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# taz.de -- Migration: „Ich habe das selbst erlebt“
> Beáta Moldován hat sich in Oldenburg zur ehrenamtlichen
> Integrationslotsin ausbilden lassen. Die 25-jährige Studentin hilft
> Einwanderern nicht nur beim Papierkrieg.
Bild: Von der Freiwilligenagentur Ehrensache der Stadt Oldenburg gemeinsam mit …
taz: Frau Moldován, warum haben Sie die Ausbildung zur Integrationslotsin
gemacht?
Beáta Moldován: Ich möchte Menschen unterstützen, die über das System hier
nichts wissen. Ich habe das selbst durchgemacht und möchte ihnen einen
leichteren Einstieg verschaffen, als ich ihn hatte.
Was haben sie denn erlebt?
Ich bin selbst erst vor viereinhalb Jahren wegen meines Studiums aus
Rumänien nach Deutschland gekommen und hatte anfangs Stolpersteine in
meinem Weg. Ich musste zum Beispiel für einen Minijob einen Antrag auf
Arbeitsgenehmigung stellen. Das hat sich hingezogen.
Welche Stolpersteine gab es da?
Auf eine Antwort musste ich vier Wochen warten. Dann fehlten Dokumente,
obwohl ich vorher nachgefragt hatte, welche nötig sind. Dann musste ich
weitere vier Wochen warten. Schließlich erfuhr ich, dass ich für den
Minijob gar keine Erlaubnis brauche. Also habe ich zwei Monate für nichts
gewartet.
Was wurde Ihnen im Kurs vermittelt?
Es kommen Mitarbeiter der Migrationsberatungsstellen und anderer
Kooperationspartner, mit denen wir später arbeiten. Zum Beispiel hat ein
Vertreter der Ausländerbehörde uns seine Arbeit beschrieben. Wir haben über
Aufenthaltsgesetze geredet und besprochen, wie eine Einbürgerung abläuft.
Dann gibt es noch Workshops. Der Kurs schafft eine Basis, aber man muss in
der Praxis viel recherchieren, weil jeder Fall individuell ist.
Dann ging es zum ersten Einsatz.
Das war ein Gespräch in der Schule. Ich musste zwischen einem Kind und den
Lehrerinnen vermitteln. Wegen der Sprachbarriere kamen sie nicht an die
Informationen, die sie brauchten, um es fördern zu können. Ich sollte also
übersetzen.
Mit welchem Gefühl sind Sie dorthin gegangen?
Ich hatte schon ein Kribbeln im Bauch. Ich wusste nicht, ob alles gut gehen
würde und ob ich alles verstehen würde, Fachfragen zum Beispiel. Aber es
hat alles gut geklappt.
In welchen Bereichen arbeiten Sie mittlerweile?
Ich spreche Ungarisch und soweit ich weiß, bin ich die einzige
Integrationslotsin in Oldenburg, die das kann. Ich übersetze also viel, zum
Beispiel bei der Polizei. Oder ich begleite Menschen zu Behörden. Alles
außer Gerichtsverfahren. Das machen wir Integrationslotsen nicht.
Welche Probleme haben Ihre Schützlinge denn genau?
Viele unterschreiben zum Beispiel gutgläubig Verträge, ohne zu verstehen,
was drin steht, weil sie die Sprache nicht verstehen. Zum Beispiel
Arbeitsverträge, nach denen sie 20, 30, 40 unbezahlte Überstunden leisten
müssen, ohne es zu wissen. In solchen Situationen merke ich, wie wichtig es
ist, die Sprache zu sprechen. Ich übersetze dann und mache klar, dass sie
sich informieren müssen.
Also erleben Sie meistens schwierige Situationen mit. Berührt Sie das?
Manchmal berührt mich, wie mit den Menschen umgegangen wird, die ich
begleite. Dann merke ich, dass ich mein eigenes Leben zu schätzen weiß.
Wie gehen Sie damit um?
Ich musste lernen, mich abzugrenzen, um mich zu schützen. Trotzdem nehme
ich Dinge oft mit nach Hause und überlege, wie ich jemandem helfen kann,
recherchiere noch nach.
Was machen Sie, wenn Sie an Ihre Grenzen kommen?
Da können wir auf unser Netzwerk zurückgreifen.Wir haben als
Integrationslotsen regelmäßige Treffen zum Austausch.
Und darüber hinaus?
Wenn wir wirklich nicht weiter wissen, sprechen wir unsere Koordinatorin
bei der Agentur Ehrensache an. Ansonsten wenden wir uns an Fachleute, etwa
in der Migrationsberatung.
Oldenburg muss vermehrt Flüchtlinge aufnehmen. Intensiviert das Ihre
Arbeit?
Durch meine Herkunft arbeite ich zwar meist mit Menschen aus der Slowakei,
aus Ungarn oder Rumänien. Aber ich habe während eines Praktikums mit
Flüchtlingen gearbeitet. Es ist eine Sache, wenn man das alles im Fernsehen
sieht. Aber es ist etwas anderes, von diesen traumatischen Erlebnissen
direkt zu hören.
Und dann müssen diese Menschen sich in einer fremden Stadt zurechtfinden.
Ja. Aber viele der Flüchtlinge kämpfen trotzdem weiter. Das ist
bemerkenswert. Vor allem, wenn sie in der EU ankommen und auf diesen
Papierkrieg treffen, den sie alleine gar nicht bewältigen können. Da ist es
gut, dass es ehrenamtliche Integrationslotsen gibt.
Aber Ehrenamtliche können ja nicht alles abfangen…
Das entspricht auch gar nicht unserer Aufgabe und dafür haben wir auch
nicht die Kapazitäten. Auch die Behörden müssen sich auf die Situation
einstellen. Interkulturelle Öffnung ist notwendig, damit Konflikte
vermieden werden können.
Und was muss außerhalb der Behörden passieren?
Ich fände es gut, wenn Flüchtlinge in Oldenburg zentraler untergebracht
werden könnten. Ich weiß, dass es schwierig ist, Raum dafür zu finden. Aber
es gibt Stadtteile, wo Unterkünfte gebaut wurden oder in Planung sind und
im Umkreis von zwei Kilometern ist da keine Bank, kein Geschäft, keine
Möglichkeit, alltägliche Dinge zu erledigen. Das bringt nichts Gutes.
18 May 2015
## AUTOREN
Manuela Sies
## TAGS
Beratung
Integration
Migration
Oldenburg
Slowakei
Stolpersteine
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