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# taz.de -- Feminismus-Award für Miss Piggy: Champagner für die Sau!
> Miss Piggy bekommt einen Preis, weil sie „Geschlechterbarrieren
> durchbricht“. Das ist Quatsch: Als weibliches Vorbild taugt sie nicht.
Bild: Psychisch auffällige, blondierte Sau, die sich für eine Diva hält: Mis…
Soso, der angeblich berühmte Sackler Center First Award (schon mal gehört?)
geht an ein anthropomorphes Schwein. Das ist der Fachausdruck für Miss
Piggy aus der „Muppet Show“. Ein Feminismus-Award für eine psychisch
auffällige, blondierte Sau, die sich für eine Diva hält, einen Frosch
stalkt und gewalttätig ist. Ist das nun zeitgemäßer Feminismus?
Na ja, zumindest gibt es Gründe, die zu dieser leicht bekloppten
Entscheidung führen. Erstens hat die Genderforschung, die aus jeder
Verhaltensauffälligkeit noch eine Selbstermächtigung zu lesen vermag, Miss
Piggy schon vor geraumer Zeit als Forschungsobjekt entdeckt. Sie erweitere
die konventionelle Frauenrolle durch Akte der Gewalt und einen starken
Willen, wie er normalerweise Männern zugeschrieben wird, heißt es. Sie
kümmere sich einen Dreck um den Schlankheitswahn und verfolge nachdrücklich
ihre Ziele, so heißt es nun allenthalben. Und zweitens, ach, da zeigen die
vergnatterten Feministinnen endlich mal Humor! Champagner für die Sau!
Das ist, gelinde gesagt, etwas phänomenologisch herangegangen: Man nimmt
das Zeichen und interpretiert mehr oder weniger wild. Schön, aber auch sehr
karnevalesk und ohne Hintergrund.
Einer historisch-kritischen Betrachtung hält diese Interpretation kaum
stand, hätte nun zum Beispiel mein Politologie-Prof gesagt. Nehmen wir nur
mal ihre Entstehungsgeschichte: Miss Piggy wird als einziger weiblicher
unter einem wilden Bündel männlicher oder sächlicher Charaktere entworfen.
Die Kommunikationswissenschaftlerin Anita Sarkeesian nennt so etwas das
„Schlumpfine-Syndrom“: Es gibt jede Menge männlich gedachter Schlümpfe mit
verschiedensten Eigenschaften – und dann die eine einzige Schlumpfine, die
das Thema Weiblichkeit zu repräsentieren hat. Die hat blonde Haare und
ordentlich Wimperntusche, trägt Glitzerkleider und Perlenkette und ist für
die Liebesdinge zuständig. Das Setting ist also denkbar
geschlechterkonservativ.
## Postmoderner Geschlechterkarneval
Zweiter Hinweis: Miss Piggy hieß zu Beginn Miss Piggy Lee, nach der
Sängerin Peggy Lee. Ihre Schöpferin Bonnie Erickson hat sie, als Peggy Lee
erfolgreicher wurde, zu Miss Piggy abgekürzt, weil sie die Sängerin nicht
kompromittieren wollte. Warum wohl? Weil Miss Piggy so eine umwerfende
Person ist?
Drittens: Miss Piggy wird von einem Mann gespielt und gesprochen. Das ist
genau die Schublade, in der Männer Witze über Frauen machen: Mit
falsettierter Stimme in den höchsten Höhen rumkrähen und natürlich nicht
singen können.
Viertens: ihre Themen: Verrücktheit nach allem, was männlich wirkt – und
die grenzenlose Selbstgefälligkeit eines extrem verzogenen Kindes, das
nicht in der Lage ist, seinen dumpfen Narzissmus mit der Welt abzugleichen.
Pardon, aber das sind die klassischen Geschlechterklischees, mehr nicht.
Was folgt daraus? Der postmoderne Geschlechterkarneval ist lustig, das
Schwein als Role Model eine weltweite News, die den Preis sicherlich
bekannt machen wird. Alle können mit einstimmen, wenn die Feministinnen
sich mal selbst nicht so ernst nehmen: Ein seltener Moment, der den
Preisausloberinnen zu gönnen ist. Ehrlich.
Sinnvoller allerdings wäre es, sie nicht als weibliches Role Model zu
vermarkten. Denn was ja natürlich jede, jeder und jedes sieht, der, die
oder das Augen hat: Sie ist ein Eber, gespielt von einem Mann, in
Frauenkleidern mit zu viel Make-up. Miss Piggy ist natürlich eigentlich
eine schwule Drag Queen. Der feministische Preis ist damit queer geworden –
und ein bisschen selbstvergessen.
4 Jun 2015
## AUTOREN
Heide Oestreich
## TAGS
Feminismus
Queer
Feminismus
Hacking
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