# taz.de -- Nach den Kämpfen in Mazedonien: Ein Achselzucken | |
> Das Albanerviertel von Kumanovo wurde bei einem Feuergefecht vor zwei | |
> Wochen zerstört. Ein Ortsbesuch und viele offene Fragen. | |
Bild: Hier, im Albanerviertel von Kumanovo, fanden die Kämpfe zwischen der maz… | |
KUMANOVO taz | Der Weg zu der Albanersiedlung in der an der Grenze zu | |
Serbien gelegenen mazedonischen Stadt Kumanovo ist nicht leicht zu finden. | |
Es sind enge Straßen, die dorthin führen. Doch einige Jugendliche weisen | |
gleich in die richtige Richtung. Ein verbranntes Autowrack verrät, dass man | |
angekommen ist. | |
Der erste Blick in die Gasse dahinter zeigt ein Ausmaß der Zerstörung, das | |
selbst Leuten mit Kriegserfahrung erschaudern lässt. Viele Dächer der | |
verschachtelten Häuser sind verbrannt, Balken hängen herunter, Höfe und | |
Hinterhöfe sind schwarz von Ruß. In manchen Häusern sind die von Schutt | |
übersäten Wohnzimmer und Küchen immerhin noch zu erkennen. | |
Ein älterer Mann, der sich Majib Saferi nennt, übernimmt die Führung durch | |
die Siedlung. „68 Häuser sind vollkommen zerstört worden“, erklärt er in | |
fließendem Deutsch. Er selbst sei während des Angriffs in seinem Heimatdorf | |
gewesen. Aber schon gibt eine Familie bereitwillig Auskunft über den | |
Angriff, der am 8. Mai begann. „Um fünf Uhr früh plötzlich hörten wir die | |
Schüsse, unser Haus wurde von Kugeln getroffen, wir sind weiter nach hinten | |
zum Ende der Straße hin geflüchtet“, sagt der Vater. Dann erschütterten | |
Detonationen die Häuser, die Familie flüchtete weiter. | |
„Und, wo waren denn die bewaffneten Albaner verschanzt?“ Saferis Frage an | |
die Umstehenden wird mit Achselzucken beantwortet. „Wir haben keine | |
bewaffneten Albaner gesehen“, sagt ein junger Mann und auch die älteren | |
Frauen nebenan, die vor der Ruine ihres Hauses stehen, schütteln nur den | |
Kopf. | |
## „Sie haben mich nicht informiert“ | |
Am Eingang der Gasse bildet sich eine Menschengruppe. In ihrer Mitte steht | |
Zoran Damjanovski, der Bürgermeister der Stadt, Mitglied der | |
oppositionellen Sozialdemokratischen Union von Mazedonien. Er hatte gleich | |
nach den Auseinandersetzungen am vorletzten Wochenende unbürokratische | |
Hilfe für die Betroffenen versprochen. | |
Der Bürgermeister ist immer noch erbost darüber, dass er von der Aktion der | |
Polizei und der Spezialkräfte nichts gewusst hat. „Sie haben mich nicht | |
informiert.“ Und was ist mit den bewaffneten Albanern? „Ich weiß nicht, was | |
hier geschehen ist. Erst wenn es eine neue Regierung in Skopje gibt, wird | |
wohl alles aufgeklärt werden.“ | |
„Viele Albaner werden mit den Sozialdemokraten zusammen am Sonntag in | |
Skopje demonstrieren“, sagt Saferi. Immerhin hat es der oppositionelle | |
Bürgermeister geschafft, den Burgfrieden zwischen Albanern und den | |
slawischen Mazedoniern in Kumanovo zu halten. Für die Albaner hier vor den | |
zerstörten Häusern steht ohnehin fest, wer schuldig ist: Regierungschef | |
Nikola Gruevski und die Spezialtruppen, die mit 3.000 Mann die Siedlung | |
umzingelt und sie mit schweren Waffen zerstört haben. | |
Doch Verwundete und Tote sind nicht zubeklagen. Wie kommt das? „Wer eine | |
weiße Flagge gezeigt hat, konnte auf die mazedonische Seite laufen“, sagt | |
ein junger Mann. Aber auch er will nichts von albanischen Kämpfern wissen. | |
## Viele Fragen sind noch offen | |
„Natürlich gab es bewaffnete Albaner in der Siedlung“, sagt dagegen kein | |
Geringerer als der Botschafter Kosovos in Mazedonien, Ylber Hysa. In einem | |
Café vor der monumentalen Reiterstatue von Alexander dem Großen in Skopje | |
sitzend, spricht er über Fakten. „8 mazedonische Polizisten wurden | |
erschossen, und 10 Albaner, nicht 14, wie bisher angegeben. 23 Albaner aus | |
Mazedonien und Kosovo wurden verhaftet. Darunter sind ganz junge Leute, | |
aber auch Leute mit Kampferfahrung.“ Gesicherte Informationen über deren | |
Absicht gebe es nicht. „Die mazedonische Seite muss aber Erkennnisse | |
darüber gehabt haben, dass diese Gruppe nach Kumanovo eingesickert ist.“ | |
„Das Gegenfeuer aus Pistolen, das wir hören konnten, war nur schwach“, | |
erklärt ein am Tisch sitzender Journalist, der damals außerhalb der | |
Absperrungen stand und den Angriff hören konnte. „Wie kamen die 8 | |
Polizisten um und warum hat man sie schon am nächsten Tag so schnell | |
begraben?“, fragt er. Sind sie vielleicht in ein Kreuzfeuer eigener Leute | |
geraten? | |
Viele Fragen sind aufgeworfen: Haben sich mazedonische Geheimdienstler vor | |
wenigen Wochen tatsächlich mit den Anführern der Albanergruppe im Kosovo | |
getroffen, wie kosovarische Quellen behaupten? Sind wirklich 2 Millionen | |
Euro an diese Gruppe gezahlt worden? Warum mussten der Geheimdienstchef und | |
die Innenministerin zurücktreten? Noch gibt es keine befriedigenden | |
Antworten. | |
17 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
## TAGS | |
Mazedonien | |
Demokratie | |
Nikola Gruevski | |
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