die
Wartezeit für einen Platz in der Tagesklinik liegt bei zwei bis vier
Monaten. Auch auf einen Termin in einer Hamburger Schmerzambulanz, wie sie
niedergelassene Ärzte anbieten, warten Patienten drei bis sechs Monate.
Von daher hielten Experten es für dringend geboten, das Angebot im
Marienkrankenhaus noch auszuweiten. Zumal Konsens ist, dass es eigentlich
darum gehen müsse, Schmerzpatienten früher in ihrer Krankengeschichte zu
behandeln, um zu verhindern, dass die Schmerzen chronisch werden.
Nun ist das Gegenteil der Fall. Laut der Geschäftsführung laufen zum 1.
Oktober sowohl die stationären Betten als auch die Angebote von Tagesklinik
und Ambulanz aus. Das sei mit dem ärztlichen Versorgungsauftrag nicht
vereinbar, sagen Kritiker. Sie führen nicht einmal ins Feld, dass das Haus
in der Trägerschaft des katholischen Bistums liegt. Daraus nämlich ließe
sich eine zusätzliche Verpflichtung ableiten, weniger gewinn- als
patientenorientiert zu arbeiten.
Hört man sich bei den Gesundheitsexperten der Gewerkschaft Ver.di nach der
wirtschaftlichen Situation der Hamburger Kliniken um,klingt die Antwort
eindeutig: „Sie jammern alle“, sagt Gewerkschaftssekretär Michael Stock –
aber ohne Grund. Bei einer Veranstaltung im Februar des Jahres habe man
Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) gefragt, welche Klinik
in Hamburg denn rote Zahlen schreibe, so Stock. Sie habe keine nennen
können.
26 Jun 2015
## AUTOREN
Friederike Gräff
## TAGS
Krankenkassen
Palliativmedizin
Krankenhäuser
Schmerzen
Patientenrechte
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