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# taz.de -- Mers-Epidemie in Südkorea: Der unsichtbare Feind
> 108 Menschen sind erkrankt, neun starben. Bislang wurde das Virus nur in
> Krankenhäusern übertragen. Die Angst der Bevölkerung wächst.
Bild: Derzeit ein gewohntes Bild in Seoul: Atemschutzmasken.
Seoul taz | In der Eingangshalle des Samsung Medical Center wird viel dafür
getan, die Patienten vergessen zu lassen, dass sie gerade ein Krankenhaus
betreten: strahlende Granitböden, dazu Klänge eines barocken
Konzertflügels, und neben dem Anmeldeschalter können Patienten einen neuen
Handyvertrag abschließen.
An diesem Vormittag bleibt die Wartehalle jedoch gespenstisch leer. Die
verbliebenen Patienten tragen alle Atemmasken und im Fernsehen laufen
schaurige Nachrichtenbeiträge. Sie berichten vom größten Mers-Ausbruch
außerhalb Saudi-Arabiens; immer wieder wird dabei das 20 Stockwerke große
Krankenhausgebäude eingeblendet. Hier, mitten im Seouler Nobelbezirk
Gangnam, ist übers Wochenende ein neues Epizentrum des tödlichen Virus
entstanden. Über 17 Patienten haben sich im Samsung-Spital infiziert,
darunter auch der erste Teenager.
Innerhalb von drei Wochen sind 108 Südkoreaner an Mers erkrankt, 9 bislang
tödlich. Knapp 3.500 Menschen wurden unter Quarantäne gestellt und etwa
2.700 Schulen geschlossen. Die Bevölkerung trägt dieser Tage vermehrt
Gesichtsmasken, meidet Konzerte und Sportstadien.
Aus wissenschaftlicher Sicht dienen solche Maßnahmen vor allem zur
Beruhigung, denn bislang wurde das Virus ausschließlich in
Krankenhauszimmern übertragen. Dort konnten sich die Erreger jedoch rasant
ausbreiten. Die Weltgesundheitsorganisation hat Südkorea aufgefordert, die
geschlossenen Schulen wieder aufzumachen. Diese hätten nicht zur
Virusübertragung beigetragen.
## Kein Zugang für Journalisten
Aufgrund der steigenden Erkrankungszahlen hat Südkoreas Präsidentin Park
Geun Hye einen geplanten Besuch in den USA verschoben. Park habe sich dazu
„angesichts der Beunruhigung in der Bevölkerung“ entschlossen, sagte eine
Sprecherin am Mittwoch. Die Sicherheit der Bürger habe höchste Priorität.
Vor der geschlossenen Notfallambulanz des Samsung-Spitals bauen Männer mit
Gesichtsmasken ein provisorisches Zelt auf, in dem mehrere
Krankenschwestern neben mannshohen Diagnosegeräten warten. „Dort können
sich Patienten mit akutem Mers-Verdacht melden“, verrät einer der Männer,
doch dann entdeckt er den Notizblock des Reporters und verbarrikadiert den
Zelteingang. Zu Journalisten darf hier niemand sprechen, weder die
Krankenpfleger noch die Ärzte. Selbst in den umliegenden Apotheken ist
nicht mehr zu erfahren, dass die Vorräte an Gesichtsmasken auf unbestimmte
Zeit ausverkauft sind. Die Leute bemühen sich, eine Normalität
aufrechtzuerhalten, die es längst nicht mehr gibt.
Die Betten stehen in koreanischen Spitälern oft dicht beieinander, viele
Angehörige übernehmen oft leichtfertig Tätigkeiten des Pflegepersonals. Sie
wechseln Matratzenbezüge, leeren Bettpfannen und setzen sich so
Krankheitserregern aus.
## Scharfe Kontrollen bei Neuzugängen
„Schauen Sie sich doch nur an, wie dicht die Leute hier nebeneinanderleben.
Das ist mit einem Wüstenstaat wie Saudi-Arabien nicht zu vergleichen“, sagt
Nam Sik Woo, Vizepräsident des Konkuk-Universitätskrankenhauses in Seoul.
Der Mediziner trägt eine Gesichtsmaske, die er nur zum Sprechen bis zum
Kinn herunterzieht. Vor wenigen Stunden hat das Virus auch sein Krankenhaus
erreicht: Bei einer 78-jährigen Frau wurde Mers diagnostiziert, weil diese
zunächst falsche Angaben machte, stecken nun 80 Patienten und Pfleger in
Quarantäne.
Jeder Besucher wird nun am Eingang auf Fieber untersucht,
Desinfektionsmittel stehen bereit und Wandposter schildern die aktuelle
Situation. „Wir haben uns bewusst dafür entschieden, alles transparent zu
halten. Die öffentliche Sicherheit ist schließlich wichtiger als unser
Image oder die wirtschaftliche Lage“, so Nam.
Noch bis Sonntag hielt das Gesundheitsministerium die Namen aller von Mers
betroffenen Krankenhäuser geheim – um Panik in der Bevölkerung zu vermeiden
und um die finanziellen Verluste der Spitäler gering zu halten. Zwei
Koreaner, die auf Twitter falsche Gerüchte über den Virusausbruch
verbreitet haben sollen, wurden festgenommen.
„In zwei Wochen werden die Infektionen bald zurückgehen, dann sollten die
Maßnahmen der Behörden Wirkung zeigen“, sagt Krankenhausdirektor Nam
zuversichtlich, bevor er seine Maske abnimmt und sagt: „Diesmal gibt es
leider keinen Handschlag.“
10 Jun 2015
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Südkorea
Mers
Epidemie
Nordkorea
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WHO
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Saudi-Arabien
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