# taz.de -- Anwohnerkampf in Berlin-Kreuzberg: Happening für einen Gemüseladen | |
> Dem alteingessenen Geschäft Bizim Bakkal ist gekündigt worden, der neue | |
> Hauseigentümer will die Wohnungen verkaufen. Doch im Kiez will man sich | |
> damit nicht abgeben. | |
Bild: Wollen bleiben: Die Besitzer von Bizim Bakkal | |
Über der Kreuzberger Wrangelstraße hängt ein Transparent: „Bizim Bakkal | |
bleibt. Wir bleiben auch.“ Am Mittwochabend dieser Woche ist das Wetter | |
leicht bedeckt. Trotzdem sammeln sich ab 19 Uhr Anwohner mit Körben in der | |
Hand und Decken unterm Arm. Sie scharen sich um das letzte alteingesessene | |
türkische Gemüsegeschäft. | |
Vier Wochen ist es her, dass Ahmet Caliskan, Inhaber des Gemüseladens Bizim | |
Bakkal, seiner Kundschaft erzählte, dass ihm gekündigt wurde. Die Gekko | |
Real Estate mit Sitz in Berlin hat das Haus gekauft, will sämtliche | |
Wohnungen in Eigentumswohnungen umwandeln und fordert Caliskan dazu auf, | |
bis zum 30. September seinen Laden zu räumen. Vor zwei Wochen trafen sich | |
zum ersten Mal die Nachbarn, um ihren Händler zu unterstützen. Der | |
Ratschlag wurde unerwartet zum Happening mit über hundert Anwohnern. | |
Seither steigt jeden Mittwochabend vor dem Geschäft ein stetig wachsendes | |
Nachbarschaftstreffen. Vorige Woche schritt erstmals die Polizei ein, | |
verlangte aber nur, dass die Veranstaltung künftig angemeldet wird. An | |
diesem Mittwoch ist die Straße abgesperrt. Irgendwoher tragen Leute Tische | |
auf die Straße. Obst aus dem Laden wird aufgetragen. Aus den Nachbarhäusern | |
bringen Leute Suppen, Salate und Kuchen. Eine Blechbläserband spielt. 500 | |
Menschen zählt die Polizei. Es könnten bis zu 800 sein. | |
„Wir wollen, dass unser Viertel lebenswert bleibt“, ruft eine schmale Frau | |
in Jeans, die nach Ende der Musik auf einer provisorischen Bühne spricht. | |
„Dazu brauchen wir Läden, die Dinge für unseren Bedarf verkaufen. Seit die | |
Mieten exorbitant steigen, kann keiner von ihnen auf Dauer mithalten.“ Die | |
Frau erntet begeisterten Applaus. | |
„Bizim Kiez“ nennt sich die Anwohnerinitiative, die sich gegründet hat. Sie | |
hat bewusst keinen festen Sprecher gewählt und will weder durch eine | |
politische Agenda noch durch subkulturelle Prägung ausgrenzen. Dafür hat | |
sie in sieben Tagen im Viertel bislang 2.000 Unterschriften gesammelt. Mit | |
ihnen fordert sie, dass der Eigentümer Bizim Bakkal erhält. Darüber hinaus | |
verlangen sie von den politischen Vertretern, „Gesetzesinitiativen zu | |
ergreifen, damit einkommensschwächere Menschen in der Innenstadt weiterhin | |
leben und arbeiten können.“ | |
Seit den vergangenen Happenings hat sich die Anwohnerinitiative breiter | |
aufgestellt und kämpft nicht mehr allein für Bizim Bakkal, sondern auch für | |
die übrigen bedrohten anwohnerbedarfsnahen Gewerbetreibenden. Im Zuge | |
dessen haben sie zum Mittwochstreffen weitere Ladeninhaber eingeladen. Dem | |
folgte zum Beispiel ein gekündigter Betreiber eines Fahrradgeschäfts, der | |
die Bühne betrat und sich solidarisch erklärte. | |
Der Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain hat bereits Unterstützung signalisiert | |
und will sich mit den Aktivisten treffen. Baustadtrat Hans Panhoff sagt: | |
„Es ist lange her, dass Kreuzberg so etwas erlebt hat. “ | |
In einem Brief hat Panhoff den Eigentümer dazu aufgefordert, die Kündigung | |
von Bizim Bakkal „im Sinne eines harmonischen Zusammenlebens im Kiez | |
zurückzunehmen“. Er weist auch darauf hin, dass nach Paragraf 15 der | |
Baunutzungsordnung in Wohngebieten im Wrangelkiez keine weiteren | |
Restaurantnutzungen genehmigt werden. | |
Die Gekko Real Estate war bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen. | |
19 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Tina Veihelmann | |
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